Gewaltschutz
Berger lässt umstrittene Anzeigepflicht fallen
10.08.2008
Justizministerin Maria Berger (S) versucht einen letzten Anlauf für das Gewaltschutzpaket. Doch die ÖVP will da nicht mitspielen.
Berger hat eine neue Version ohne die viel kritisierte Neuregelung der Anzeigepflicht bei Verdacht auf Kindesmissbrauch und -misshandlung vorgelegt. Berger hofft, das Paket in der nun vorliegenden Form am Dienstag im Sommerministerrat durchbringen zu können, sagte sie. "Die Anzeigepflicht wäre ein wichtiger Teil gewesen, aber nicht der einzige. Es sind weitere wesentliche Bestimmungen dabei, von denen ich möchte, dass sie sobald wie möglich in Kraft treten."
Knackpunkt Anzeigepflicht
Die Verhandlungen von SPÖ und ÖVP über
das Gewaltschutzpaket waren vergangene Woche gescheitert, Knackpunkt: die
verschärfte Anzeigepflicht. Diese war zwischenzeitlich von Berger
abgeschwächt worden, dennoch hagelte es weiterhin Kritik von
Kinderrechtsorganisationen, Ärzten und Experten. Nun verzichtet Berger
gänzlich auf die Neuregelung: Sie wolle stattdessen eben die bereits
bestehenden Anzeige- und Meldepflichten den betreffenden Stellen "nachdrücklich
in Erinnerung rufen".
Ausbau des Schutzes
Weiters im Paket enthalten sind etwa der
Ausbau der Einstweiligen Verfügung zum Schutz vor Gewalt, höhere Strafen bei "fortgesetzter
Gewaltausübung", Opferschutz-Regelungen auch im Zivilverfahren
sowie ein Vorschuss auf Schmerzensgeld für Gewaltopfer. Zudem sind schärfere
Maßnahmen gegen Sexualstraftäter vorgesehen: gerichtliche Aufsicht, längere
Probezeiten und Tilgungsfristen sowie Berufs- und Tätigkeitsverbote.
Zugunsten dieser Punkte lasse sie die Anzeigenpflicht fallen, so Berger. Sie wünscht sich einen Beschluss des Pakets im Ministerrat am Dienstag, um es noch vor der Wahl im Nationalrat zur Abstimmung zu bringen. Damit könnte es mit 1. Jänner 2009 in Kraft treten. Für eine Einigung mit dem Koalitionspartner ist sie optimistisch, schließlich sei doch der "letzte Verhandlungsstand" eine Einigung gewesen - bis eben auf die Anzeigenpflicht: "Wir waren schon da."
Absage der ÖVP
Die ÖVP erteilt dem Ansinnen Bergers jedoch
eine Abfuhr. VP-Innenministerin Maria Fekter erklärte am Sonntag, dass das
Paket "nicht annähernd fertig gedacht und keineswegs fertiggestellt" sei.
"Für halbe Lösungen und unfertige Pakete stehen wir nicht zur Verfügung."
Ein neuer Entwurf zum Gewaltschutzgesetz liege dem Innenministerium auch gar
nicht vor.
Fekter bezeichnet die Darstellung Bergers, wonach das Paket praktisch ausverhandelt gewesen und lediglich an der Anzeigepflicht gescheitert sei, als "schlichtweg falsch". Auch vonseiten des Innenministeriums seien "längst nicht alle Fragen gelöst und längst nicht alle offenen Punkte hinsichtlich des Maßnahmenpaketes gegen Sexualstraftäter geklärt" gewesen.
Kritk am Rückzieher Begers
Die Grünen forderten indes die
ÖVP auf, nicht zu "blockieren", sondern dem Paket zuzustimmen. Der Grüne
Justizsprecher Albert Steinhauser begrüßte, Bergers Abschied von der
Anzeigepflicht, damit sei "der Weg für eine Weiterentwicklung der
Gewaltschutzgesetzgebung frei", schrieb er in einer Aussendung.
Ganz anders die Reaktionen von FPÖ und BZÖ: FPÖ-Sicherheitssprecher Harald Vilimsky kritisierte den "Rückzieher" Bergers und bekräftigte die Forderung seiner Partei nach einer "unbedingten Anzeigepflicht für alle Personen, die beruflich mit Minderjährigen zu tun haben" und einen eigenen Strafbestand der unterlassenen Anzeige. BZÖ-Justizsprecher Gernot Darmann attestierte der Justizministerin ebenfalls einen Rückzieher, das BZÖ fordert ebenfalls weiterhin eine umfassende Anzeigenpflicht und "mindestens die Verdoppelung der Strafen bei Verbrechen an Kindern".