Bierlein schlägt Hahn als EU-Kommissar vor
11.07.2019
Kanzlerin schrieb Brief mit Vorschlag an alle Parlamentarier.
Brüssel/Wien. Johannes Hahn (ÖVP) könnte seinen Posten als EU-Kommissar für Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen behalten. Zumindest will Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein den 61-Jährigen als österreichisches Mitglied der Europäischen Kommission nominieren. Für Hahn wäre es seine dritte Funktionsperiode als EU-Kommissar.
Geboren wurde Johannes Hahn am 2. Dezember 1957 in Wien. Nach seiner Matura im Jahr 1976 begann er zunächst ein Jusstudium, schwenkte dann jedoch um auf Philosophie. Der Titel seiner 1987 an der Uni Wien eingereichten Dissertation: "Perspektiven der Philosophie heute - dargestellt am Phänomen Stadt". 30 Jahre später sollte ihm dieses Werk eine schwere Amtskrise bescheren, warf der "Plagiatjäger" Stefan Weber dem damaligen Wissenschaftsminister doch vor, in seiner Dissertation "absolut schlampig gearbeitet" und "seitenweise abgeschrieben" zu haben. Nach einer Prüfung verzichtete die Universität Wien aber auf die Einleitung eines Plagiatprüfungsverfahrens, weil Hahn nie fremdes geistiges Eigentum als sein eigenes ausgegeben habe.
Hahn startete Laufbahn in den 1970er Jahren
Ungeachtet des philosophischen Hintergrunds startete Hahn seine politische Laufbahn bereits in den 1970er-Jahren und fungierte zwischen 1980 und 1985 als Landesobmann der Jungen ÖVP Wien. 1992 stieg Hahn samt Spitznamen "Gio" zum Landesgeschäftsführer der Partei auf und blieb in dieser Funktion bis 1997. Ein Jahr zuvor war er ins Wiener Stadtparlament eingezogen.
1997 wechselte Hahn in die Privatwirtschaft und wurde Vorstand des niederösterreichischen Glücksspielkonzerns Novomatic AG. 2003 wurde er schließlich Vorstandsvorsitzender der Novomatic AG sowie Aufsichtsratsvorsitzender von deren Tochterunternehmen Admiral Sportwetten GmbH. 2003 übernahm er dann für die ÖVP den nicht amtsführenden Stadtrat. Mit der Angelobung auf diese Funktion verabschiedete er sich von Novomatic.
Dafür ging es auf der politischen Karriereleiter weiter, löste Hahn 2005 doch Alfred Finz an der Spitze der Wiener ÖVP ab. Als Spitzenkandidat bei der Gemeinderatswahl im gleichen Jahr eroberte er für seine Partei den zweiten Platz von der FPÖ zurück, blieb aber bestenfalls auf Rufweite zur SPÖ. Für den Ruf nach Brüssel trat Hahn 2009 dann die Landesparteiführung an Christine Marek ab.
Musste sich bei Amtsantritt als Krisenfeuerwehr betätigen
Zuvor war Hahn aber noch in die Bundesregierung gewechselt. Als Minister musste er sich 2007 gleich nach seinem Amtsantritt als Krisenfeuerwehr betätigen und die Quotenregelung für das Medizinstudium auf EU-Ebene verteidigen. Im Uni-Bereich wurden gegen seinen Widerstand die Studiengebühren von SPÖ, Grünen und FPÖ de facto abgeschafft, was zu einem Ansturm auf die Unis führte. Zugleich war der dem liberalen ÖVP-Flügel zugerechnete Hahn gesuchter Gesprächspartner bei diversen Bildungsreformen.
Für die EU-Kommission Barroso II zog es den einstigen Regionalpolitiker Hahn dann in die Regionalpolitik - auf europäischer Ebene. Anders als sein österreichischer Kommissionsvorgänger Franz Fischler blieb Hahn hierbei zurückhaltend und mischte sich nur selten in heimische Debatten ein. Nach kurzem Zögern nominierte die Regierung von Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) Hahn erneut als österreichischen Kommissar.
Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker teilte dem Wiener 2014 die Bereiche Europäische Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen zu. Gemeinsam mit der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini leitete Hahn eine umfassende Reform der EU-Nachbarschaftspolitik in die Wege.
Westbalkan-Staaten vor Beitrittsverhandlungen
In der kommenden Amtsperiode der EU-Kommission könnten die Beitrittsverhandlungen mit mehreren Ländern des Westbalkan beginnen. Da sich Österreich in der Vergangenheit diesbezüglich immer sehr stark eingebracht hat, war in den vergangenen Tagen schon spekuliert worden, dass Österreich das Dossier für Nachbarschaftspolitik behalten könnte.
Dass mit Hahn, der sich zweifelsohne in der Materie auskennt, nun von der Bundesregierung nominiert wurde, ist also keine wirkliche Überraschung. Noch muss allerdings das EU-Parlament die von den Staats- und Regierungschefs als Kommissionspräsidentin vorgeschlagen deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bestätigen. Erst danach wird von der Leyen, sollte sie gewählt werden, die Mitglieder ihrer Kommission auswählen. Einen Vorschlag aus Österreich hat sie nun immerhin.