"Ärzte ohne Grenzen" übt heftige Kritik an Zuständen in Traiskirchen.
Die Regierung macht nun Tempo, was die Bewältigung der Flüchtlingskrise angeht. Verteidigungs- und Innenministerium haben sich am Dienstag auf einen Hilfseinsatz des Bundesheers verständigt. Zudem steht die Installierung von Ex-Raiffeisen-Generalanwalt Christian Konrad als Flüchtlingskoordinator unmittelbar bevor.
Lob für Konrad
Seit Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) ihn gefragt habe, ob er die Aufgabe übernehmen würde, versuche er sich einen Überblick zu verschaffen, zitierte das ORF-Radio Dienstag Mittag den ehemaligen Spitzenbanker. Der Netzwerker will nun seine Kontakte nützen, bis in die kleinen Raiffeisen-Filialen in den Gemeinden. Mit Menschen umzugehen, sei seine Stärke, so Konrad laut ORF-Radio.
Seine Ziele seien es, Traiskirchen zu entlasten, Gemeindequartiere zu schaffen und die Organisation der Asylwerberaufnahme zu verbessern. Schlafen in Bussen solle es nicht mehr geben, so Konrad. Auch die private Verteilung von Spenden will der Koordinator optimieren.
Zugetraut wird ihm das nicht nur von der ÖVP, der Konrad bekanntlich nahesteht, sondern auch vom Regierungspartner. Es gebe bei diesem Vorschlag völlige Übereinstimmung, versicherte Kanzler Werner Faymann (SPÖ). Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sagte Konrad ihre volle Unterstützung zu: "Er ist der richtige Mann."
Freilich fix installiert ist der Koordinator gar nicht. Noch müssen seine Aufgabengebiete präzisiert werden. Allerdings erwartet sich Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP), dass man noch diese Woche den Vollzug vermelden kann. Tätig sein soll Konrad jedenfalls schon, wenn das neue Gesetz mit dem Durchgriffsrecht des Bundes zur Schaffung von Asylquartieren mit Oktober Wirkung entfaltet. Der Gesetzesentwurf dazu wird übrigens nach Entscheidung von Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) kommenden Dienstag in einer Sondersitzung des Nationalrats eingebracht - sehr zum Ärger der FPÖ, die eine gemeinsame Verständigung der Fraktionen blockiert hatte.
Hilfe bei Flüchtlingsstrom
Bereits beschlossene Sache ist, dass das Bundesheer dem Innenministerium zu Hilfe eilt, um den Flüchtlingsstrom bewältigen zu können. Auf eine maximale Zahl an Soldaten zur Unterstützung wollte sich Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) nicht festlegen, er versicherte aber: "So viele benötigt werden, werden wir zur Verfügung stellen."
Jedenfalls sollen drei Pionierkompanien zu je 180 Soldaten zum Beispiel für den Aufbau von Wohncontainern eingesetzt werden können. Zusätzlich stellt das Heer Fahrzeuge und Fahrer für den Transport von Flüchtlingen zur Verfügung. Rund 300 Personen pro Tag können auf diesem Weg in Quartiere gebracht werden.
Assistenzeinsatz an der Grenze?
Nicht ausgeschlossen wurde am Dienstag am Rande des Ministerrats auch, dass das Bundesheer sogar wieder für den Assistenzeinsatz an der Grenze herangezogen werden könnte. Allerdings betonte Klug, dass damit kein einziger Flüchtling weniger nach Österreich käme. Auch Mikl-Leitner sprach nur von einem letzten Mittel. Sie verwies auf die Reisefreiheit als einen der Grundpfeiler der EU.
Anlass für die neue Agilität der Regierung waren die Zustände in Traiskirchen, wo seit Wochen Hunderte Flüchtlinge obdachlos sind. Dass diese Situation gesundheitsgefährend ist, zeigt ein Bericht von "Ärzte ohne Grenzen". Die Hilfsorganisation hatte die örtliche Betreuungsstelle im August zwei Mal besucht. Ihr Fazit: Die Unterbringung und das Angebot an sanitären Anlagen in Traiskirchen sei für die Flüchtlinge "unmittelbar gesundheitsschädigend", die medizinische und psychosoziale Versorgung "völlig unzureichend".