Geteilte Obsorge
Bandion: Sorgerecht für ledige Väter
03.08.2010
Justizministerin Bandion- Ortner fordert im ÖSTERREICH-Interview die geteilte Obsorge auch für uneheliche Paare sowie ein neues Besuchsrecht.
Was bei uns erst diskutiert wird, gibt es in Deutschland seit Jahren: ein geteiltes Sorgerecht für Kinder nach Scheidungen. Jetzt hat der Verfassungsgerichtshof in Karlsruhe auf ein Urteil des EU-Gerichtshofes für Menschenrechte reagiert und stärkt unverheiratete Väter: Ledige Mütter können nach der Trennung den Obsorge-Anspruch des Vaters nicht mehr automatisch abschmettern. Justizministerin Claudia Bandion-Ortner fordert ähnliche Regelungen auch für Österreich.
ÖSTERREICH: In Deutschland werden unverheiratete Väter nach
der Trennung leichter ein Sorgerecht erhalten. Bei uns wird noch über die
geteilte Obsorge nach Scheidungen debattiert. Wann kommt sie?
Claudia
Bandion-Ortner: Wir haben über den Sommer eine Arbeitsgruppe
eingesetzt. Das hängt dann von den politischen Mehrheiten ab.
ÖSTERREICH: Betroffen wären nur eheliche Kinder.
Bandion-Ortner:
Wir müssen in weiterer Folge auch unverheiratete Paare ins Blickfeld rücken.
Deutschland wurde vom EU-Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt, weil
unverheiratete Väter ungleich behandelt wurden. Es läuft ein zweites
Verfahren mit Österreichbezug. Das warten wir jetzt einmal ab. Meine Meinung
dazu ist, dass auch uneheliche Kinder ein Recht auf den Vater haben.
ÖSTERREICH: Also gemeinsame verpflichtende Obsorge für alle?
Bandion-Ortner:
Ob man die geteilte Obsorge verpflichtend einführt oder unter bestimmten
Voraussetzungen erleichtert, ist die Frage. Es darf auch nicht sein, dass
Frauen aus Angst vor zu viel Einflussnahme den Vater nicht bekannt geben.
ÖSTERREICH: Welche Voraussetzungen wären das?
Bandion-Ortner:
Etwa ein gemeinsamer Wohnsitz der Elternteile zum Zeitpunkt der Geburt. Ich
verstehe diesbezüglich den Widerstand der Frauenbewegungen nicht. Männer
übernehmen heutzutage viel mehr Verantwortung für Kinder, dem muss man
Rechnung tragen.
ÖSTERREICH: Eine weitere Baustelle: das Besuchsrecht. Besuche
werden verweigert, Verfahren dauern Jahre, Strafen werden nicht exekutiert.
Bandion-Ortner:
Man muss überlegen, ob man nicht ein gesetzliches Besuchsrecht vorab
einräumt, bevor man eines gerichtlich festsetzt. Weil es nicht sein kann,
dass Eltern monatelang ihr Kind nicht zu Gesicht bekommen und Entfremdung
stattfindet. Aber die Frage der Umsetzung ist extrem schwierig. Einsperren
oder Geldstrafen spüren letztlich wieder die Kinder.