Arbeitsmoral
Aufruhr im Parlament nach Kritik von Peter Pilz
06.06.2008
Nach Pilz' Sagern in ÖSTERREICH über die Arbeitsmoral werden Rufe nach einer Sondersitzung laut. Dabei war der Saal am Freitag wieder halb leer.
Eigentlich sollten am Freitag Fragen wie Kilometerpauschale und Krsko die Debatte im Parlament dominieren. Doch vor und hinter den Kulissen gab es kein anderes Thema als die offenen Worte von Grün-Mandatar Peter Pilz, der seine Politiker-Kollegen kritisiert hatte. Die Regierungsparteien liefen Sturm und wollen jetzt Maßnahmen setzen, um das Image der Parlamentarier anzuheben. Doch der Verursacher der Aufregung, der Grün-Abgeordnete Peter Pilz, bleibt dabei: Parlamentarier sind faul.
Schlecht vorbereitet
Die Vorgeschichte: Pilz hatte im
ÖSTERREICH-Interview gesagt, dass viele Parlamentarier gar nicht oder nur
schlecht vorbereitet zu Ausschüssen kommen: „Es handelt sich um kein
Arbeitsparlament, sondern um ein reines Abstimmungsparlament.“ Faulheit sei
das zweite große Problem, so Pilz: „Viele wollen nur eines: nach zwei
Stunden nach Hause. Sie sind offenbar der Ansicht, dass ohnehin die
Regierung die Arbeit macht.“
Aufruhr im Hohen Haus
Diese Sätze wurden zum politischen Thema
Nummer eins. Die Abgeordneten waren in Aufruhr. Auszüge aus dem Artikel
wurden sogar während der Parlamentssitzung zitiert. Die Büros der
Abgeordneten arbeiteten diesmal schon am Vormittag auf Hochtouren, um
schnellstmöglich Aussendungen zu veröffentlichen. Man wollte den Vorwurf der
Faulheit nicht auf sich sitzen lassen. „Demokratieschädigend“ nannte
SPÖ-Klubchef Josef Cap die Worte von Peter Pilz. Cap meinte, alle
Abgeordneten bemühten sich um das Beste für Österreich.
Ruf nach Sondersitzung
ÖVP-Klubobmann Wolfgang Schüssel griff
Peter Pilz direkt an, denn „die Kritik kommt von einem, der sich selbst
oftmals nicht an die Spielregeln hält.“ SPÖ- und ÖVP-Politiker
wollen jetzt eine Sonderpräsidiale einberufen. Thema: Wie kann man das
angekratzte Image der Politiker noch retten? SPÖ-Nationalratspräsidentin
Barbara Prammer erwägt, eine Sondersitzung anzuberaumen. Sie will zuerst
aber noch mit den Klubchefs Gespräche führen.
Noch ein Pilz-Interview
Das gesamte Parlament ist also gegen
Pilz. Sogar sein eigener Parteichef Alexander Van der Bellen sagte, er
bedauere das Interview. Doch Pilz legt sogar noch nach. In einem weiteren
Interview mit ÖSTERREICH sagt er: „Das ist die Aufregung des schlechten
Gewissens.“ (Das ganze Interview finden Sie links stehend).
Wieder gähnende Leere
Der Freitag war der letzte Plenartag
vor der EURO, bis 8. Juli findet kein Nationalratsplenum statt. Und
trotzdem: Das Parlament war schon wieder vor 16 Uhr teilweise leer gefegt.
Nachdem Kanzler Gusenbauer aus dem fernen Argentinien ausrichten hatte
lassen, dass heimische Parlamentarier um 16 Uhr Dienstschluss machen, zeigte
ein ÖSTERREICH-Lokalaugenschein schon vor 16 Uhr gähnende Leere im
Sitzungssaal.
Halbe Belegschaft
So etwa um 14.30 Uhr, als SPÖ-Medienministerin
Doris Bures über die neue Medienbehörde referierte. Von den 183 Abgeordneten
war nicht einmal die Hälfte anwesend. Und von diesen las ein Teil die
Zeitung oder surfte im Internet. Nur einige wenige hörten wirklich zu oder
nahmen an der Diskussion über politische Themen teil.
Reformen gefordert
Nach Pilz verlangen nun immer mehr Abgeordnete
eine grundlegende Reform des Parlaments. „Wir wollen jede Woche mindestens
einen Sitzungstag mit normalen Arbeitszeiten. Die zwei Plenartage pro Monat
bis in die Nacht hinein sind ja Schwachsinn. Statt drei Monaten Sommerpause
sollte es zwei Wochen geben“, so BZÖ-Chef Peter Westenthaler zu ÖSTERREICH.
Leider seien vor allem die 66 Abgeordneten der ÖVP dagegen, so der
Bündnischef.