Libyen

Wie krank ist Saif Gaddafi wirklich?

11.01.2012

Derzeit ist der Sohn des getöteten libyschen Machthabers in Iso-Haft.

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© EPA/LIBYAN YOUTH MOVEMENT FACEBOOK PAGE
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"Was ist mit Saif al-Islam al-Gaddafi?“, fragen immer mehr Menschenrechtsorganisationen. Der 39-jährige einstige Thronfolger

ist vom gejagten mutmaßlichen „Kriegsverbrecher“ zum „Sorgenkind“ von Menschenrechtsaktivisten mutiert. Seit 20. November befindet sich Saif al-Islam schließlich in Isolationshaft in einem Privathaus in Zintan. Dort in der Bergregion – rund 130 Kilometer von Tripolis entfernt – hat ihn zuletzt Fred Abrahams von Human Rights Watch am 23. Dezember besuchen dürfen.

Saif habe „nach wie vor keinen Anwalt“, beklagt Abrahams seither. Abrahams ist der letzte unabhängige Zeuge, der den Gaddafi-Sohn sehen konnte.

Am Dienstag gewährte der Internationale Gerichtshof – er hatte im Juni einen Haftbefehl gegen Saif wegen mutmaßlicher „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ ausgestellt - der libyschen Regierung einen Aufschub um zwei Wochen. Spätestens am 23. Jänner muss das offizielle Libyen dann Auskunft „über den Gesundheitszustand“ und die Haftgründe gegen Gaddafi erteilen. Bislang hat man Saif die Haftgründe noch nicht mitgeteilt. Eine Überstellung nach Den Haag lehnt Libyen bis jetzt ebenfalls ab.

Weitere Finger verloren?
In Tripolis machen  jedenfalls Gerüchte die Runde „Saif habe zwei weitere Finger auf Grund von Gangrene verloren“. Der Wahrheitsgehalt lässt sich unabhängig nicht feststellen. Fix ist nur, dass der Gaddafi-Sohn Abrahams erzählt hatte, dass er in dem Privathaus, das zu seinem Gefängnis umgewandelt wurde, an Daumen und Zeigefinger operiert wurde. Und, dass diese Bakterien schnell lebensbedrohend werden könnten.

Auch immer mehr Libyer protestieren dagegen, dass dem einstigen Playboy elementare Rechte wie „ein Anwalt und gute medizinische Sorge verwehrt“ werden.

Das „NTC (nationale Übergangs- Komitee ) agiert wie Gaddafi“, kritisieren sie.

Er ist freilich nicht der Einzige, der ohne konkrete Anklage und ohne Kontakt zu juristischer Hilfe im neuen Libyen festgehalten wird: Bis zu 8000 „Häftlinge“ sitzen so in Gefängnissen quer durch Libyen. Sie – darunter auch rund 160 Ausländer – sollen Gaddafi bei seinem Kampf gegen den Aufstand geholfen haben.

Dafür fehlt von Muammar Gaddafis engstem Vertrautem, Ex-Geheimdienstchef Abdullah Senussi, jede Spur. Das NTC hatte ursprünglich behauptet ihn am 20. November festgenommen zu haben. Glaubwürdige Quellen versichern aber, dass Senussi „längst außer Landes“ sei. Auch gegen ihn läuft ein Haftbefehl des Internationalen Gerichtshofes. Sollte die libysche Regierung auch den 23. Jänner ohne Antwort über Saif Gaddafi und Senussi verstreichen lassen, könnte Libyen zum Fall für die UNO werden.

Saifs Schwester, Aisha Gaddafi, die in Algerien untergetaucht ist, lässt derweil über ihren Anwalt, Nick Kaufman, ausrichten, dass sie es „sehr bedaure, dass ihrem Bruder nach wie vor Anwalt und Kontakt zu seiner Familie verwehrt“ werde.

Saif Gaddafis Aussagen könnten für einige in Libyen – und auch im Westen – freilich äußerst unangenehm sein. Laut libyschen Quellen sitzen auf sämtlichen Schaltstellen in Tripolis nach wie vor Gaddafi-Leute. Saif könnte sie outen.

Sonntag wurde in Tripolis ein französischer Ex-Militär in seiner Wohnung in Tripolis erschossen. Auch er soll profundes Wissen über einst Mächtige in Tripolis gehabt haben. Die Ermittlungen sind im Gang. Die libysche Übergangsregierung beeilte sich jedoch schnell zu erklären, dass „ein Drogensüchtiger“ dafür verantwortlich sei. Wie auch immer.

Die „libysche Sicherheitslage“ erlaube es nicht, dass ein „Anwalt zu Saif Gaddafi vorgelassen“ werde, erklärt der Justizminister. Erst, wenn er in ein „abgesichertes Gefängnis nach Tripolis verlegt werden“ könne, werde man „ihm natürlich einen Anwalt seiner Wahl gestatten“. Fragt sich bloß, ob der Internationale Gerichtshof sich mit diesen treuherzigen Beteuerungen zufrieden geben wird ...

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