Das Wahlergebnis wäre "zu respektieren gewesen", so Innsbrucks Bürgermeister Johannes Anzengruber.
Innsbrucks Bürgermeister Johannes Anzengruber (JA - Jetzt Innsbruck) übt scharfe Kritik an Bundespräsident Alexander Van der Bellen wegen dessen Vorgehens rund um die Regierungsbildung. Für ihn habe das Staatsoberhaupt mit dem Regierungsauftrag an die ÖVP - und nicht an die stimmenstärkste FPÖ - "ideologisch agiert", sagte er im APA-Interview. Die nun verhandelnden Parteien ÖVP, SPÖ und NEOS seien jetzt "gefordert", drängte er auf Reformen bei Steuern und Abgaben.
"Es wird demokratisch gewählt. Jemanden so auszuschließen, ist schon eine harte Ansage, muss man fairerweise sagen", fand Anzengruber, der in der Stadt mit SPÖ und Grünen koaliert, deutliche Worte gen Hofburg. Dass die Bevölkerung die FPÖ an erste Stelle gewählt habe, "wäre zu respektieren gewesen." Das Agieren des Bundespräsidenten habe ihm "zu denken gegeben". Van der Bellen sei wohl "im wahrsten Sinne des Wortes mit einem blauen Auge davongekommen".
ÖVP schaue zu sehr auf "eigene Leute"
Das vergleichsweise schlechte Abschneiden der ÖVP - sowohl bei der Nationalratswahl als auch bei der Landtagswahl in der Steiermark - führte der ehemalige ÖVP-Vizebürgermeister Anzengruber auf eine zu intensive Konzentration auf das eigene Klientel bzw. den Parteiapparat zurück. "Sie haben nicht mehr erkannt, dass sie mit den Leuten in Interaktion treten müssen. Aber nicht nur mit ihren Leuten, sondern mit allen Leuten." Dies sei aber generell ein Problem der "Großparteien". Anzengruber selbst war bei der Gemeinderats- und Bürgermeisterwahl im April mit einer eigenen Liste angetreten, nachdem die Stadt-ÖVP nicht ihn - als damaligen ÖVP-Vizebürgermeister - sondern Ex-Staatssekretär Florian Tursky zum Spitzenkandidaten gekürt hatte.
Diese Unabhängigkeit gebe ihm nun die Freiheit, "das Beste für die Stadt herauszuholen". Mit der Landes-ÖVP habe er eigentlich "parteimäßig nichts zu tun", mit Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) und den übrigen Regierungsmitgliedern pflege er aber einen "guten und kollegialen Austausch." Ein Antreten bei der nächsten Tiroler Landtagswahl im Jahr 2027 - wie er bereits einmal medial durchblicken hatte lassen - wollte Anzengruber auf Nachfrage nicht dezidiert ausschließen, er habe jedoch "momentan keine Ambitionen". Seine "Heimat" sei die Kommunalpolitik, denn er sei "Kommunalpolitiker mit Leib und Seele". "Was in den nächsten Jahren passiert, weiß ich noch nicht", ergänzte der Stadtchef. In der Stadt gebe es jedenfalls "viel zu tun".
Kostenübernahme von Schulassistenz gefordert
Ein aktuell brennendes Thema ist für die Stadt - auch aufgrund der laufenden Budgeterstellung - die Finanzlage. Einmal mehr pochte der Bürgermeister hier auf einen für die Kommunen besseren Verteilungsschlüssel beim Finanzausgleich. Um als Wirtschaftsstandort weiterhin attraktiv zu bleiben - Innsbruck versucht immerhin gerade mit stadteigenen Gewerbegrundstücken mehr Betriebsansiedelungen zu ermöglichen - müsse es im Steuersystem Reformen geben. Besonders im Sozialversicherungsbereich gebe es "Optimierungsbedarf" und damit einhergehend Potenzial zur Senkung der Lohnnebenkosten. "Synergien" mit "privaten Gesundheitsanbietern" müssten besser genützt werden, war Anzengruber überzeugt.
Wichtig sei zudem, dass der Bund die Kosten für die Schulassistenz übernimmt. Den Kommunen sei die Schulassistenz ohne Abgeltung der Personalkosten "aufgedrückt" worden. "Diese Belastung ist uns wieder zu nehmen", forderte der Stadtchef. Immerhin würde dies für Innsbruck vier bis fünf Millionen Euro bedeuten. Insgesamt meinte er in Richtung Koalitionsverhandler: "Ich wäre enttäuscht, wenn sie diese Notwendigkeiten nicht erkennen und mitnehmen."
Land könnte Stadt Landestheater-Anteile abkaufen
Auch in Richtung schwarz-roter Landesregierung ließ Anzengruber mit Botschaften aufhorchen. So wäre er "nicht beleidigt", wenn das Land der Stadt "ein paar Anteile" des Tiroler Landestheaters abkaufen würde. "Es heißt Landestheater und nicht Stadttheater. Aber die Stadt zahlt mit 45 Prozent sehr viel", meinte er. Die medial bekannt gewordenen Unstimmigkeiten zwischen Intendantin Irene Girkinger und dem kaufmännischen Direktor Markus Lutz wollte Anzengruber indes nicht überbewerten: "Da geht es eher um Befindlichkeiten, und die lassen sich regeln." Die Verwerfungen - die auch in einem extern begleiteten "Strukturprozess" gemündet waren - hängen "nicht an der Person der Intendantin". Das Landestheater sei "wie ein Unternehmen: Entweder es ziehen alle an einem Strang, dann funktioniert es." Jeder Wechsel und Übergang sei "schwierig".
Nur einen Steinwurf vom Landestheater entfernt befindet sich mit dem Management Center Innsbruck (MCI) indes die nächste - bis dato noch sinnbildliche - gemeinsame "Baustelle" von Stadt und Land. Der geplante Neubau der privaten Hochschule hängt nach einer "Nachdenkpause", verordnet vom scheidenden Landeshauptmannstellvertreter Georg Dornauer (SPÖ), weiter in der Luft. Verhandlungen mit der Bundesimmobiliengesellschaft über ein Mietmodell wurden noch nicht zum Abschluss gebracht. Für Anzengruber wäre es ein "katastrophales Signal", sollte das MCI nicht gebaut werden. Die Stadt stehe jedenfalls zu dem Projekt: "Das Grundstück steht zur Verfügung. Ich hoffe, dass das Land bald eine Entscheidung trifft."
Mit der Arbeit der Stadtkoalition zeigte sich Anzengruber indes sehr zufrieden. Es gebe "klare Ansagen in der Verwaltung", die neue Handschrift sei etwa "in der Umsetzungs- und Entscheidungsfreude und bald auch in der Straßenraumgestaltung" sichtbar. Sein Bündnis strahle "Ruhe und Sachlichkeit" aus, obwohl es auch Diskussionen und "Höhen und Tiefen" gibt. Er müsse gelegentlich "den 'Familienvater' machen und spielen. Das akzeptieren alle", sprach er von einer "kollegialen und wertschätzenden Koalition".