WikiLeaks-Enthüllungswelle erreicht Österreich: Wie heimische Politik agiert.
Kanzler Faymann und Außenminister Spindelegger sind nicht an Außenpolitik interessiert, Verteidigungsminister Darabos wird als „unfähig“ beschrieben und die frühere Außenministerin Ursula Plassnik agierte „populistisch“.
Wie jetzt der Spiegel in seiner Ausgabe auf vier Seiten (!) beschreibt, zeichnen US-Diplomaten kein schmeichelhaftes Bild von Österreichs Politik. Es sind entlarvende und teils skurrile Details, die da unter Berufung auf 1.700 geheime US-Depeschen von WikiLeaks an die Öffentlichkeit geraten sind (Details rechts). Die Geheimdossiers offenbaren Konfliktfelder wie die Verweigerung der Aufnahme von Guantánamo-Häftlingen oder Geschäfte heimischer Unternehmen zum Iran und Nordkorea. US-Gesandte in Wien sind deshalb „frustriert, enttäuscht und besorgt“, wie unsere Politik agiert. Die Kritik betrifft die Amtsperioden der US-Botschafter William C. Eacho (seit 2009), David F. Girard-diCarlo (2008–2009), Susan R. McCraw (2006–2007 und W. L. Lyons Brown (2001–2005).
Kanzler Faymann: „Unser Land entscheidet souverän“
Norbert Darabos, mit dem die US-Diplomaten am härtesten ins Gericht gehen, sagt zu ÖSTERREICH: „Ich bin verwundert. Objektiv ist es nicht nachvollziehbar. Einzelne Diplomaten waren wohl frustriert und enttäuscht. Ich fordere eine Klarstellung des US-Botschafters.“
Zurückhaltend die Stellungnahme von Kanzler Faymann. Er ließ via Sprecher ausrichten, dass „ein neutraler Staat wie Österreich Entscheidungen souverän trifft und sich nicht an anderen orientiert.“ Faymann: „Es handelt sich wohl um Einzelmeinungen von Diplomaten.“
Aus Regierungskreisen heißt es, dass die möglichen Konflikte mit den USA aus der Ära Bush stammen und dass Kritik in den US-Depeschen zur jetzigen Regierungsarbeit deshalb verwundert, weil sich die Beziehung zu den USA in den vergangenen Jahren deutlich verbessert hat.
ÖSTERREICH: Verstehen Sie die Kritik der USA?
Norbert Darabos: Ich weiß nicht, wann die Depeschen entstanden sind. Sie könnten mit meiner Kritik am Afghanistan-Einsatz und an Raketenabwehrplänen George Bushs zusammenhängen. Beim Raketenabwehrschild war meine Kritik ja auch berechtigt, weil Obama jetzt von Bushs Plänen abrückt. Da sind vereinzelte US-Diplomaten wohl frustriert und enttäuscht. Ich erwarte aber eine Klarstellung des US-Botschafters.
ÖSTERREICH: Die USA werfen Ihnen „Feigheit“ vor ...
Darabos: Dass ich gegen Einsätze bin, die unsere Soldaten gefährden, ist ein Lob für mich. Da kann nur meine Weigerung gemeint sein, Truppen nach Afghanistan zu entsenden.
ÖSTERREICH: Sind Sie nicht an Sicherheitspolitik interessiert?
Darabos: Ich bin überrascht und verwundert. Diese Aussagen sind objektiv nicht nachvollziehbar. Denn ich habe die internationalen Einsätze des Heers vorangetrieben. Gegen massive Kritik habe ich den Tschad-Einsatz durchgesetzt. Das hätte vor mir wohl kein Verteidigungsminister der Zweiten Republik gemacht. Ich habe den Libanon-Einsatz ab 2012 angeboten und Österreich zur Nr. 1 am Balkan gemacht.