Ehrgeizige Juristin, konservativ, doch Opernliebhaberin Brigitte Bierlein ist politisch unbequem.
Eigentlich wollte die 1949 geborene Tochter eines Beamten Künstlerin werden, nach der Matura Kunstgeschichte oder Architektur studieren. Doch Brigitte Bierleins Mutter, die selbst eine Kunstausbildung hatte, riet ihr davon ab: Zu brotlos, mach lieber Jus, damit kann man immer was anfangen.
Steile Karriere
Ein guter Rat. Obwohl das Recht offensichtlich nicht ihre große Liebe ist, zieht sie das Jus-Studium in der schnellstmöglichen Zeit durch und legt eine steile Karriere hin. Mit 26 Jahren die Richteramtsprüfung, zwei Jahre später Staatsanwältin, mit 41 Generalanwältin. Bierlein gilt als außerordentlich ehrgeizig. Im Verfassungsgerichtshof, in den sie als einzige Frau aufgenommen wird, klettert sie unaufhaltsam nach oben.
Ministerin
Dabei kommen ihr hervorragende politische Kontakte zugute. Sie ist in der ÖVP gut vernetzt, hat aber auch in der FPÖ mächtige Fürsprecher. Die größten Karrieresprünge macht sie unter schwarz-blauen Regierungen. 2003 wird sie unter Kanzler Schüssel (ÖVP) Vizepräsidentin, 2018 sogar Präsidentin des VfGH. Nach dem türkis-blauen Regierungsantritt war sie auch als Justizministerin im Gespräch gewesen.
Unabhängig
Bei ihrer Bestellung zur Vizepräsidentin hatte es noch heftige Proteste seitens der SPÖ gegeben. Der damalige Klubchef Josef Cap griff sie als „stramme Konservative“ an. Bei ihrer Bestellung zur Bundeskanzlerin hat die SPÖ keine Einwände mehr. Wohl auch, weil Bierlein unter Türkis-Blau ihre Unabhängigkeit unter Beweis gestellt hat. Sie kritisierte die Regierung in den Fragen Asyl und Sicherungshaft.
Oper
Brigitte Bierlein ist kinderlos, lebt mit einem pensionierten Richter zusammen und hat drei große Leidenschaften: Segeln, Ausstellungen und die Oper. Wegen dieses Hobbys wurde sie wohl auch in die Sonderkommission zur Aufklärung der Vorfälle in der Ballettakademie der Wiener Staatsoper berufen. Diese Tätigkeit wird sie wohl aufgeben müssen.