Auch Graf im Spiel
Blauer Poker um die Hofburg
21.02.2010
Beim heutigen Parteivorstand stellt die FPÖ die Weichen für die Präsidentschaftskandidatur – drei Namen kamen dafür ins Spiel.
Es war der große Auftritt eines bis dahin weithin Unbekannten: Gottfried Waldhäusl, Klubchef der FPÖ im niederösterreichischen Landtag, erklärte: „Der FP-Bundesparteivorstand am Montag hat auch einen Punkt zur Bundespräsidentenwahl und unserer Kandidatur auf der Tagesordnung.“ Und dann verkündete er offiziell, was auf Plakaten rund um Wien ohnehin schon sichtbar ist: „Die FPÖ-Niederösterreich nominiert Barbara Rosenkranz als FP-Kandidatin.“
Wilde Hofburg-Kampagne gegen EU und Koalition
Rosenkranz hätte
vor allem bei den Länderchefs, von Manfred Haimbuchner (OÖ), Johann Tschürtz
(Bgld.), Gerhard Kurzmann (Stmk.), und den ganz Rechten, etwa in Kärntner
nationalen Kreisen, sehr viele Unterstützer: „Wir können uns sie als
10-fache Mutter sehr gut dafür vorstellen“, erklärten sie. Und auch sonst
ist Rosenkranz eine ideologische Ikone der Rechten: Immerhin war sie die
einzige Abgeordnete des Nationalrats, die gegen den EU-Vertrag gestimmt hat.
Straches ÖSTERREICH-Interview am Sonntag mit der Ankündigung eines wilden Wahlkampfs gegen EU und Koalition gilt FP-intern als Indiz, dass auch er eine Entscheidung für Rosenkranz gefällt haben könnte: Mit ihr könnte er eine Brachialkampagne fahren, die vor allem die FP-Kernwähler mobilisiert.
FP-Kreise: Millionen für Wien-Wahlkampf nützen
Ganz
ohne Diskussionen dürfte die Nominierung von Rosenkranz freilich nicht
ablaufen: „Wir wollen für die Konkurrenz bis zuletzt nicht ausrechenbar
sein“, sagt Strache. Und: „Klar ist nur, dass wir schon aus Gründen der
demokratiepolitischen Hygiene antreten werden.“
Womit er vor allem seine eigene Kandidatur offen lässt, die die Wiener Blauen forcieren: 2,5 Millionen Euro offiziell, inoffiziell laut Kennern mindestens fünf Millionen, dafür „hinauszuwerfen, dass man eine Minderheitenfeststellung mit Rosenkranz durchzieht, ist Blödsinn“, hört man aus Wien.
Abwahl von Martin Graf
Dort sähe man lieber einen
Zwischenwahlkampf mit Strache, um Stimmung für den Wiener Wahlkampf im
Herbst zu machen. Er selbst bremste zuletzt, weil das Risiko enorm wäre:
Käme er allein gegen Fischer mit einem Anti-Regierungswahlkampf – der ja
eine Themenverfehlung wäre – klar unter 30 Prozent, wäre das eine Blamage.
Kein Wunder, dass Strache bis zuletzt darüber nachdachte, die heutige
Entscheidung um eine Woche zu verschieben. Er hat ja auch noch einen
(r)echten Recken im Talon – Martin Graf.
Heute treten VP-Klubchef Karlheinz Kopf und der schwarze Nationalratspräsident Fritz Neugebauer vor die Presse: Sie wollen unter dem kryptischen Titel „Verantwortung von Staatsorganen“ Wege aufzeigen, wie die verfassungsmäßig bisher für unmöglich gehaltene Abwahl eines Nationalratspräsidenten doch durchgehen könnte. Ziel der Aktion: Die Abwahl des dritten – freiheitlichen – Nationalratspräsidenten Martin Graf, der etwa in ÖSTERREICH über „biologische Unterschiede“ der schwarzen und der weißen Rasse fabuliert hatte.
Optimaler Märtyrer
Und der zuletzt eine Nationalratssitzung
schwänzte, um am Ball der schlagenden Burschenschafter – er ist bis heute
Mitglied der extrem rechten Verbindung Olympia – teilzunehmen. Bisher
blockierte die ÖVP eine Verfassungsänderung, die die von SPÖ und Grünen
geforderte Abwahl Grafs ermöglichen sollte.
Sollte die FPÖ wittern, dass Graf nun aus seiner Funktion im Parlament entfernt werden könnte, könnte heute die Debatte im Parteivorstand eine ganz andere Richtung nehmen: Denn dann wäre Martin Graf aus Sicht der Blauen der optimale Märtyrer – mit dem man in einen Bundespräsidentenwahlkampf der ganz besonderen Art hineingehen könnte.