Temelin
Atomgegner drohen Gusi vor Nuklear-Gipfel
06.01.2008
Der Kanzler soll seinem Prager Amtskollegen zu Klarstellung hinsichtlich der Gültigkeit des Melker Abkommens drängen.
Österreichische Atomgegner haben vor dem Treffen von Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (S) mit dem tschechischen Ministerpräsidenten Mirek Topolanek am Montag in Wien mit einer Wiederaufnahme der Grenzblockaden zu Tschechien gedroht. Sollte die Bundesregierung bei den tschechischen Behörden weiterhin keine Maßnahmen zur Behebung der Sicherheitsmängel im südböhmischen Atomkraftwerk Temelin setzen, seien "schärfste Protestmanßnahmen - und damit somit auch eine Rückkehr zu Grenzblockaden gerechtfertigt", betonte "atomstopp_oberoesterreich" am Sonntag in einer Aussendung.
Gelten Melker Abkommen?
Die Atomgegner äußerten die Erwartung,
dass Gusenbauer von Topolanek eine Klarstellung hinsichtlich des
völkerrechtlichen Status des Melker Abkommens zu Sicherheitsmaßnahmen in
Temelin einfordern und auf eine umgehende und umfassende Lösung aller
Sicherheitsmängel drängen werde. In der auf Initiative von Gusenbauer und
Topolanek im Vorjahr gegründeten österreichisch-tschechischen
Parlamentarierkommission zu Temelin seien diese Fragen nur weiter
verschleppt worden, kritisierte "atomstopp_oberoesterreich".
Tschechien habe bei der jüngsten Sitzung der Parlamentarierkommission zudem
erklärt, dass das Melker Abkommen völkerrechtlich nicht verbindlich sei. Mit
diesem "Knalleffekt" sei die vor Beginn der Kommissionstätigkeit
gegebene Zusage der Atomgegner, von weiteren Grenzblockaden zu Tschechien
abzusehen, "hinfällig", heißt es in der Aussendung.
Einrichtung einer Schiedsinstanz gefordert
Auch die Grüne
Umweltsprecherin Ruperta Lichtenecker, die sich jüngst aus Protest gegen die
Tätigkeit der Parlamentarierkommission aus dieser zurückgezogen hatte,
forderte Gusenbauer auf, bei seinem Treffen mit Topolanek "die
völkerrechtliche Verbindlichkeit des Melker Abkommens zu klären. Außerdem
muss Gusenbauer auf die Einrichtung einer unabhängigen Schiedsinstanz
drängen, um die dringend nötige Klärung der offenen Sicherheitsfragen beim
Risiko-AKW Temelin herbeizuführen", so Lichtenecker in einer
Aussendung am Sonntag.
Nächste Seite: Temelin-Erweiterungspläne werden konkreter
Die Pläne für eine Erweiterung des umstrittenen südböhmischen Atomkraftwerks Temelin werden konkreter. Wie die tschechische Wirtschaftszeitung "E 15" in ihrer aktuellen Ausgabe berichtet, wird der Temelin-Eigner CEZ möglicherweise schon im zweiten Halbjahr 2008 mit der Einholung von Genehmigungen für den Bau zweier weiterer Reaktorblöcke in Temelin beginnen.
Soll Atom-Bauverbot aufgehoben werden?
Zudem schloss der
südböhmische Kreishauptmann Jan Zahradnik erstmals die Änderung des
Beschlusses von 2003 nicht aus, der den Bau neuer Atomreaktoren verbietet.
Nun sei die Situation anders, sagte der Parteifreund von Regierungschef
Mirek Topolanek dem Blatt. "Sowohl CEZ als auch die Regierung
verhandeln mit uns", sagte das Mitglied der konservativen
Demokratischen Bürgerpartei (ODS).
Ist der Ausbau überhaupt notwendig?
Der tschechische
Energiekonzern CEZ muss mit seinem Antrag noch das Ergebnis einer
Regierungsstudie über die Entwicklung der Energieversorgung in den kommenden
30 Jahren abwarten. Die von einer Kommission unter Leitung des Präsidenten
der tschechischen Akademie der Wissenschaft, Vaclav Paces, ausgearbeitete
Studie soll eine eindeutige Empfehlung enthalten, ob neue Atomreaktoren
nötig sind oder nicht. Das Dokument sollte bis Ende Juni fertig sein.
Nach den Worten des CEZ-Sprechers Ladislav Kriz könnte die Studie ein Signal für den Ausbau von Atomkraftwerken bringen. "Ohne eine breitere Zustimmung der Öffentlichkeit und der politischen Parteien ist es nirgendwo in der Welt möglich, den Bau eines Atomkraftwerkes zu beginnen", betonte Kriz.
Koalition voller Atombeführworter
Im Koalitionskabinett
Topolaneks haben die Atombefürworter die Oberhand. Nur die Grünen des
Vizepremiers und Umweltministers Martin Bursik sind dagegen. Sie hatten
jedoch jenen Passus im Regierungsprogramm durchgesetzt, wonach das Kabinett
neue atomare Energiequellen "weder planen noch unterstützen"
soll.
Zwei Atomblöcke mehr ursprünglich geplant
Temelin war
ursprünglich auf vier Reaktorblöcke ausgelegt worden, von denen jedoch
bisher erst zwei gebaut wurden. Laut "E 15" gibt es außerdem auch
Spekulationen über eine mögliche Erweiterung des südmährischen
Atomkraftwerkes Dukovany. Die Behörden des Kreises Vysocina hätten keine
Einwände dagegen, doch sei in diesem Fall der Energiekonzern CEZ aus
technologischen Gründen gegen den Bau. Bei Dukovany gebe es keine
ausreichende Menge an Wasser, die für die Kühlung eventueller neuer
Reaktoren erforderlich sei, sagte Kriz.