Justizministerin Bandion-Ortner über Kritik am Fall Grasser, juristische Sonderbehandlungen, politische Zurufe und die Kronzeugenregelung.
Justizministerin Claudia Bandion-Ortner gönnt sich derzeit eine Pause. Die Familie urlaubt in Kärnten. Doch die Politik holt die frühere Richterin auch am Wörthersee ein. Im ÖSTERREICH-Interview wehrt sich Bandion-Ortner jetzt gegen die Vorwürfe in ihre Richtung. Der gravierendste: Die Justiz würde im Fall Grasser untätig bleiben.
ÖSTERREICH: Ex-Rechnungshof-Präsident Franz Fiedler übt
massive Kritik an der Justiz, vor allem am schleppenden Fall Grasser. Wann
werden Grassers Konten geöffnet, wann wird er einvernommen?
Claudia
Bandion-Ortner: Fiedler war selbst jahrelang Staatsanwalt. Er müsste
wissen, dass man ein Ermittlungsverfahren nicht in der Öffentlichkeit führt.
Meinen Informationen nach soll es bald zu einer Einvernahme Grassers kommen.
Es wird intensiv ermittelt.
ÖSTERREICH: Sie hätten ein Weisungsrecht, das wollen Sie aber
nicht anwenden?
Bandion-Ortner: Ich würde es dann anwenden,
wenn mir berichtet wird, dass eine Bestimmung falsch angewendet wird. Aber
meine Aufgabe ist es nicht, neben dem Staatsanwalt zu sitzen und ihm zu
sagen, wie er zu handeln hat. Und das ist auch gut so, denn die Justiz muss
unabhängig arbeiten können.
ÖSTERREICH: Es werden ja fast täglich neue Vorwürfe gegen
Grasser laut und nichts passiert. Wird da mit zweierlei Maß gemessen?
Bandion-Ortner:
Ich kann versichern, dass bei uns alle gleich behandelt werden. Der
Staatsanwalt hat Gründe, warum er wann eine Einvernahme macht. Er muss dem
Betreffenden etwas vorhalten können. Man kann ja nicht einfach ins Blaue
hinein eine Einvernahme machen. Und Vorverurteilungen sind eines
Rechtsstaates auch nicht würdig. Diese politischen Zurufe ärgern mich sehr.
Früher hätte es die in dem Ausmaß nicht gegeben.
ÖSTERREICH: Ein weiterer Vorwurf: notorische Unterbesetzung
der Justiz. An der Buwog-Causa arbeiten nur drei Staatsanwälte.
Bandion-Ortner:
Von wegen „nur“. Das hat es noch nie in der Justizgeschichte gegeben, dass
mehrere Staatsanwälte an einem Fall arbeiten. Es hat generell noch nie so
viele Staatsanwälte gegeben. Wir haben für eine Personalaufstockung gesorgt.
ÖSTERREICH: Die Kritik ist also unbegründet?
Bandion-Ortner:
Natürlich müssen wir weiter aufrüsten, aber das ist ja alles schon auf
Schiene. Es wird im Herbst ein großes Paket geschnürt: 35 neue Staatsanwälte
für die Wirtschaftskompetenzzentren der Justiz und eine Kronzeugenregelung.
ÖSTERREICH: Die Kronzeugenregelung im Herbst ist fix?
Bandion-Ortner:
Sie wird kommen. Nur über die konkrete Ausgestaltung gibt es noch
Diskussionen.