Vernehmung der Meinungsforscherin
Beinschab: Ihre geheime Aussage
24.02.2022Jetzt liegen die lange erwarteten Aussagen der Meinungsforscherin Beinschab zu den Schmid-Chats vor.
Vier Monate lang hat die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft die bisher brisanteste Aussage im Verfahren um die „Thomas-Schmid-Chats“ unter Verschluss gehalten: Jetzt liegt die Vernehmung der Meinungsforscherin Sabine Beinschab zu ihren Umfragen in ÖSTERREICH und für das Finanzministerium erstmals vor.
Sabine Beinschab wurde ja von der WKStA vorgeworfen, Umfragen für Sebastian Kurz bewusst falsch an das Finanzministerium verrechnet zu haben und im Auftrag von Kurz und der ÖVP die aktuellen Meinungsumfragen in der Tageszeitung ÖSTERREICH gefälscht zu haben. ÖSTERREICH hat das von Beginn an entschieden bestritten – und wird nun von der Beinschab-Aussage voll bestätigt. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft gegen ÖSTERREICH brechen – zumindest nach der Aussage von Sabine Beinschab – völlig zusammen.
Die Vernehmung von Sabine Beinschab wurde am 13. Oktober 2021 im Vernehmungssaal 1 des Bundesamts zur Korruptionsbekämpfung durchgeführt, dauerte von 11.20 bis 17.40 Uhr und wurde sogar auf Video aufgezeichnet. Man sieht eine völlig gebrochene Sabine Beinschab, die über sechs Stunden lang im Kreuzverhör der Staatsanwälte „gegrillt“ wird und die tatsächlich bereit ist, als „Kronzeugin“ der Staatsanwaltschaft gegen ihre einstmals beste Freundin, Ex-Ministerin Sophie Karmasin, aufzutreten.
Karmasin an Umsätzen von Research Affairs beteiligt
Das Verhör beginnt mit einer ausführlichen Schilderung von Beinschabs Lebenslauf und dem Start ihrer Karriere als Meinungsforscherin beim Gallup-Institut – als persönliche Assistentin von Sophie Karmasin.
Als Sophie Karmasin 2014 Familienministerin wurde, trennten sich die beiden vom Gallup-Institut – und Beinschab baute mit Hilfe der Familie Karmasin ihr eigenes unabhängiges Umfrageinstitut Research Affairs auf.
Schon nach einer Stunde lässt Beinschab in ihrer Aussage – im Rahmen der „Kronzeugen-Regelung“, wie sie extra betont – jene „Bombe“ platzen, auf die die Staatsanwälte offenbar hinauswollen: Ihre Freundin und langjährige Partnerin, die damalige Familienministerin Sophie Karmasin, hätte von Umsätzen, die Research Affairs erwirtschaftet habe, 20 % Beteiligung erhalten.
Beinschab: „Angenommen, wir haben im Jahr 100.000 Euro gemacht, dann hat sie 20.000 Euro bekommen, indem sie eine Rechnung gelegt hat.“ Staatsanwalt: „Was ist in der Rechnung drinnen gestanden?“ Beinschab: „Beratung.“
Aufträge von ÖSTERREICH und Finanzministerium waren »zwei Paar Schuhe«
Sie habe das Geld völlig korrekt abgerechnet und per Bank überwiesen, an ihren Umfragen aber fast nichts verdient, weil mit den 20 % praktisch der gesamte Gewinn an Sophie Karmasin gegangen sei, jammert Beinschab.
In der Folge schildert Beinschab ausführlich, wie sie die ersten Aufträge für ihr Institut bekommen hat – alle über Vermittlung von Sophie Karmasin. Karmasin habe ihr einerseits den von ihr über mehr als 15 Jahre persönlich betreuten Politbarometer-Auftrag der Tageszeitung ÖSTERREICH vom Gallup-Institut vermittelt (Beinschab: „Das war für mich ein geschäftlicher Triumph!“) – und Karmasin habe ihr auch Studienaufträge des Bundesministeriums für Finanzen vermittelt. Beinschab: „Sie hat gesagt: Schick’ deine Kontaktdaten zu Thomas SCHMID, dort gibt’s Studienaufträge!“
Zur offensichtlich großen Enttäuschung der Staatsanwälte betont die „Kronzeugin“ Beinschab dann freilich vielfach und immer wieder, dass die Polit-Umfragen für ÖSTERREICH und die „Studien“ für das Finanzministerium NICHTS miteinander zu tun hatten. Beinschab: „Das waren im Prinzip zwei Paar Schuhe.“ Die Polit-Umfragen für ÖSTERREICH seien ein von den „Studien“ für das Finanzministerium völlig unabhängiges Projekt gewesen.
Dass die Staatsanwaltschaft geglaubt habe, die ÖSTERREICH-Politumfragen hätten mit den Finanzministeriumsumfragen etwas gemeinsam, erklärt Beinschab mit einem Missverständnis: Sie hätte die ÖSTERREICH-Umfragen, weil sie wöchentlich durchgeführt wurden, immer als sogenannte „Omnibus-Umfragen“ verstanden. Darunter versteht man in der Branche, dass an eine große Umfrage (eben jene von ÖSTERREICH) mehrere kleinere angehängt werden, um sich weitere „Umfrage-Wellen“ zu ersparen. Ohne Wissen des Auftraggebers ÖSTERREICH habe sie an diese Polit-Umfragen auch Fragen von anderen Klienten angehängt, um Kosten zu sparen. Der wichtigste Klient in diesem Zusammenhang seien die Herren FRISCHMANN und SCHMID gewesen, die mehrfach politische Fragen für das Finanzministerium an diese „Omnibus-Umfragen“ angehängt und beauftragt hätten.
Die Fragen dafür habe sie immer per E-Mail von Johannes FRISCHMANN erhalten – das Ergebnis dieser Fragen dann an FRISCHMANN und SCHMID weitergeleitet und erst nach deren Freigabe habe sie diese Ergebnisse dann teilweise an Medien – an APA, ORF, PRESSE, ÖSTERREICH und TT – weitergeleitet.
Beinschab betont in ihrer Vernehmung immer wieder, dass SCHMID und FRISCHMANN mit ihren Zusatzfragen keinen Einfluss auf die ÖSTERREICH-Politikumfrage gehabt hätten, diese auch nicht vor der Veröffentlichung gesehen und ganz sicher nicht manipuliert hätten.
Beinschab: „Der Thomas SCHMID hat nie die Ergebnisse von der ÖSTERREICH-Befragung bekommen, sondern es waren zwei Paar Schuhe. Wenn eine Zusatzfrage an eine ÖSTERREICH-Umfrage angehängt wurde, wurde diese extra bezahlt, das heißt, nicht bei ÖSTERREICH abgerechnet.“
Zusatzfragen nicht mit ÖSTERREICH abgerechnet
Beinschab gibt allerdings zu, dass sie die von FRISCHMANN übermittelten Fragen oft nicht einzeln verrechnet, sondern offenbar zu den Rechnungen über die eigens durchgeführten „Studien“ für das Finanzministerium (die Rede ist von sechs Studien) hinzugerechnet habe.
Damit hätte – so der Vorhalt der Staatsanwälte in der Befragung – das Finanzministerium etwa auch FRISCHMANN-Fragen über die Wahl-Chancen von Irmgard Griss, von Peter Pilz oder sogar die Bewertung von Kanzler Kern als Pizzabote bezahlt.
Sehr enttäuschend für die Staatsanwälte verläuft jener Teil der Aussagen, in denen Sabine Beinschab über ihre Kontakte zur Kurz-Gruppe spricht.
Sebastian KURZ hätte sie kein einziges Mal getroffen oder gesprochen: „Ich habe ihn nur einmal im Vorbeigehen gesehen. Ansonsten nie. Gar nie.“
Den KURZ-Berater Stefan STEINER kenne sie „überhaupt nicht“, auch mit KURZ-Sprecher FLEISCHMANN sei sie „nur einmal auf einen Kaffee im Café Griensteidl“ gewesen.
Und selbst Thomas SCHMID habe sie nur zweimal bei einem Essen getroffen – einmal bei einem schicken Japaner, einmal bei einem Spanier, bei dem Schmid schlecht geworden sei, weil das Essen so mies war. Dabei habe sie mit Schmid niemals über die Umfragen und schon gar nicht über etwaige Abmachungen mit ÖSTERREICH gesprochen („Dazu ist mir absolut nichts bekannt!“), sondern über seine Studien in der Schweiz und über den Vorteil von Klima-Anlagen. Sie hätte SCHMID „als Person sehr nett empfunden“. „Ich habe mir gedacht, mit dem könnte ich wieder einmal essen gehen.“ Als sie dann gehört habe, Schmid hätte via Chat weitere Essen mit ihr abgelehnt, war sie „fast ein bisschen traurig, weil ich ihn eben als sehr nette Person wahrgenommen habe“.
Beinschab: Frisierte Umfragen erschienen in ›Presse‹ und ›Heute‹
In Wahrheit bricht mit der Aussage von Sabine Beinschab das gesamte Vorwurfskonstrukt der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, das zu den Hausdurchsuchungen im Umfeld von Kanzler Kurz, aber auch bei ÖSTERREICH sowie bei Wolfgang und Helmuth Fellner geführt hat, zusammen. Sabine Beinschab betont immer wieder, dass sie mit dem Beraterkreis von Sebastian KURZ und mit dem Kanzler selbst nie zu tun hatte – und dass ihr einziger Kontakt nur der damalige Pressesprecher des Finanzministeriums, Johannes FRISCHMANN (der erst in späterer Folge auch Kurz-Pressesprecher wurde), war.
Und Sabine Beinschab betont auch immer wieder, dass sie zwar Fragen von FRISCHMANN an ÖSTERREICH-Umfragen (in Form von – ihrer Meinung nach – branchenüblichen „Omnibus-Umfragen“) angehängt habe – FRISCHMANN und SCHMID aber „in keinem einzigen Fall“ damit auf die ÖSTERREICH-Politumfragen Einfluss genommen, diese finanziert und schon gar nicht manipuliert hätten. Auch von Gegenfinanzierungen aus Inseraten sei ihr „absolut nichts bekannt“.
Am Schluss der über 400 Minuten langen Befragung am 13. Oktober fällt Beinschab dann doch noch ein, dass sie „einmal“ tatsächlich eine ihrer Umfragen „innerhalb der Schwankungsbreite frisiert“, also gefälscht habe. Das sei eine Umfrage zum Neuwahl-Wunsch der Österreicher im Auftrag von FRISCHMANN – und ganz sicher keine ÖSTERREICH-Umfrage – gewesen. Im Gegenteil. Beinschab: „Ich habe die Ergebnisse dieser Umfrage an FRISCHMANN weitergeleitet und eine von ihm überarbeitete Version zurückbekommen. Diese Version und die Ergebnisse habe ich dann an Rainer NOWAK (Herausgeber der Tageszeitung PRESSE) weitergeleitet, gehe aber davon aus, dass FRISCHMANN zuerst mit ihm gesprochen hat.“ Diese Umfrage sei dann in der PRESSE und in Bundesländer-Zeitungen erschienen – nicht in ÖSTERREICH.
Bei einer weiteren Einvernahme am 20. Oktober 2021 packt Sabine Beinschab dann noch weiter aus – und sorgt für eine Überraschung: Nicht die ÖVP, sondern die SPÖ hätte bei ihr Umfragen gefälscht – und diese gefälschten Umfragen seien in der Gratiszeitung HEUTE erschienen. Beinschab: „Ich habe in den Jahren 2011 bis 2013 laufend Umfragen für die Tageszeitung HEUTE durchgeführt, wobei es Absprachen zwischen der Bundes-SPÖ, dem GF von HEUTE Jansky und mir als Assistentin von Frau Karmasin gab. Unter der Bundesgeschäftsführerin Laura RUDAS wurden mir von Paul PÖCHHACKER sehr deutlich Wünsche der SPÖ kommuniziert, in welche Richtung die Ergebnisse der Umfragen zugunsten der SPÖ verändert werden sollen. Dabei sollten beispielsweise ein paar Prozentpunkte beim Ergebnis der Sonntagsfrage zugunsten der SPÖ verändert werden. Die Umfragen wurden in der Gratiszeitung HEUTE veröffentlicht. Den Druck, Umfragen zugunsten der SPÖ zu adaptieren, habe ich von Mitarbeitern der SPÖ bekommen.“
In einer weiteren Aussage korrigierte Beinschab, sie sei „nur bei einer“ solchen Besprechung dabei gewesen.
Das Protokoll: