Happy End
Asyl-Zwillinge: Fekter hebt Bescheid auf
17.10.2010
Die Abschiebung der Komani-Zwillinge ist aufgehoben. Sie können zurückkehren.
Im Fall der kosovarischen Zwillinge könnte es nun doch noch ein Happy End geben. Das Innenministerium hat die Bescheide des Magistrats Steyr aufgehoben, aufgrund deren die Familie Komani Österreich verlassen musste. Die derzeit in Wien in Spitalsbehandlung befindliche Mutter kann somit zumindest fürs erste bleiben. Dem Vater und den zwei achtjährigen Mädchen wird die Möglichkeit geboten, über ein humanitäres Visum aus dem Kosovo wieder einzureisen.
Bescheid "mangelhaft"
Innenministerin Maria Fekter (V) begründete diese Vorgangsweise damit, dass der Bescheid des Magistrats Steyr bezüglich eines humanitären Aufenthalts der Familie mangelhaft gewesen sei. Es sei bloß auf eine (negative) Stellungnahme der oberösterreichischen Sicherheitsdirektion verwiesen worden, aber kein Grund angegeben worden, warum die Komanis nicht in Österreich bleiben können. Aus Sicht der Ressortchefin wurde somit die Phase zwischen dem abgelehnten Bescheid von Mutter und Kindern aus dem Jahr 2006 und dem Letztentscheid 2010 nicht entsprechend berücksichtigt.
Wann Vater Komani und die beiden Mädchen wieder nach Österreich kommen können, hängt nun vom Tempo der kosovarischen und österreichischen Behörden ab. Fekter geht aber davon aus, dass dies recht schnell möglich sein sollte, wenn die Familie von ihren Beratern unterstützt wird.
Dauerhafte Lösung?
Ob die Familie Komani letztlich dauerhaft in Österreich bleiben kann, ist mit der heutigen Entscheidung des Innenministeriums noch nicht entschieden. Allerdings ist nun eine andere Behörde zuständig. Da sich die Mutter derzeit in Wien in Spitalsbehandlung befindet, wird nun der Magistrat der Bundeshauptstadt bei Frau Komani prüfen, ob man ihr einen humanitären Aufenthaltstitel geben kann.
Beim Vater und den beiden Mädchen stellt sich die Lage noch ein wenig komplexer dar. Zunächst muss überhaupt ein humanitäres Visum für eine Einreise vom Kosovo aus genehmigt werden, wovon allerdings auszugehen ist. Bei einer Wiedereinreise würden wohl auch die übrigen Komani-Bescheide aus Steyr aufgehoben und ein neues Verfahren in Wien eingeleitet.
Der Bescheid, der nun vom Innenressort nach einer Berufung der Komanis aufgehoben wurde, bezieht sich im Wesentlichen auf das Niederlassungsverfahren. Das Asylverfahren der Komanis ist schon längst rechtskräftig negativ abgeschlossen. Mutter und Töchter erhielten 2006 ihre negativen Bescheide, der Antrag des Vaters wurde vom Verwaltungsgerichtshof im Jahr 2009 letztinstanzlich abgewiesen.
Gesetzeslage
Innenministerin Maria Fekter (V) verteidigte die Gesetzeslage an sich: "Es ist ein gutes Gesetz, wenn es auch gut vollzogen wird." Dies sei im Fall Steyr nicht geschehen, deshalb die Aufhebung des Bescheids. Für Fekter ergibt sich aus dieser "falschen" Entscheidung in Oberösterreich auch ein Beleg dafür, wie wichtig die Einrichtung eines Bundesamts für Asyl und Migration ist, durch das eine einheitliche Vorgangsweise bundesweit garantiert werde. Das entsprechende Bundesamt soll morgen vom Ministerrat beschlossen werden.
Dass sie selbst nun ihre bisher harte Linie in Fremden-Angelegenheiten ändert, bestritt Fekter: "Das Innenministerium ändert den Kurs nicht." Recht müsse Recht bleiben.
Betont wurde von der Innenministerin ungeachtet dessen, dass bei allen Familien-Fällen künftig vom Ressort auch nach Entscheidung der Letztinstanz nochmals eine Prüfung vorgenommen werde, ob eine Abschiebung zu verhindern sei. Dabei gibt es einiges zu tun. Beim Asylgerichtshof liegen 1.250 entsprechende Fälle, beim Verwaltungsgerichtshof 800.
Noch einmal prüfen will Fekter auch, was die Anwesenheitspflicht für Asylwerber angeht. Hier gelte es die Bedenken des Verfassungsdienstes zu analysieren und "unter Umständen" Änderungen vorzunehmen. Die Verfassungsexperten des Kanzleramts hatten Bedenken angemeldet, was die De-Facto-Anwesenheitspflicht der Asylwerber in der Erstaufnahmestelle auch außerhalb der Behördendienstzeiten angeht.
Rot-Weiß-Rot-Card
Am Rande der PK gab Fekter zudem bekannt, dass sie davon ausgeht, dass die Vorschläge der Sozialpartner zur Rot-Weiß-Rot-Card auch umgesetzt werden. Sie nehme an, dass sich die politischen Parteien den von Gewerkschaft und Kammern ausgearbeiteten Kriterien grosso modo anschließen würden. Fekter hofft, dass es noch im heurigen Jahr zu einem Beschluss kommt.
Seite 2: Der Live-Ticker der Pressekonferenz von Innenministerin Maria Fekter zum Nachlesen.
11:17 Uhr:
Wann Vater Komani und die beiden Mädchen wieder nach Österreich kommen können, hängt nun vom Tempo der kosovarischen und österreichischen Behörden ab. Fekter geht aber davon aus, dass dies recht schnell möglich sein sollte, wenn die Familie von ihren Beratern unterstützt wird.
11.11 Uhr:
Fekter begründete diese Vorgangsweise damit, dass der Bescheid bezüglich eines humanitären Aufenthalts der Familie mangelhaft gewesen sei.
11:10 Uhr:
Das Innenministerium hat die Bescheide des Magistrats Steyr aufgehoben, aufgrund deren die Familie Komani Österreich verlassen musste. Die derzeit in Wien in Spitalsbehandlung befindliche Mutter kann somit zumindest fürs erste bleiben. Dem Vater und den zwei achtjährigen Mädchen wird die Möglichkeit geboten, über ein humanitäres Visum aus dem Kosovo wieder einzureisen.
+++ 10:45 Uhr: Der Bescheid STEYR im Fall der abgeschobenen Komani-Zwillinge ist aufgehoben. +++
Caritas-Präsident Franz Küberl forderte die Innenministerin auf, eine "neue Integrationsgesinnung" an den Tag zu legen. Er begrüßt es, dass Fekter eine Überprüfung des Falles angekündigt hat. Mit einem "Totalschwenk" der Ministerin rechnet er aber nicht.
10:09 Uhr:
Auch in der ORF-Diskussionsreihe "Im Zentrum" am Sonntagabend wurde das Thema diskutiert: Vertreter von SPÖ, ÖVP, FPÖ und Grüne fanden kaum Gemeinsamkeiten. ÖVP-Generaksekretär Kaltenegger stellte sich vor die Polizei, SPÖ-Klubobmann Cap verteidigte die Gesetzt und kritisierte den Vollzug.
09:53 Uhr: Mit Spannung wird nun erwartet, wie Fekter reagiert - und wie es mit den abgeschobenen Zwillingen weitergeht.
09:23 Uhr: Inzwischen ist ein Behörden-Streit ausgebrochen. Der Bürgermeister von Steyr, Gerald Hackl (SPÖ), wehrt sich gegen die Kritik von Innenministerin Fekter. Die Ministerin hatte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des abgelehnten humanitärem Aufenthalts geäußert. Hackl seinerseitsbetonte, der Magistrat habe in dieser Frage gar keine Entscheidungskompetenz. Obwohl
09:00 Uhr: Die immer lauter werdenden Proteste gegen die Inhaftierung von Kindern in Asylverfahren hatten Innenministerin Maria Fekter (V) zum Handeln gezwungen. Am Freitagnachmittag setzte sie den Wiener Fremdenpolizeichef Stefan Stortecky ab und kündigte an, den Anlassfall - die Abschiebung zweier kosovarischer Mädchen - nochmals prüfen zu wollen
Seite 3: ÖSTERREICH zu Besuch im Kosovo.
ÖSTERREICH-Besuch im Kosovo:
Das Bild ist herzzerreißend: Daniella und Dorentinya Komani, die beiden abgeschobenen Zwillinge, sitzen auf einer Couch in einer kargen Wohnung in Pristina. Beide haben einen violetten Pulli an, die Haare sind frisch gewaschen. Sie umarmen sich, schauen in die Kamera. In ihren Augen sieht man Unsicherheit, Angst. Sie wissen nicht, warum sie hier sind. Vater Augustin Komani musste sie anlügen. Er sagte: „Wir fliegen in den Urlaub.“
Baldige Rückkehr? Aber: Vieles spricht dafür, dass das Wunder ihrer Rückkehr sehr nahe ist. Wie ÖSTERREICH berichtete, lenkte Innenministerin Maria Fekter im Fall Komani zumindest vorerst ein. Die Vorgangsweise des Magistrats Steyr bei der Ablehnung des humanitären Aufenthalts wird jetzt auf seine Rechtmäßigkeit überprüft. „Der Bescheid wird überarbeitet und zwar so rasch wie möglich“, so das Innenministerium zu ÖSTERREICH.
Experte: Chance auf Wiedereinreise Sind den Behörden tatsächlich Fehler bei der Abschiebung passiert, ist eine Rückkehr von Daniella und Dorentinya sehr wahrscheinlich. Davon ist auch Heinz Fronek überzeugt, Experte der Asylkoordination Österreich. Er sagt: „Wenn die Behören Fehler eingestehen, sollten sie die Wiedereinreise ermöglichen.“ Wie lange das dauert, ist ungewiss. Dazu Fronek: „Das kann aber schnell gehen.“
Bedauerlich: Eine Rückkehr nach Österreich bedeutet aber nicht, dass die Komanis für immer bleiben dürfen. „Wahrscheinlich ist, dass die Familie dann so lange hier sein kann, bis die Mutter aus dem Spital entlassen wird“, sagt Fronek. Er glaubt nicht daran, dass ein neuer Antrag auf humanitären Aufenthalt erfolgreich sein dürfte. Nur im Fall, dass eine Abschiebung der Mutter psychisch nicht zuzumuten ist oder sie im Kosovo keine adäquate Versorgung habe, könnte die Familie bleiben.
Fekter rudert zurück Fest steht: Der Druck auf Innenministerin Fekter steigt. 33.000 Österreicher haben auf www.gegen-unrecht.at unterschrieben. Allein 12.000 am Samstag (!). Menschenrechtsorganisationen verurteilen Österreichs Abschiebe-Praxis. Von Fekter geplante Verschärfungen im Fremdengesetz („Anwesenheitspflicht für Asylwerber“) werden nun doch nicht im morgigen Ministerrat behandelt.
Die berührende Geschichte der Asyl-Zwillinge hat sich zu einem Flächenbrand entwickelt.
Treffen im Versteck Samstagnachmittag in Priština. Es regnet – wie immer. Wir treffen unsere „Kontaktperson“ in einem Lokal. Es ist wie in einem Agentenfilm. Er lotst uns zum geheimen Treffpunkt, einer Wohnung in einem Viertel abseits des Zentrums. Dort, wo keine schmucken Hochhäuser internationaler Institutionen stehen, kann man kaum glauben, dass der Krieg schon zehn Jahre vorüber ist. Nervös prüft unser „Kontakt“ immer wieder, ob uns jemand folgt.
Augustin Komani hält sich versteckt, in seine ehemalige Heimatstadt kann er nicht zurück. Warum, ist unklar. Er antwortet nicht direkt darauf. Der Treffpunkt – ein graues Wohnhaus, das Stiegenhaus fällt beinahe in sich zusammen. Die Wohnung ist sehr klein, alle Vorhänge sind zugezogen, eine Stunde lang dürfen wir hier bleiben, dann ist es nicht mehr sicher, sagt der „Kontakt“.
„Ich bin Daniella“ Eine alte Couch dient als Bett, auf einem zerkratzen Couchtisch spielen die Kinder. „Ich bin Daniella, die mit den Locken ist Dorentinya“, heißt ein ernstes Mädchen das ÖSTERREICH-Team willkommen. Auch Augustin Komani ist da. Er glaubt trotz der Abschiebung fest an Österreich. „Da muss irgendwo ein Fehler passiert sein. Ich habe nichts getan, ich will einfach wieder heim zu meiner Frau.“
Lesen Sie hier das vollständige Interview mit Daniella und Dorentinya.
Er schlägt die Hände vors Gesicht, bricht in Tränen aus. Leise sagt er: „Sie ist ja sehr krank.“ Dorentinya versucht den Vater zu trösten. Er wirkt angespannt. Die Kinder laufen in ein anderes Zimmer.
Zwillinge öffnen sich „Wenn die Mädchen mich fragen, warum ich weine, dann sage ich, weil die Mama krank im Spital liegt und nicht mit uns hier Urlaub machen kann. Ihr geht es überhaupt nicht gut, sie kann nicht telefonieren und mit mir sprechen“, sagt der Vater.
Die Kinder glauben seine Geschichte. Sie sollen sie glauben. Die Wahrheit, das spüren sie, könnte zu grausam sein.
"Wir besuchen Mama im Spital" Nach einer Woche Nieselregen in und um Priština, sagen sie trotzdem artig: „Bisher war der Urlaub sehr schön.“ Die beiden Zwillinge öffnen sich erst nach und nach im Gespräch, vor allem, wenn sie nach ihren Freunden in Österreich gefragt werden. Etwa nach ihrer besten Freundin Ina (7), die, genauso wie sie bis vor Kurzem, im Freunde-schützen-Haus in Wien-Meidling lebt. „Wir konnten uns immer ihre Kleider ausborgen und sie hat uns diese Mascherln gebastelt“, zeigen die beiden stolz eine lila Taftschleife, die sie sich an die Brust geheftet haben.
„Was ist das Erste, was ihr tut, wenn ihr wieder daheim seid?“ Wie aus einem Mund antworten zwei kleine Mädchen: „Wir besuchen die Mama im Spital!“ Ein seliges Lächeln verzaubert ihr Gesicht. Daniella strahlend: „Und dann rufen wir alle unsere Freunde aus der Schule an!“ Vater Augustin fügt hinzu: „Ich hoffe, alles wird gut.“