Zur Aufklärung von Kriegsverbrechen am Gelände der ehemaligen Wetzelskaserne beginnen Grabungen.
Auf dem Gelände der heutigen Belgier-Kaserne in Graz (früher SS-Kaserne Wetzelsdorf) werden sterbliche Überreste von bis zu 77 durch die SS ermordeten Personen vermutet. Darunter sollen sich zwei Alliierten-Soldaten und zwei Widerstandskämpferinnen befinden. Das ist das Ergebnis einer von SPÖ-Verteidigungsminister Norbert Darabos in Auftrag gegebenen Untersuchung. In der Kasernen soll es nun Ausgrabungen geben.
"Systematisch liquidiert"
Die vermuteten Opfer wurden
in der Endphase des Krieges im April 1945 hingerichtet. Dabei habe es sich
allerdings nicht um Verbrechen in Folge des Chaos am Kriegsende, sondern um
ein "systematisches Kriegsverbrechen mit aller Konsequenz" gehandelt,
betonte der Historiker Dieter Binder, Vorsitzender der militärhistorischen
Denkmalkommission.
Todesliste erstellt
Die Gauleitung selbst habe die Ermordungen
befohlen. Es sei eine "Todesliste" mit Personen erstellt wurden, die zu
entfernen gewesen seien. Diese seien nach ihrer Hinrichtung in Bombenkratern
verscharrt worden. Ende April, in den letzten Kriegstagen, hätten die Täter
versucht, das Verbrechen zu vertuschen. Die Leichen wurden exhumiert und am
Feliferhof vergraben. Das Massengrab wurde später ausgehoben und die
Überreste von 142 Opfern gefunden.
Zu spät zum Verstecken
Laut den neuesten Forschungen
vermuten die Historiker allerdings, dass die in der Kasernen hingerichteten
Personen nicht zur Gänze am Feliferhof vergraben wurden und sich noch
mehrere Leichen auf dem Kasernen-Gelände befinden. Zu den Opfern gehören
u.a. Widerstandskämpfer, Kriegsgefangene und ungarische Juden. Letztere sind
die große Unbekannte, da es keine genauen Daten über ihre Zahl gibt. Man
weiß nur von einem Transport von 70 bis 150 Personen. Sollten ihre Überreste
gefunden werde, werde daher eine Identifizierung kaum möglich sein. Sieben
der gesuchten Opfer sind hingegen namentlich bekannt. Darunter sind zwei
Alliierten-Soldaten, ein amerikanischer und ein britischer, sowie zwei
weibliche Widerstandskämpferinnen.
Die Zahlen im Detail: Die Opferzahl liegt zwischen 149 und 219 Personen, darunter vier Frauen. Am Feliferhof wurden 142 Personen, darunter zwei Frauen, gefunden. Da sieben Vermisste namentlich bekannt sind, spricht die Wissenschaft von "7 + X" Opfern. Angesichts der zwei noch vermissten zwei Alliierten-Soldaten hat das Projekt auch eine internationale Dimension.
2 Täter könnten noch leben
Auf dem mittlerweile
gesperrten Gelände sollen nun Ausgrabungen stattfinden. Dafür zuständig ist
das Innenministerium. Daneben sollen auch die Täter gesucht werden. Zwei
davon könnten theoretisch noch leben, sie wären allerdings über 90 Jahre
alt. Ihre letzten Spuren führen nach Deutschland, schilderte Darabos. 1948
habe es sogar einen Prozess wegen Verbrechen an US-Fliegern vor einem
US-Militärgericht gegeben. Die neun tatverdächtigen SS-Männer seien aber
freigekommen, weil die betroffenen US-Soldaten, die in der SS-Kaserne
Wetzelsdorf gefangen waren, alle überlebt hatten.
Darabos betonte, dass er sich weiter für die Aufarbeitung von NS-Verbrechen einsetzen werde. Er wolle, gerade auch angesichts der Debatte um FPÖ-Präsidentschaftskandidatin Barbara Rosenkranz, weiterhin eine Vorreiter-Rolle einnehmen.