Wegen der hohen Qualitätsunterschiede an Österreichs Schulen plant Unterrichtsministerin Schmied jetzt eine "Zentralmatura".
In einer fünfjährigen Pilotphase wird die AHS-Matura auf einen einheitlichen Stand gebracht werden. Im Schuljahr 2013/14 werden die ersten AHS-Maturanten die vom Unterrichtsministerium geplante standardisierte, kompetenzorientierte Reifeprüfung absolvieren, die aus drei voneinander unabhängigen Säulen besteht.
Kern dieser Matura nach derzeitigem Stand: Die schriftliche Prüfung wird mit identen, zentral vorgegebenen Aufgabenstellungen am selben Tag in ganz Österreich abgehalten, der Klassenlehrer beurteilt die Arbeiten mit Hilfe eines standardisierten Korrekturschlüssels. Jeder Schüler muss eine "Vorwissenschaftliche Arbeit" schreiben und diese bei der mündlichen Matura präsentieren und erklären. Bei der mündlichen Prüfung muss der Schüler in jeweils zehn bis 15 Minuten jeweils eine Frage aus zwei bzw. drei Fächern beantworten, diese kommt aus einem von den Fachlehrern der Schule zusammengestellten Themen-Pool.
Begonnen werden soll mit Deutsch Mathematik, und einer Fremdsprache. Ziel ist es, vom Fakten-Wissen zu einem verständnisorientierten, langfristigen Wissen zu kommen, so der Chef des Bilsdungsforschungsinstitutes Günter Haider. Derzeit werden Häppchen vermittelt, die dann wieder vergessen werden.
Die drei Säulen der Matura:
VORWISSENSCHAFTLICHE ARBEIT
(VWA):
Die VWA darf in jedem (schulautonomen- oder Wahlpflicht-)
Gegenstand mit mindestens vier Jahreswochenstunden verfasst werden. Das
Thema der 15 bis 20 Seiten langen Arbeit wird bereits gegen Ende der 7.
Klasse mit dem Prüfer festgelegt. Während der Erstellung der Arbeit müssen
Schüler wie Lehrer Protokoll über die Fortschritte führen, Abgabetermin ist
am Beginn des Sommersemesters. Ein Lehrer darf maximal fünf Schüler bei der
VWA betreuen; prinzipiell besteht freie Prüferwahl. Ein Lehrer kann ein
Thema ablehnen, nicht aber einen Schüler. Wird die Arbeit mit "Nicht
Genügend" bewertet, muss sie mit anderer Themenstellung bis zum
Herbst wiederholt werden. Zu den schriftlichen und mündlichen Maturaterminen
darf der Schüler dennoch antreten.
SCHRIFTLICHE MATURAPRÜFUNG:
Die Schüler können zwischen drei oder
vier Klausuren wählen, verpflichtend sind Deutsch, Mathematik und eine
lebende Fremdsprache. Als vierte schriftliche Prüfung sind, je nach
Schultyp, möglich: eine weitere Fremdsprache, Darstellende Geometrie, Physik
oder Biologie. Damit die Leistungen aller AHS-Schüler vergleichbar werden,
haben sie alle dieselben zentral vergebenen Aufgaben zu erledigen. Zur
Benotung nutzen die Lehrer einen vorgegebenen Korrektur- und
Benotungsschlüssel, anschließend wird die Arbeit noch vom Vorsitzenden der
Prüfungskommission begutachtet. Einen "Zusatz" - also die
Möglichkeit, eine negative schriftliche Arbeit durch eine mündliche
Maturaprüfung auszubessern - gibt es nach momentanem Diskussionsstand nicht
mehr. Negative Klausurarbeiten müssen schriftlich wiederholt werden, künftig
soll das erstmalig in der sechswöchigen Pause vor den mündlichen Prüfungen
möglich sein. Bleibt das "Nicht Genügend" bestehen, kann
zur mündlichen Prüfung trotzdem angetreten werden. Im Herbst gibt es noch
eine Möglichkeit zur Wiederholung.
MÜNDLICHE MATURAPRÜFUNG:
Je nach Zahl der schriftlichen
Klausuren müssen zwei bzw. drei mündliche Prüfungen abgelegt werden. Gewählt
werden darf dabei aus allen Pflicht- oder Wahlpflichtgegenständen mit
mindestens vier Wochenstunden. Die Fachlehrer der Schule stellen für jeden
Gegenstand - je nach Jahreswochenstunden - mindestens drei, aber maximal 24
Themen zusammen. Aus diesem "Themen-Pool" eines Gegenstandes zieht
der Schüler zwei Themen und muss sich für eines entscheiden. Dazu wird ihm
eine vom Lehrer vorbereitete Frage gestellt. Die Prüfung dauert zehn bis 15
Minuten, so dass ein intensiveres Eingehen auf die Fragestellung möglich
ist. Außerdem wird die Zusammensetzung der Prüfungskommission verändert und
ein zweiter Fachprüfer bei der mündlichen Prüfung dabei sein.
Kritik der Schüler
"BM Schmied hat sich in ihrer
Amtszeit schon des Öfteren durch Aktionen ausgezeichnet, die den
Schülerinnen und Schülern zuletzt dienen - doch ihr neuestes Vorhaben, allen
Schülerinnen und Schülern die gleiche Matura vorzusetzen, ist wohl die
Spitze des Eisbergs der unüberlegten Schnellschüsse", gibt
sich Matthias Hansy, Bundesobmann der Österreichischen Schülerunion (ÖVP)
schockiert.
Im Zusammenhang mit dem hervorragenden Abschneiden der Finnen bei der PISA-Studie geistert das Thema "Zentralmatura" seit zwei Jahren durch diverse Schul-Instanzen. Die Prüfungsaufgaben bei der finnischen Reifeprüfung sind für alle gleich, sie werden in Helsinki erstellt und auch bewertet. Am nächsten Tag stehen alle Aufgaben in den finnischen Zeitungen. Auch in Frankreich ist das "baccalauréat" eine Zentralmatura. 2005 wurde überlegt, ob die Mitarbeit jedes Schülers während des Schuljahrs nicht eine Rolle in der Bewertung für das "baccalauréat" spielen sollte. Dies löste eine nationale Diskussion in Frankreich aus. In Italien ist die Situation ähnlich. Seit der Reform des Systems im Schuljahr 1998/99 werden alle Schüler, die das 13. Schuljahr absolviert haben, auch wenn sie nicht in allen Fächern eine positive Beurteilung erfahren haben, zur Prüfung zugelassen. |