Sozialminister Erwin Buchinger fordert im ÖSTERREICH-Interview bei der Lohnrunde im Herbst ein Plus zwischen 3,5 und 5,5 Prozent.
Zu hohe Lohnabschlüsse heizen die Inflation noch mehr an, sagen Experten. Doch die Warnungen der Wirtschaftsforscher schlägt Sozialminister Erwin Buchinger (SPÖ) kühn in den Wind: „Es muss eine kräftige Erhöhung von 3,5 bis 5,5 Prozent geben“, sagt er im Interview mit ÖSTERREICH. Und zwar nicht trotz, sondern wegen der Teuerung: „Ein Teil der sozialen Erfolge wird durch die Inflation aufgefressen.“
Buchinger legt vor
Im Herbst starten traditionell die Metaller
mit den Lohnverhandlungen. Wie schon im Vorjahr eröffnet Buchinger jetzt
aber schon im Juli das große Feilschen um mehr Geld für die Arbeitnehmer:
Damals forderte der Sozialminister in ÖSTERREICH ein Plus von vier Prozent
und erntete für diese „Einmischung“ heftige Kritik. Geworden sind es
schließlich zwischen 2,8 und 4,3 Prozent. Damit gibt sich Buchinger aber
heuer angesichts der Teuerung nicht zufrieden. Dass die Inflation dadurch
noch mehr ansteigt, glaubt der Minister nicht: „Inflationstreibend ist das
nur, wenn dadurch eine höhere Nachfrage entsteht. Aber wir haben derzeit
ohnehin eine Konsumschwäche.“
Auch den von der Wirtschaftskammer vorgeschlagenen „Inflationsabsetzbetrag“ von hundert Euro kann sich Buchinger vorstellen, ebenso die Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel.
Pflegefonds
Eine weitere Maßnahme gegen die Auswirkungen der
Teuerung verhandelt Buchinger heute mit Wirtschaftsminister Martin
Bartenstein (ÖVP): Der Sozialminister will das Pflegegeld um fünf Prozent
erhöhen. Es gebe „Signale, dass Bartenstein an einer Einigung interessiert
ist“, ist Buchinger hoffnungsvoll. Zur künftigen Finanzierung des gesamten
Pflegebereiches schlug Buchinger mit dem Wifo gestern einen Pflegefonds vor.
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ÖSTERREICH: Der designierte SPÖ-Chef Werner Faymann will die
Mehrwertsteuer auf Lebensmittel senken. Die ÖVP ist dagegen, weil das auch
den Reichen zugute kommt. Geben Sie dem Koalitionspartner recht?
Erwin Buchinger: Nein. Diese Maßnahme hat eine hohe soziale Treffsicherheit, weil der Anteil der Ausgaben für Lebensmittel bei sozial schwachen Familien besonders hoch ist. Die Menschen geben im Schnitt 16 Prozent ihres Budgets für Lebensmittel aus. Bei den einkommensschwachen Haushalten sind es 40 Prozent.
ÖSTERREICH: Experten warnen vor einer zu starken Lohnerhöhung im Herbst, da diese die Inflation weiter ankurbeln würde. Um wie viel sollen die Löhne denn Ihrer Meinung nach steigen?
Buchinger: Ein Teil der sozialen Erfolge wird durch die Inflation aufgefressen. Daher muss es auch heuer eine kräftige Erhöhung von 3,5 bis 5,5 Prozent geben – aus volkswirtschaftlicher und sozialpolitischer Sicht. Inflationstreibend ist das nur, wenn dadurch eine höhere Nachfrage entsteht. Aber wir haben derzeit ohnehin eine Konsumschwäche.
ÖSTERREICH: Was halten Sie vom „Mitterlehner-100er“, also einem Absetzbetrag bei steigender Inflation?
Buchinger: Es ist eine Genugtuung, dass ein Vorschlag von Bundeskanzler Alfred Gusenbauer jetzt von der Wirtschaftskammer aufgegriffen wurde.
ÖSTERREICH: Auch wenn sich die Wirtschaft damit nur vor einer kräftigen Lohnerhöhung drücken will?
Buchinger: Dieses Motiv steht sicher im Hintergrund. Aber wenn es hilft, ist das Motiv zweitrangig.