2004 wurden Bundeswohnungen viel zu billig verkauft. Die Grünen wollen vom Finanzminister Auskunft über den Millionendeal.
Beim Verkauf der bis 2004 im im Staatsbesitz befindlichen Wohnbaugesellschaften durch die damalige ÖVP/FPÖ/BZÖ-Regierung wurden angeblich hunderte Millionen Euro an Steuergeld verschenkt. Das berichtet das aktuelle "profil". Die ehemaligen Bundesimmobilien sind heute demnach rein rechnerisch gut dreimal so viel wert wie beim Verkauf.
"Mustergültige Privatisierung"
Zur Vorgeschichte:
Vor drei Jahren sich ein Konsortium aus Immofinanz, Raiffeisen Landesbank
Oberösterreich, Wiener Städtische, Oberösterreichische Landesbank und
Oberösterreichische Versicherung in einem vom damaligen Finanzminister
Karl-Heinz Grasser eingeleiteten Bieterverfahren zur Privatisierung von vier
Bundeswohnbaugesellschaften durchgesetzt. Das so genannte
Österreich-Konsortium erwarb 2004 für 961 Mo. Euro Buwog, EBS Linz, ESG
Villach und WAG - und damit mehr als 57.000 Wohnungen, Garagen und Baugründe
von der Republik Österreich. "Diese Privatisierung kann als mustergültig
bezeichnet werden. Es ist uns gelungen, nicht nur alle Vorgaben zu erfüllen,
sondern noch zu übertreffen. Wir haben im Sinne der Steuerzahler das Maximum
erreicht", so Grasser damals in in einer Aussendung.
3 Jahre später: Wert übersteigt Kaufpreis deutlich
Nun,
drei Jahre später, übersteigt der aktuelle Wert der gekauften Immobilien den
damals bezahlten Kaufpreis deutlich, so das "profil". Die Immofinanz-Gruppe
hatte sich dazumal den größten Teil des Pakets gesichert: Sie kaufte mit der
Bauen und Wohnen GmbH, kurz Buwog, 19.800 hauptsächlich über Wien verstreute
Wohnungen sowie einen Teil der ehemaligen Eisenbahner-Wohnbaugesellschaft
ESG Villach (12.200 Wohnungen). Den Rest teilten sich die übrigen Partner
des Bieterkonsortiums auf. Kostenpunkt für das Immofinanz-Paket mit
Filetstücken wie den Wohnbausiedlungen "Wienerberg City" und "Monte Laa":
588 Mio. Euro.
Eine Millarde Euro Verbindlichkeiten
Dazu kamen noch auf den
beiden Gesellschaften lastende Verbindlichkeiten in der Höhe von etwa einer
Milliarde Euro. Die Verbindlichkeiten bestehen in beinahe unveränderter -
und für eine Immobiliengesellschaft dieser Größe durchaus nicht
ungewöhnlicher - Höhe bis heute. Ein guter Teil davon besteht zudem
gegenüber "verbundenen Unternehmen", zum Beispiel jenen
Schwestergesellschaften, die für die Hausbewirtschaftung und Instandhaltung
zuständig sind.
Dreifacher Wert
Nur: Was die Gruppe damals um 588 Millionen Euro
cash gekauft hat, soll heute ein Vielfaches wert sein. Im aktuellen
Immofinanz-Quartalsbericht zum 31. Juli 2007 (das Geschäftsjahr endet mit
30. April) beziffert das Unternehmen den gesamten "Verkehrswert" seiner
Immobilien mit 17,1 Mrd. Euro. Auf jenen Unternehmensteil, der 2004 von der
Republik erworben wurde und noch in etwa die gleiche Größe hat, entfallen
davon laut Immofinanz-Angaben 11,4 Prozent - also 1,95 Milliarden Euro. Das
heißt laut "profil": Die ehemaligen Bundesimmobilien sind rein rechnerisch
heute gut dreimal so viel wert wie noch vor drei Jahren. Immofinanz-Chef
Karl Petrikovics zum "profil": "Wir haben 2004 für die Buwog das bezahlt,
was sie damals wert war, und uns in einem beinharten Bieterverfahren gegen
große internationale Finanzinvestoren durchgesetzt. Bei diesem Preis haben
uns damals schon ein wenig die Knie geschlottert. Aber die Buwog ist zu
einer absoluten Erfolgsgeschichte geworden, sie gehört heute zu den
ertragsstärksten Teilen des Gesamtkonzerns, und wir erwarten für die
kommenden Jahre eine vielleicht sogar noch bessere Entwicklung", so
Petrikovics .
"Ein wirklich gutes Geschäft"
Die Immofinanz steht
dem Bericht zufolge in der Branche im Ruf, die eigenen Liegenschaften von
Jahr zu Jahr großzügiger zu bewerten. Diese "Aufwertungsgewinne" kann sich
das im Prime Market der Wiener Börse gehandelte Unternehmen ins
Konzernergebnis schreiben. Dadurch fährt die Immofinanz-Gruppe, eine der
größten Immobilienaktiengesellschaften Europas, regelmäßig deutlich höhere
Gewinne ein als durch Mieteinnahmen und Bewirtschaftung allein. Fakt istlaut
Magazin: Die Immofinanz bewertet das Buwog-Vermögen heute mit dem Dreifachen
des Kaufpreises 2004. "Dass der Verkehrswert heute um 50 Prozent über dem
damaligen Kaufpreis liegt, glaube ich sofort", sagt Günter Kerbler,
Aufsichtsrat des ebenfalls an der Wiener Börse notierten Konkurrenten
conwert. Nachsatz: "Ein wirklich gutes Geschäft. Ich wünschte heute, ich
hätte diese Summe damals auch gestemmt."
"Buwog klar unter ihrem Wert verkauft"
Gratuliert wird
jedoch nicht allerorts. "Die Buwog wurde klar unter ihrem Wert verkauft. Den
Steuerzahlern ist dadurch ein millionenschwerer Verlust zugefügt worden",
sagte die grüne Wohnbausprecherin Gabriela Moser zum "profil". Gemeinsam mit
der SPÖ hatten die Grünen bereits kurz nach dem Verkauf der
Bundeswohnbaugesellschaften eine Untersuchung durch den Rechnungshof
gefordert. Der Rechnungshofbericht liegt seit März dieses Jahres vor und
soll nach derzeitigem Planungsstand noch im November im
Rechnungshofausschuss des Nationalrats behandelt werden. Diskussionsstoff
bietet das 19 Seiten umfassende RH-Dossier allemal. So ist etwa bereits im
ersten Absatz der ersten Seite deutlich zu lesen: "Weitere erlössteigernde
Maßnahmen wären möglich gewesen."
"Potenziale nicht im vollen Ausmaß erkannt"
Im
Zuge der Veräußerung der Wohnbaugesellschaften unterliefen dem
Finanzministerium - trotz der 8,2 Mio. Euro teuren Beratung durch das
Investmenthaus Lehmann Brothers - zahlreiche Pannen, heißt es in dem
Bericht. Was allerdings nicht im Rechnungshofbericht steht: Schon bei der
Evaluierung der Bundesimmobilien dürften Grassers Beamte wesentliche
Immobilienwerte schlicht übersehen haben. "Es gibt noch Potenziale, die
damals nicht im vollen Ausmaß erkannt worden sind", bestätigt Buwog-Sprecher
Thomas Brey.
Dieses unerkannte Potenzial besteht beispielsweise aus noch nicht realisierten Dachbodenausbauten oder Zubauten an bestehende Wohnhausanlagen - und ist nicht eben gering. "Es handelt sich dabei um 75.000 Quadratmeter, die man noch errichten kann und die teilweise auch bereits errichtet wurden", so Brey.
Kritik vom Rechnungshof
Ein wesentlicher Kritikpunkt des
Rechnungshofs bezieht sich auf so genannte Einweisungsrechte der Republik
Österreich. Die Wohnbaugesellschaften waren einst gegründet worden, um
Bundesbediensteten wie Beamten oder Eisenbahnern günstig Wohnungen zur
Verfügung stellen zu können. In Zeiten der Wohnungsknappheit war es
politisch kein Nachteil, der eigenen Klientel geförderte Wohnungen zu
niedrigen Mieten zu verschaffen. Die Republik Österreich gewährte den
Wohnbaugesellschaften günstige Darlehen und hatte im Gegenzug das Recht, für
frei werdende Wohnungen Mieter vorzuschlagen. Bei 5539 Buwog-Wohnungen hätte
die Republik auch nach dem Verkauf das Recht gehabt, Mieter zu benennen. Die
Ansprüche des Bundes hätten es quasi unmöglich gemacht, die betroffenen
Immobilien - etwa ein Viertel aller Buwog-Wohnungen - zu verkaufen. Damit
wären hohe Erlöspotenziale durch ein Veto des Bundes blockiert gewesen; es
sei denn, der Verkäufer hätte auf dieses Recht verzichtet. Oder, wie es der
Rechnungshof formuliert: "Der Rechnungshof bemängelte, dass die Bieter im
Verkaufsprozess nicht klar und deutlich auf dieses Erlössteigerungspotenzial
hingewiesen worden waren. Dies hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer
Erhöhung der Kaufangebote geführt" (siehe Faksimile).
Republik Österreich verzichtete auf Einweisungsrechte
Der
wahre Skandal dem Bericht zufolge: Nur wenige Monate nachdem der Verkauf
über die Bühne gegangen war, verzichtete die Republik Österreich
klammheimlich und ohne Not auf genau diese Einweisungsrechte. Was den Wert
des Buwog-Pakets sprunghaft ansteigen ließ. Die Entscheidung lief über den
Schreibtisch eines gewissen Heinrich Traumüller, dazumal Grassers
Kabinetts-chef. Es war eine seiner letzten Amtshandlungen, ehe er im Oktober
2004 in den Vorstand der Finanzmarktaufsicht gehievt wurde. Seit Traumüller
der FMA vorsteht, wurde Österreich von vier Finanzskandalen erschüttert:
Bawag, Hypo Alpe-Adria, Amis und jüngst Meinl European Land (profil
berichtete ausführlich). Grassers Nachfolger Wilhelm Molterer hält in einer
Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage vom 10. September unter anderem
fest: "Doktor Traumüller hat in seiner Eigenschaft als Leiter der
Personalabteilung die Entscheidung über die Aufhebung der Einweisungsrechte
mitgetragen. Aufgrund des reichhaltigen Angebotes am Wohnungsmarkt bestanden
keine Bedenken, die Versorgung der Bundesbediensteten mit Buwog-Wohnungen
auslaufen zu lassen."
Frage nach den Gründen
Eine Kernfrage bleibt unbeantwortet:
Wie konnte es passieren, dass die Republik ohne jedwede Gegenleistung auf
ein Recht verzichtete, das den Wert des Immobilienpakets aus Käufersicht
drastisch erhöhte? Molterers Kabinett wollte das bis zu Redaktionsschluss
nicht kommentieren.
"Finanzminister zur Rechenschaft ziehen"
Grünen-Abgeordnete
Gabriela Moser: "Die überraschende Aufhebung der Einweisungsrechte des
Bundes führte nach dem Verkauf zu einer erheblichen Wertsteigerung der
Wohnungen. Die parlamentarische Anfragebeantwortung durch Wilhelm Molterer
dazu ist unzureichend." Und weiter: "Ich werde den Finanzminister diese
Woche im Parlament zu dieser Frage zur Rechenschaft ziehen."