Gipfel. Schärferes Anti-Korruptionsgesetz kommt.
Europa schaut wütend auf Österreich: Immer mehr Politiker sind in mutmaßliche Korruptionsaffären verstrickt. Bei Ex-VP-Innenminister Ernst Strasser fanden am Dienstag gar Hausdurchsuchungen statt (siehe unten), sein Nachfolger im EU-Parlament, VP-Mandatar Hubert Pirker, soll ebenfalls elf Jahre lang Lobbyist gewesen sein. Und gegen eine Ex-VP-EU-Mandatarin, Hella Ranner, ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Untreue.
Schlagzeilen, die nun auch Bundespräsident Heinz Fischer übel aufstoßen. Für ihn ist ab jetzt Anti-Korruptionsbekämpfung Chefsache. ÖSTERREICH-Recherchen ergeben, dass in den kommenden Tagen ein spektakulärer "Gipfel" bei Heinz Fischer geplant ist: Gemeinsam mit Justizministerin Claudia Bandion-Ortner und Rechnungshofpräsident Josef Moser will Fischer über Maßnahmen gegen Korruption (Politiker betreffend) reden.
Auch Treffen mit Klubchefs zu Korruption
Justizministerin Bandion-Ortner wird sich nach dem Treffen mit Heinz Fischer bereits am nächsten Dienstag mit den fünf Klubchefs im Parlament beraten. Strengere Korruptionsbestimmungen für Mandatare sollen möglichst von allen fünf Parteien beschlossen werden.
Zudem soll es schon bald ein Lobbyisten-Gesetz geben, um unklare Fälle, wie Ernst Strasser, künftig leichter auszuschließen.
Mit Fischer soll davor ein generelles Maßnahmenpaket gegen Korruption in der heimischen Polit-Elite beschlossen werden – mit strengen und überprüfbaren Kriterien.
Pröll plant "Code of Conduct" für ÖVP
Dass just die ÖVP nun Anlassfall für neue Korruptionsgesetze ist, trifft vor allem Parteichef Josef Pröll und die Landeshauptleute. Für die ÖVP soll daher – unabhängig von den geplanten Gesetzesänderungen – ein eigener "Code of Conduct" (eigene Verhaltensregeln) bestimmt werden.
Damit will die ÖVP künftige Skandale und Peinlichkeiten von maßgeblichen VP-Funktionären offensichtlich bekämpfen.
Fall Strasser: Laptops beschlagnahmt
© TZ ÖSTERREICH/Niesner
Am Dienstag beschlagnahmte die Polizei bei Ex-EU-Mandatar Ernst Strasser unzählige Dokumente, mehrere Laptops und sicherte Festplatten. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft hatte flächendeckende Hausdurchsuchungen beim ehemaligen schwarzen Innenminister angeordnet. Dabei schlugen die Beamten sowohl in Wohnungen als auch in Büros von Strasser zu. Der Ex-VP-Mandatar musste bekanntlich wegen einer mutmaßlichen Korruptionsaffäre zurücktreten. Zwei Undercover-Journalisten hatten ihm rund 100.000 Euro für politische Gegenleistungen geboten. Strasser dementiert sämtliche Vorwürfe. Nun wird in den beschlagnahmten Daten nach Beweisen gesucht.
Fall Ranner: VP-Mandatarin hat 7 Mio. € Schulden
© www.hellaranner.at
Ex-VP-EU-Mandatarin Hella Ranner musste am Dienstag auf Druck von VP-Chef Josef Pröll zurücktreten. Gegen Ranner ermittelt die Staatsanwaltschaft Graz wegen Untreue. Zudem soll sie EU-Spesen zweckentfremdet haben. Es gilt die Unschuldsvermutung. Ranner hat jedenfalls gigantische sieben Millionen Euro an Schulden angehäuft. Eine Linzer Anwaltskanzlei wirft Ranner vor, sie mit 356.276 Euro geschädigt zu haben. Ranners Ex-Kanzleipartner, Ernst Chalupsky, ebenfalls VP-nahe, wirft nun der steirischen VP vor, dass sie ebenfalls seit Herbst über die Vorwürfe gegen Ranner Bescheid gewusst habe. VP-Chef Hermann Schützenhöfer dementiert das.
Fall Pirker: Elf Jahre EU-Mandatar & Lobbyist
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Es ist ein ungewöhnlicher Vorgang. Per Notariatsakt hat Ernst Strassers Nachfolger im EU-Parlament, Hubert Pirker, der ÖVP seine Kundenliste offengelegt. Und gleichzeitig versichert, dass er jegliche Beratertätigkeit eingestellt habe. EU-Mandatar Martin Ehrenhauser (Liste Martin) reicht das nicht aus: "Eine Farce. Er soll transparent sein und alles offenlegen."
Pirker, gebürtiger Kärntner, saß bereits von 1996 bis 2004 und von 2006 bis 2009 für die ÖVP im EU-Parlament. Während dieser Zeit war er mit der "EU Triconsult" auch "Unternehmensberater" mit Büros in Wien, Pörtschach, Brüssel. Angebot laut (mittlerweile gelöschten) Website: "Beeinflussung der EU-Gesetzgebung" …