Seine Abrechnung
Bei Elsner in Haft: "Jetzt rede ich"
02.10.2010
ÖSTERREICH durfte zu Helmut Elsner ins Gefängnis.
Seit drei Jahren, sieben Monaten und 21 Tagen sitzt Helmut Elsner (75) in U-Haft. 1.390 Tage Monotonie. Alleine, in einer Zelle in der Krankenstation, Ebene Z5.
Freitag um 13.00 Uhr öffnet sich das riesige Eingangstor der Justizanstalt Wien-Josefstadt. „Es gibt zwei grüne Tore, läuten Sie beim rechten“, wird mir vor dem Besuch erklärt. Anmeldung, Sicherheits-Check, dann begleitet mich ein Justizwachebeamter in den 5. Stock.
Im Aufzug letzte Anweisungen: „Fotos nur vor neutralem Hintergrund.“ Eine Stunde Zeit bekomme ich, um mit Elsner zu sprechen. Direkt, ohne Glasscheibe als Trennung. Elsner hat sich ausdrücklich ÖSTERREICH ausgesucht, um das erste Zeitungs-Interview seit Jahren zu geben.
Was ins Auge sticht: Hier ist alles grün. Wände, Zellentüren. Dann ist Elsner da. Sogar sein Pulli ist mint.
22 Kilo mehr
Wir setzen uns in den Untersuchungsraum der Krankenstation, dürfen unter vier Augen miteinander reden. Der erste Eindruck schockiert. Von Elsner gibt es seit Monaten keine Fotos, deshalb fällt auf, wie stark er zugenommen hat. „22 Kilo“, sagt er, „seit ich in Haft sitze“. 105 Kilo wiegt er jetzt.
Das Reden fällt ihm schwer, er ringt immer wieder nach Luft, wirkt aufgedunsen, vor allem im Gesicht. Elsner ist definitiv ein kranker Mann.
Aber: Der Ex-Manager wirkt gleichzeitig hellwach, trägt die Haare immer noch so, als würde er auf dem Weg in die Bank sein. In seine Bawag. Lebenszweck und Untergang. Vor allem aber: Elsner ist nach wie vor kämpferisch, will seinen „Fall“ aufklären. Er hat in der U-Haft kein Internet, kein Telefon, kein E-Mail. Aber er liest akribisch jeden Gerichtsakt, jedes Anwaltschreiben. Wichtige Stellen sind mit Leuchtstift gelb markiert. Viele Aussagen aus dem Bawag-Prozess kann Elsner auswendig rezitieren.
Im Interview, das ÖSTERREICH als Serie druckt, macht er spektakuläre Ankündigungen: Elsner möchte beweisen, dass Wolfgang Flöttl die Bawag-Millionen nicht verspekuliert, sondern unterschlagen hat. Er erzählt, wie das System Flöttl funktioniert. Und er will, dass das Verfahren um den Plastiksackerl-Kredit neu aufgerollt wird. Lesen Sie rechts Teil 1 des Interviews.
ÖSTERREICH: Herr Elsner, vor 12 Tagen wurde Ihr Antrag auf Fußfessel abgelehnt. Haben Sie damit gerechnet, oder glaubten Sie wie viele, dass Sie nach Hause kommen werden?
Helmut Elsner: Ich sage Ihnen etwas: Ich war nicht überrascht. Als die Staatsanwaltschaft zuerst „Ja“ gesagt hat, waren alle – auch hier in der U-Haft – der Meinung, der Antrag geht durch. Aber Richter Christian Böhm hat schon mehrmals absurde Begründungen gebracht, warum bei mir angeblich Fluchtgefahr besteht, dass ich vorsichtig war. So hat er bei einem meiner Enthaftungsanträge behauptet, mein Vermögen ist zwar gesperrt, aber mit meiner ASVG-Pension von 1.300 Euro kann ich mit meiner Frau ein sehr geordnetes Leben im Ausland führen. Und mit der e-card kann ich mich behandeln lassen.
ÖSTERREICH: Haben Sie sich gewundert, dass plötzlich das Bügelzimmer Ihrer Wohnung einer der Gründe für die Ablehnung war?
Elsner: Im Vorfeld wurde alles untersucht, auch das Bügelzimmer. Es gab nur beim ersten Check Probleme, aber beim zweiten Check gab es auch hier Empfang. Vor der Haftverhandlung wurden auch meine sozialen Verhältnisse überprüft. Ich wurde gefragt, welche persönlichen Freiräume ich haben will, da habe ich geantwortet: Ich will gar keine haben, denn ich möchte Richter Christian Böhm keine Möglichkeit geben, dass er wieder mit der Fluchtgefahr argumentieren kann. Ich wollte 24 Stunden zu Hause bleiben. Mir war nur wichtig, aus dieser Stresssituation, die in der U-Haft herrscht, zu kommen. Ich habe vorgeschlagen, dass die Ärzte mich zu Hause behandeln können. Richter Böhm hat mich darauf gefragt: „Und was ist, wenn Sie eine Blutuntersuchung im Labor machen müssen?“ Da habe ich geantwortet: „Da geht mein Blut ins Labor und nicht ich selber.“
ÖSTERREICH: Glauben Sie, dass Sie noch in diesem Jahr aus dem Gefängnis kommen?
ELSNER: Das kann ich nicht beantworten, das weiß ich nicht. Aber eines weiß ich sicher: Ich bin nicht zerknirscht. Man kann mich nicht zerknirschen, sondern nur umbringen.
ÖSTERREICH: Sie haben Beschwerde gegen die Entscheidung von Christian Böhm beim Oberlandesgericht eingebracht. Glauben Sie, hat diese Beschwerde überhaupt eine Chance?
ElSner: Bis jetzt ist jede Beschwerde von Richterin Ingrid Jelinek abgelehnt worden. Sie hat mich in ihren Begründungen als „skrupellos“ und „unverfroren“ bezeichnet. Weil ich so skrupellos bin, würde ich sofort flüchten und meinen Freunden, die Kaution für mich stellen, schaden. Jetzt haben wir eine Befangenheitsbeschwerde gegen sie eingebracht und hoffen, wenn ein anderer Richter entscheidet, dass die Chancen steigen.
Lesen Sie auf der nächsten Seite das zweite Teil des großen Interviews.
ÖSTERREICH: Warum rückt die Justiz Ihrer Meinung nach nicht davon ab, dass Fluchtgefahr besteht?
Elsner: Zuerst muss ich einmal festhalten, dass ich nie geflüchtet bin. Ich bin im Jahr 2006 neun oder zehn Einvernahmen gekommen. Dann gab es einen weiteren Termin. Vor diesem hatte ich aber einen Kollaps und kam ins Spital. Mein Anwalt Schubert hat das sofort Staatsanwalt Georg Krakow gemeldet und ihn um einen neuen Termin gebeten. Es kam aber nie ein neuer Terminvorschlag vom Staatsanwalt, sondern gleich umgehend der Haftbefehl.
ÖSTERREICH: Was war der tatsächliche Grund für den Haftbefehl?
Elsner: Weil mich ein Journalist von NEWS angeblich im Porsche fotografiert hat. Wie sich später herausstellte, hat das nie gestimmt. Das war weder ich, noch mein Porsche, der da fotografiert wurde. Auch die französischen Behörden waren sehr verwundert, dass wegen eines Artikels ein Haftbefehl erlassen wird. Die Polizisten haben noch zu meiner Frau gesagt: „Machen Sie sich keine Sorgen, das kann nicht halten. Ihr Mann ist in zwei Tagen wieder da. Aus den zwei Tagen sind bislang fast vier Jahre geworden. Ich bin hier im Gefängnis jetzt schon Ehrenbürger.
ÖSTERREICH: Hatten Sie jemals den Gedanken, in Frankreich zu flüchten?
Elsner: Wenn ich das wirklich vorgehabt hätte, wäre es in Frankreich ein leichtes gewesen. Von Nizza gehen täglich Schiffe nach Afrika. Da hätte ich jeden Tag einsteigen können und wäre weg gewesen. Aber das ist mir nie in den Sinn gekommen. Ich will meine Unschuld beweisen, ich habe zahlreiche Klagen etwa gegen die Ministerin eingebracht, da werde ich doch nicht flüchten. Ich möchte das mit Anstand zu Ende bringen.
ÖSTERREICH: Wie schaffen Sie es, trotzdem so kämpferisch zu sein?
Elsner: Ich war immer ein Kämpfer. Aber jetzt kommt mir alles wie ein schlechter Film vor, in den ich hier hineingeraten bin. Auch hier in der U-Haft werde ich öfters darauf angesprochen, wie ich es schaffe, so lange hier zu sein. Ich antworte dann immer: Für mich ist das Schicksal. Andere Menschen haben Krebs und ich habe die Bandion-Ortner.
ÖSTERREICH: Es wird immer wieder über Ihre schlechte Gesundheit berichtet. Können Sie uns erzählen, wie Sie sich derzeit fühlen?
Elsner: Ich bin sehr kurzatmig. Wahrscheinlich auch durch die extreme Gewichtszunahme. Mit 83 Kilo bin ich hier in die U-Haft gekommen und jetzt habe ich 105 Kilo. Wenn ich zwei Mal am Gang auf und ab gehe, muss ich mich schon in der Zelle niederlegen. Von den 22 Kilo Gewichtszunahme sind allein 10 Kilo Wasser, weil ich so aufgestaut bin. Ich würde gerne abnehmen, aber das ist hier unmöglich. Das steht auch im Gutachten, aber das ist dem Richter alles egal.ÖSTERREICH: Haben Sie Angst, dass Sie in der Haft sterben könnten? ELsner: Viele meinen hier, dass sie wahrscheinlich wollen, dass ich hier sterbe. Und wahrscheinlich ist das auch der Plan, denn dann kommen Bandion-Ortner und Krakow mit ihren Schurkereien durch.
ÖSTERREICH: Wer könnte Angst haben, wenn Sie in Freiheit sind?
Elsner: Solange Krakow etwas zu sagen hat, werden sie mich hinter Gitter halten. Sie fürchten sich vor meiner Öffentlichkeit. Denn wenn ich draußen bin, kann ich Pressekonferenzen geben, ins Finanzministerium gehen. Und wahrscheinlich bekommt auch Flöttl ziemliche Angst, wenn ich recherchieren könnte.
ÖSTERREICH: Apropos Flöttl. Aus Ihrem ehemaligen Freund ist Ihr größter Feind geworden?
Elsner: Ich kenne Wolfgang Flöttl, seitdem er Student ist. Er hat uns immer vorgespielt, dass meine Frau, meine Tochter und ich für ihn seine Familie sind. Das war eine große menschliche Enttäuschung. Denn er hat mit einer unheimlichen kriminellen Energie daran gearbeitet, sich rein zu waschen.
ÖSTERREICH: Seine Rolle war für Sie die große Überraschung...
Elsner: Ja, das war sie. Vor dem Prozess hat er immer gesagt: Es tut ihm so leid, er nimmt seine Schuld auf sich. Er hat mich einige Male angerufen. Er war immer in großer Sorge, dass seine Eltern etwas von den Verlusten erfahren. Wäre alles so gelaufen, wie er es im Prozess dann ausgesagt hat, hätte er sich bei seinen Eltern auf mich ausreden können. Aber das konnte er nicht, weil er im Prozess gelogen hat.
ÖSTERREICH: Wann hat Flöttl im Prozess gelogen?
Elsner: Wir haben Unterlagen über seine Bilanzen im Prozess angefordert. Da hat Flöttl gesagt: Er kann seine Geldflüsse nicht dem Gericht vorlegen, weil sein Computer in der Firma abgestürzt ist. Können Sie sich das vorstellen, eine Firma seiner Größe, die bis zu 150 Mitarbeiter hatte, aber kein Backup-System hat? Und die Bandion-Ortner hat ihm das alles geglaubt. Dann haben wir Flöttl nachgewiesen, dass er im Jahr des Verlusts 200 Millionen Dollar Gewinn hatte. Damals hat er geantwortet: Das war nicht sein Gewinn, sondern der einer andere Händlergruppe. Ein paar Verhandlungstage später, hat er sich verplappert und behauptet, es war sein Gewinn. Als ich ihn auf diesen Fehler aufmerksam machte, ist Bandion-Ortner dazwischen gegangen und hat gemeint: „Er hat doch schon gesagt, dass das eine andere Händlergruppe war und nicht er.“
ÖSTERREICH: Das sind insgesamt sehr viele Vorwürfe an die Ministerin...
Elsner: Ich habe in meiner letzten Haftverhandlung für das Protokoll gesagt: Claudia Bandion-Ortner lügt in meinem Fall wie gedruckt. Außerdem halte ich sie für eine nicht außerordentlich intelligente Person und ich habe den starken Verdacht, dass bei ihr und Krakow Korruption vorliegen. Die Indizien sind ja im Gerichtsakt. Entweder belangt sie mich jetzt wegen übler Nachrede, oder sie ist rücktrittsreif. Aber es passiert nichts.