Abstimmung in der Schweiz

Aufstand gegen TV-Gebühren

02.03.2018

Hitzige Debatte um „Zwangsgebühren“ für TV nicht nur bei uns: Die Schweiz stimmt darüber ab.

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© TZ ÖSTERREICH/Artner
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Diese Abstimmung könnte gravierende Folgen für Österreich haben: Die Schweizer stimmen am Sonntag über die Abschaffung der Zwangsgebühren für den ­öffentlich-rechtlichen Rundfunk ab.

Schweizer zahlen mehr als Österreicher

391 Euro. Jeder Schweizer zahlt derzeit jährlich 391 Euro an die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG). Geht es nach den Initiatoren des Referendums, soll er sich künftig alleine mit Werbung finanzieren. Benannt ist die Initiative „No Billag“ nach dem Unternehmen, das die Gebühren einhebt – ähnlich der GIS bei uns (bis 315,96 Euro jährlich).

Haarscharf. Die Umfragen sehen einen ziemlich deutlichen Verbleib bei Rundfunkgebühren mit 65 % der Stimmen (914 Interviews von gfs.bern). Experten bezweifeln jedoch diesen Ausgang. Zum Vergleich: 2015 gab es bereits eine Abstimmung über ein neues Gebührensystem. Das Resultat war haarscharf: Nur 50,08 % stimmten dafür.

Sollte die „Ja“-Fraktion in der Schweiz gewinnen, wird europaweit eine Lawine losgetreten (siehe Interviews). In ­Österreich startete die FPÖ bereits einen Vorstoß. Vizekanzler Heinz-Christian Strache in ÖSTERREICH: „Es braucht eine ORF-Reform in dieser Periode und eine damit einhergehende Abschaffung der ORF-Zwangsgebühren.“

Bedrohung für ORF. Sollte es jemals so weit kommen, wären die Konsequenzen für den ORF gravierend. Die Gerüchte:

  • Der Medienkoloss könnte sich ausschließlich über Werbung finanzieren, müsste diese dann aber in Summe etwa verdreifachen.
  • Der ORF würde nur aus Steuergeldern gefüttert werden: Dann wäre der politische Einfluss noch viel größer.
  • Eine Einstellung des Senders FM4.
  • Manche fordern auch einen Verkauf von ORF1 und Ö3.

ÖVP-Medienminister Gernot Blümel verweist bisher standhaft auf die „große ­Medienenquete“, die im Frühling stattfinden soll.

Medienprofi Schawinski: »Ohne Gebühren kein Qualitätsprogramm«

Roger Schawinski gründete etliche private Sender, ist dennoch für die Rundfunkgebühr.

ÖSTERREICH: Herr Schawinski, warum befürworten Sie einen gebührenfinanzierten öffentlichen Rundfunk?

Roger Schawinski: Vor ­allem in kleinen Märkten wie der Schweiz oder Österreich ist die Finanzierung eines qualitativ hochwertigen Programms anders nicht möglich. Sendungen aus dem Bereich Bildung, Wissenschaft, oder tiefer gehende Dokumentationen sind anders nicht zu finanzieren.

ÖSTERREICH: Privatsender wie ServusTV schaffen das doch auch ohne Gebühren …

Schawinski: Wenn Milliardäre Geld übrig haben, finde ich das toll. ServusTV hat aber keinen hohen Marktanteil.

ÖSTERREICH: Funktioniert es in den USA nicht auch anders?

Schawinski: Die Geschichte der USA ist ganz anders, auch die Größe des Landes.

ÖSTERREICH: Laufen soziale Medien – siehe Trump – den klassischen den Rang ab?

Schawinski: Selbst Donald Trump gewann seinen Wahlkampf nicht über Twitter, sondern wegen der etablierten TV-Anstalten. Er wusste durch seine TV-Show The Apprentice, wie man im Fernsehen punktet.

TV-Experte Reichel : »Öffentlich-Rechtliche nicht mehr zeitgemäß«

Werner Reichel (Journalismus-FH Wien, ORF-Watch) lehnt Gebühren strikt ab.

ÖSTERREICH: Warum sind Sie für eine Abschaffung von Rundfunkgebühren?

Werner Reichel: Öffentlich-rechtliche Anstalten sind im digitalen Zeitalter anachronistisch. Sie wurden wegen Frequenzknappheit und extremen Kosten für den Aufbau von Sendernetzwerken gegründet. All diese Argumente treffen heute nicht mehr zu.

ÖSTERREICH: Sie erwähnen immer wieder die politische Einflussnahme auf öffentlich-rechtliche Medien …

Reichel: Der ehemalige ORF-Intendant Gerd Bacher hat gesagt: „Der ORF ist eine große Medienorgel.“ Und wenn man kann, will man darauf spielen. Ein öffentlich-rechtlicher Sender hat immer eine Staatsnähe. Auch wenn es einen Stiftungsrat gibt.

ÖSTERREICH: Ist gerade in Zeiten von „Fake News“ nicht Qualität besonders wichtig?

Reichel: „Fake News“ hat es immer gegeben. Früher hießen sie eben „Zeitungs­enten“. Bei uns hat der ORF weiterhin eine Vormachtstellung und Deutungs­hoheit. Im Infosegment ist es jetzt sehr schwer, Fuß zu fassen.

 

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