Seine Polit-Karriere

Berufssoldat Nehammer hat jetzt ausgedient

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"Karl, wie geht's", lässt sich Karl Nehammer seit kurzem in einem Podcast fragen.

Eher schlecht, dürfte er heute antworten. Nehammer zieht sich unter dem Druck von Wirtschaft und Ländern sowohl aus dem Kanzleramt als auch aus der ÖVP-Zentrale zurück. Zum Verhängnis wurde ihm, dass er weder das gegen FPÖ-Chef Herbert Kickl ausgerufene Duell noch die Koalitionsverhandlungen mit SPÖ und NEOS gewinnen konnte.

Es war im Vorhinein klar, dass für Nehammer die Dreier-Gespräche karriere-prägend sein würden. Vor über einem Jahr hatte er sich festgelegt, keinesfalls mit der FPÖ koalieren zu wollen, solange diese von Herbert Kickl geführt wird. Lange folgte ihm die Partei, doch war letztlich mancher Landesorganisation sowie dem Wirtschaftsflügel das eigene Hemd dann doch näher als die von Nehammer ausgerufene Moral.

Nehammer profitierte von Kurz-Abgang

Gegen den scheidenden ÖVP-Chef haben die meisten in der Partei nichts, was für ihn eine gute politische Lebensversicherung war. Nehammer gilt als freundlich und umgänglich, selbst bei andere Parteien wohl gelitten. Stufe für Stufe hatte er sich in der Volkspartei hoch gedient, und als ihm die Grünen den Gefallen taten, im Jahr 2021 Sebastian Kurz aus der Regierung zu kicken, wurde nach dem Interregnum mit Alexander Schallenberg das Kanzleramt für Nehammer frei.

Dort regierte er, der davor das Innenministerium geleitet hatte, im wesentlichen solide. Die Regierung mit den Grünen führte er zum regulären Ende, auch wenn der ein oder andere in seiner Partei nur zu gerne die Flucht angetreten hätte, gestaltete sich doch die Zusammenarbeit in der Koalition immer schwieriger. Parteiinterne Kontrahentinnen stellte der Machttechniker kalt. Karoline Edstadler wandte sich letztlich von der Spitzenpolitik ab, Magnus Brunner wechselte nach Brüssel.

Stetiger Karriere-Weg

Nehammer war Berufssoldat, entsprechend zackig marschierte der Hobby-Boxer dann auch durch seine Karriere. Politisch wurde der Wiener in der stramm organisierten niederösterreichischen Volkspartei sozialisiert, später zum Generalsekretär des ÖAAB, dann auch noch der ÖVP. Sebastian Kurz' Wahlerfolg 2019 konnte er in dieser Rolle für sich verbuchen. Als Belohnung gab es das Innenministerium, in dem er vor allem währen der Corona-Zeit gerne mit martialischen Bildern - Stichwort Flex - auf sich aufmerksam machte.

Ohnehin gingen ihm manchmal rhetorisch auch ein wenig die Pferde durch, etwa als er vor Parteifreunden Burger als billiges Mahl empfahl und das Video geleakt wurde. Ebenfalls ein wenig kritisch wurde es in der Cobra-Affäre, als Beamte nach einem Gläschen bei Nehammers daheim einen Unfall bauten. Im wesentlichen agierte der VP-Obmann aber bis zum für die ÖVP nicht gerade erbaulichen Wahljahr 2024 ziemlich ungefährdet.

Nehammer war begeisterter Kanzler

Das Amt wird Nehammer wohl vermissen. Der scheidende VP-Chef erklärt gerne, man könnte auch sagen, er doziert leidenschaftlich. Treffen auf internationaler Ebene waren ihm stets ein Vergnügen. Nehammer bereiste sogar Moskau, um sich bei Russlands Präsident Wladimir Putin als Friedensstifter einzufinden. Als wohl letzten Gast als Kanzler empfing er erst vor wenigen Tagen den schwedischen Premier Ulf Kristersson zum Neujahrskonzert.

Andererseits besprach Nehammer in seinem Podcast auch die Einschränkungen, die solch ein Amt für ihn selbst und seine Familie, Ehefrau Kathi und zwei Kinder, bedeutete. Zumindest diesbezüglich dürfte sich das Leben Karl Nehammers in den kommenden Wochen zum besseren wenden, egal wohin sein Weg führt. Mehr Zeit für Familie und Hund dürfte allemal drinnen sein.

Zur Person: Karl Nehammer, geboren am 18. Oktober 1972 in Wien, verheiratet, zwei Kinder. 2016 bis 2018 Generalsekretär des ÖAAB, von 2017 bis 2020 Abgeordneter zum Nationalrat, von 2018 bis 2020 Generalsekretär der ÖVP. Ab Jänner 2020 Innenminister. Seit Dezember 2021 Bundeskanzler, seit Mai 2022 ÖVP-Chef.

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