Das große ÖSTERREICH-Interview
Die Kanzler-Ansage für 2019
29.12.2018Erst 'Newsweek', dann 'Time' – jetzt würdigt auch der 'Spiegel' Kanzler Sebastian Kurz.
Wien. Spiegel Online reihte Kurz auf Platz 1 seiner Fotostrecke „Wer wird 2019 im Ausland wichtig?“. Fügt aber hinzu: „In Zukunft dürfte sich der Ton gegen Ausländer, Flüchtlinge und Migranten weiter verschärfen, denn Kurz lässt den Koalitionspartner FPÖ die schlimmen Dinge sagen, aber schweigt selbst dazu. Seine Popularitätswerte bleiben derweil hoch.“
Stimmt: Nach einem Jahr Kanzler gehen die Umfragewerte von Kurz nach wie vor durch die Decke – seine ÖVP liegt besser denn je. Die beiden US-Magazine Time und Newsweek hievten Kurz dieses Jahr sogar jeweils aufs Cover. „Kurz gestaltet Europas Zukunft aus seiner dunkelsten Vergangenheit“, schrieb das Blatt im Oktober.
Im großen Interview mit ÖSTERREICH-Chefredakteur Niki Fellner zieht Kurz nicht nur eine positive Bilanz des Jahres 2018 – er spricht auch über seine Pläne für 2019. Spannend: Der Kanzler will eine Digitalsteuer für große Internet-Konzerne wie Google, Amazon und Facebook in Österreich einführen. Finanzminister Löger hat die Pläne schon in der Schublade.
Der Kanzler war bei seiner Afrika-Tour in Äthiopien heiß begehrt.
"Führen die Digitalsteuer für Internet-Konzerne ein"
ÖSTERREICH: 2018 war Ihr erstes Jahr als Bundeskanzler. Wie fällt Ihre persönliche Bilanz aus?
Sebastian Kurz: Es war ein sehr intensives, aber auch erfolgreiches Jahr. Wir haben vieles umgesetzt, was wir im Wahlkampf versprochen haben. Wir haben endlich nach 60 Jahren die Schuldenpolitik beendet, wir haben mit dem Familienbonus erste Schritte zur Entlastung gesetzt und wir haben erste Reformen wie die Kassenzusammenlegung auf den Weg gebracht.
ÖSTERREICH: Sie selber waren dieses Jahr zwischen Ballhausplatz und EU-Ratsvorsitz in Brüssel im Dauereinsatz. Wie anstrengend war dieses Jahr für Sie?
Kurz: Natürlich war das sehr anstrengend. Der Ratsvorsitz war mehr als nur fordernd. Aber es ist schön zu sehen, dass wir etwas Positives bewegen konnten. Das Land ist auf einem guten Weg. Wir haben 3 % Wirtschaftswachstum, die Arbeitslosigkeit sinkt. Die Richtung stimmt.
ÖSTERREICH: Während der österreichischen Ratspräsidentschaft konnten Sie die zwei großen Brocken – gemeinsamer EU-Außengrenzschutz und Einigung auf einen Brexit-Deal – nicht umsetzen.
Kurz: Ich bin mit unserer Ratspräsidentschaft zufrieden. Wir haben eine Trendwende in der Migrationspolitik eingeleitet. Es gibt 95 % weniger Ankünfte als noch im Vergleich zu 2015. Das Mandat von Frontex wurde gestärkt. Und die Mittelmeer-Route ist de facto geschlossen. Das ist eine echte Trendumkehr. Und ja: Der Brexit wird uns noch länger beschäftigen. Ich persönlich fände es auch schön, wenn Großbritannien doch in der EU bleibt. Das ist nur leider kein allzu realistisches Szenario.
Kanzler bei einem Kuss-Attentat von EU-Chef Juncker.
ÖSTERREICH: Die SPÖ wirft Ihrer Regierung allerdings vor, das Land zu „spalten“.
Kurz: Ich finde es sehr schade, dass die Sozialdemokratie in einer so aggressiven Art und Weise agiert. Die SPÖ betreibt derzeit Fundamentalopposition und spaltet damit leider selbst das Land. Es gehört zu meinem Demokratieverständnis, dass Wahlergebnisse akzeptiert werden. Die neue SPÖ-Chefin sieht das scheinbar anders, das schadet der politischen Kultur in diesem Land. Ich versuche jedenfalls, andere nicht zu beschimpfen und herabzuwürdigen. Ich kann nur an die SPÖ appellieren, sich diesem neuen Stil anzuschließen.
ÖSTERREICH: Die Opposition sieht durch Ihre Regierung einen Rechtsruck in Österreich …
Kurz: Wir machen die Politik, die wir im Wahlkampf versprochen haben. Das ist nun mal keine Fortsetzung der falschen Migrationspolitik. Keine Schuldenpolitik. Und eine Stärkung des Wirtschaftsstandorts. Wenn das als rechts bezeichnet wird, dann muss ich sagen, das ist nicht rechts, das ist richtig.
ÖSTERREICH: Am 10. und 11. Jänner findet die nächste Regierungsklausur statt. Was werden Sie dort ansagen?
Kurz: Erstens werden wir die Details der Steuerreform festlegen. Zweitens geht es um eine nachhaltige Lösung der Pflegefrage und drittens wird 2019 der Schwerpunkt Digitalisierung sein. Wir müssen die Chancen der Digitalisierung nützen, die Infrastruktur ausbauen und die großen Internet-Giganten endlich gerecht besteuern. Wir werden hier zusätzlich zum europäischen Vorgehen einen nationalen Schritt setzen. Wir werden eine Digitalsteuer für Konzerne auch in Österreich einführen.
Time & Newsweek hoben Kurz auf ihre Titelseiten.
ÖSTERREICH: Und wie wird die aussehen?
Kurz: Ich bin Finanzminister Hartwig Löger für sein Engagement für eine EU-Digitalsteuer sehr dankbar. Es ist nur gerecht, wenn die Internet-Giganten in Europa endlich ordentlich Steuern zahlen. Denn die digitalen Konzerne zahlen in Europa im Schnitt nur rund 9 % Steuern, während die traditionelle Wirtschaft zwischen 20 und 25 % zahlt. Wir werden daher zusätzlich zum europäischen Vorgehen einen nationalen Schritt setzen und in Österreich eine Digitalsteuer einführen. Finanzminister Löger wird die Eckpunkte bei der Regierungsklausur präsentieren. Denn es kann nicht sein, dass Konzerne wie Facebook oder Amazon in Österreich große Gewinne einfahren, aber hier so gut wie keine Steuern bezahlen.
ÖSTERREICH: Vizekanzler Strache hat jetzt ein Volumen von 3,5 Milliarden Euro bei der Steuerreform in den Raum gestellt. Das ist deutlich weniger als die zuletzt kommunizierten 5 Milliarden. Wie hoch wird die Entlastung jetzt?
Kurz: Ich will jetzt nicht spekulieren. Wir werden Mitte April den Budgetpfad einmelden, dann wissen wir auch, von welchem Volumen wir sprechen. Davor über Volumina zu sprechen, ist nicht seriös. Es wird jedenfalls eine Senkung der Abgabenquote in Richtung 40 % geben. Und die Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen hat oberste Priorität bei der Steuerreform.
ÖSTERREICH: Zuletzt gab es Stimmen, die eine Anhebung des Pflegegeldes in allen Stufen gefordert haben. Können Sie sich das vorstellen?
Kurz: Ja, die Anhebung des Pflegegeldes ist definitiv unser Ziel. Das wird in den Stufen passieren, wo es notwendig ist. Spätestens bis Herbst soll es eine Lösung der Pflegefrage geben.
ÖSTERREICH: In Deutschland wird über eine Moschee-Steuer diskutiert. Soll die auch in Österreich kommen?
Kurz: In Österreich gibt es bereits das Verbot der Auslandsfinanzierung. Wir haben das 2015 mit dem Islam-Gesetz beschlossen. Wir wollen damit den Einfluss aus dem Ausland auf die Islamische Glaubensgemeinschaft zurückdrängen. Andere Länder wie Deutschland wollen das jetzt kopieren, Österreich war hier Vorreiter. Die österreichischen Moscheen haben schon jetzt die Pflicht, sich selbst zu erhalten. Das findet mit geregelten Beiträgen oder Spenden auch schon statt. Die Moscheen können selbst bestimmen, wie sie sich finanzieren. Diesen dezentralen Ansatz der Moscheen-Finanzierung befürworte ich auch.
ÖSTERREICH: 2019 steht auch die EU-Wahl an. Wird Othmar Karas ÖVP-Spitzenkandidat?
Kurz: Wir werden die Liste im Jänner oder Februar beschließen. Was fest steht, ist, dass wir auf Vorzugsstimmen setzen. Wir machen einen Vorschlag, aber der Wähler entscheidet.
ÖSTERREICH: Warum fällt es Ihnen so schwer, Othmar Karas als Spitzenkandidaten zu benennen?
Kurz: Mir fällt die Listenerstellung nicht schwer. Aber ich möchte möglichst lange arbeiten und nicht wahlkämpfen. Ich halte nichts von einem Dauerwahlkampf.
ÖSTERREICH: Haben Sie einen Neujahrsvorsatz?
Kurz: Ich möchte die Bundesregierung mit demselben Tempo fortführen wie 2018. Und persönlich möchte ich 2019 etwas mehr schlafen und mich gesünder ernähren!
Interview: Niki Fellner