Hitzige Parlamentssitzung zu Thomas Schmid. SPÖ, FPÖ und Neos wollen Neuwahlen.
Wien. Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) müssen sich heute der geballten Wut der Opposition stellen. „Neuwahlen sind der einzige Weg aus der Krise“, sind sich SPÖ, FPÖ und Neos einig. Wenn nur sechs Mandatare der zerstrittenen Regierungsmehrheit das auch so sehen, gibt es in Österreich Neuwahlen. Die Mehrheit von ÖVP-Grünen im Parlament beträgt genau sechs Stimmen.
Hitzige Debatten
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat in seiner Rede Korruptionsvorwürfe gegen sich, die ÖVP und die Bundesregierung zurückgewiesen. "So bin ich nicht und so sind wir nicht", sagte er in der von SPÖ und FPÖ verlangten Sondersitzung, in der auch Misstrauens- und Neuwahlanträge zur Abstimmung standen. Klären könnten die Vorwürfe allerdings nur unabhängige Gerichte, betonte der Kanzler und rief die Opposition zu "redlicher Politik" angesichts aktueller Krisen auf. Bei der Bevölkerung entschuldigte er sich - allerdings nicht für die der ÖVP vorgeworfenen Fehlleistungen, sondern vor allem dafür, dass der Umgang im Parlament immer hämischer und verächtlicher werde und der Eindruck entstehe, dass die Politik die Nöte der Menschen nicht sehe. Die Justiz habe jetzt ihre Ermittlungen zu führen.
SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sprach von "einer noch nie da gewesenen politischen Schamlosigkeit" und "Unanständigkeit" der ÖVP. Die Regierung sei handlungsunfähig, forderte sie Neuwahlen: "Klammern Sie sich nicht länger an Ihre Regierungsfunktionen!"
Kickl zeigt Sobotka die rote Karte
Gewohnt deftig ging es FPÖ-Chef Herbert Kickl an. Er erkannte in Nehammers Rede bloß "Süßholz-Gerasple" und ein "Abschütteln der Verantwortung, Kindesweglegung, Abputzen, Ablenken und eine unglaubliche Wehleidigkeit". Am Ende der juristischen Aufarbeitung werde "sich zeigen, ob die ÖVP eine kriminelle Organisation ist", meinte Kickl, aber "das Problem ist Ihre hochgradige moralische Verwahrlosung", "dass Sie nicht wissen, was sich gehört und was nicht". Für den von Schmid belasteten Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka (ÖVP), der hinter ihm den Vorsitz führte, zupfte Kickl außerdem eine Rote Karte aus dem Sakko.
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Anti-Korruptions-Paket wird auch abgestimmt
SPÖ macht Druck. Die Sitzung beginnt mit dem dringlichen Antrag der SPÖ an Bundeskanzler Karl Nehammer: „Die rote Linie des politischen Handelns kann nicht erst beim Strafrecht beginnen.“ Sie fordert schärfere Korruptionsgesetze, ein Ende der Amtsverschwiegenheit und Informationsfreiheit, transparente Postenbesetzungen und eine weisungsfreie Bundesstaatsanwaltschaft.
Die Neos bringen zu diesen Themen ebenfalls Fristsetzungsanträge ein, so dass darüber abgestimmt werden muss.
Van der Bellen nicht bei Sondersitzung dabei
FPÖ erbost. FPÖ-Chef Herbert Kickl bat Bundespräsident Alexander Van der Bellen, an der Sitzung teilzunehmen. Wie ÖSTERREICH erfuhr, bleibt VdB ihr aber fern. Kurz nach seiner Wahl beklagte der Präsident einen „Wasserschaden an der Substanz der Demokratie in Österreich“.
Kanzler Nehammer will heute im Parlament erklären, wie er das Vertrauen in die Politik wieder herstellen will. „Ausführlich“, heißt es aus seinem Umfeld zu ÖSTERREICH.
NR-Präsident Sobotka: Abwahl früher möglich?
Lex Sobotka. Die FPÖ will die Abwahl des Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka (ÖVP) ermöglichen, weil seine „Vorsitzführung im U-Ausschuss parteiisch“ sei. Dazu bringen die Blauen heute einen Antrag auf eine Verfassungsänderung ein. Die nötige Zweidrittelmehrheit dafür dürfte unmöglich sein.
Der Krimi: 6 Stimmen entscheiden Zukunft
Für den Neuwahl-Antrag reicht im Gegensatz zur „Lex Sobotka“ eine einfache Mehrheit. Ob sechs Abgeordnete der Grünen allerdings gegen die Koalition stimmen, ist nicht allzu wahrscheinlich. Allerdings: „Einen Klubzwang gibt es bei den Grünen nicht“, heißt es aus dem Klub der Öko-Partei.
Die Stimmung zwischen Grünen und ÖVP ist nicht rosig – grüne und türkise Abgeordnete schenken sich rund um den U-Ausschuss nichts und der Parlamentarier Andreas Hanger (ÖVP) unterstellt der Grünen Nina Tomaselli in ÖSTERREICH eine „Profilierungsneurose“.
SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried appelliert: „Neuwahlen sind notwendig. Die türkis-grüne Regierung scheitert an der Bewältigung der Rekordinflation und ist gelähmt angesichts der täglich neuen Korruptionsvorwürfe gegen die ÖVP.“
In der Opposition ist man sich in einem einig – heute solle sich im Parlament zeigen: „Nimmt die ÖVP die wichtige Mahnung des Bundespräsidenten ernst, der eine Generalsanierung des Vertrauens gefordert hat, oder macht sie so weiter wie bisher?“
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