Ehemalige ORF-Chefin landet dank eines Team Stronach-Tickets im Parlament.
Mit ihrer Entscheidung, nun doch als "wilde" Abgeordnete in den Nationalrat einzuziehen, hat die frühere ORF-Generaldirektorin Monika Lindner nicht nur das Team Stronach verärgert. Auch SPÖ und Grüne warfen der 69-Jährigen am Dienstag "Wählertäuschung" vor. Im Team Stronach vermutet man finanzielle Motive hinter der Annahme des Mandats durch Lindner.
Lindner hatte am dritten Listenplatz des Team Stronach kandidiert, ihre Kandidatur aber weit vor der Wahl wegen Aussagen des damaligen Team Stronach-Klubobmanns Robert Lugar zurückgezogen. Im Wahlkampf engagierte sie sich folglich nicht. Nach entsprechenden Gerüchten bestätigte Lindner schließlich am Montag, dass sie das Mandat trotzdem annehmen wird.
"Enttäuscht"
Im Team Stronach ist man sauer: Die stellvertretende Parteichefin Kathrin Nachbaur zeigte sich am Dienstag "enttäuscht": "Ich finde ihre Vorgangsweise nicht fair." Die designierte Vize-Klubobfrau Waltraud Dietrich formulierte es drastischer und sprach von einer "Verhöhnung des Parlamentarismus", Lindners Verhalten sei "keine Form von Anstand und Charakter".
Finanzielle Motive
Dietrich warf Lindner außerdem finanzielle Motive vor: "Wenn mediale Berichte stimmen, dass sich Frau Lindner im ORF erkundigt hat, ob sie neben ihrer ORF-Pension von kolportierten 10.000 Euro auch ein Nationalratsgehalt von über 8.000 Euro beziehen kann, dann ist offensichtlich, worum es ihr wirklich geht." Das sei "menschlich zutiefst enttäuschend und moralisch verwerflich".
Schützenhilfe bekam das Team Stronach von SPÖ und Grünen, die einen Mandatsverzicht von Lindner forderten. Das Verhalten der früheren ORF-Generaldirektorin sei "an Dreistigkeit kaum zu überbieten und zeugt von einem mehr als fragwürdigen Demokratieverständnis", kritisierte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos. "Wo war eigentlich ihre Leistung im Wahlkampf?", fragte auch der geschäftsführende Parlamentarier der Grünen, Dieter Brosz. Lindners Vorgangsweise sei "ein neuer politischer Tiefpunkt in Österreich".
Die Volkspartei versucht indes Gerüchte zu zerstreuen, wonach die als ÖVP-nahe geltende Lindner in den schwarzen Klub eintreten könnte: Man habe "null Kontakt" mit Lindner, erklärte ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf. "Wir werden ihn auch nicht suchen." Im Parlament werde der VP-Klub dann natürlich einen normalen Kontakt zu Lindner aufbauen - so wie man das auch mit allen anderen Fraktionen mache.
Theoretisch wäre es kein Problem, dass sich Lindner dem ÖVP-Klub oder einem anderen anschließt - sie kann das während der gesamten Periode tun, die Zustimmung des Klubs vorausgesetzt.
Für eine Klubzugehörigkeit spricht, dass "wilde" Mandatare nur wenige Rechte haben, weil vieles zumindest an die Klubstärke von fünf Abgeordneten gebunden ist. Fraktionslose Abgeordnete dürfen in Ausschüssen nur Zuhörer sein, sind nicht in der Präsidialkonferenz vertreten und können ohne Unterstützer keine Gesetzesanträge oder Anfragen einbringen. Zumindest dürfen "wilde" Abgeordnete im Plenum das Wort ergreifen, Lindner kann außerdem mit einem parlamentarischen Mitarbeiter und einem Arbeitszimmer rechnen.
Fraktionslose Mandatare sind historisch betrachtet übrigens eher eine Seltenheit - seit 1945 gab es im Nationalrat nur 30 davon, wie das Parlament für die APA erhoben hat. Gründe für Fraktionslosigkeit gibt es mehrere: Man tritt aus seinem Klub aus, wird ausgeschlossen oder tritt - wie Lindner es vorhat - am Anfang der Gesetzgebungsperiode keinem Klub bei. Letzteres ist sehr ungewöhnlich, dem Parlaments-Experten Werner Zögernitz ist zumindest in der jüngeren Geschichte kein derartiger Fall bekannt.