Bundesheer-Reform

Das ist die neue Wehrpflicht

27.06.2013

Nach der Grundausbildung können Rekruten zwischen vier Modulen wählen.

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Fünf Monate nach der Wehrpflicht-Volksbefragung hat die Regierung am Donnerstag die versprochene Reform der Wehrpflicht vorgelegt. Das von Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) präsentierte 90-seitige Reformpapier enthält 180 Einzelmaßnahmen, die Verbesserungen in allen Bereichen vorsehen. Die Attraktivierung des Wehrdienstes soll schon mit einer besseren Information an den Schulen, einem verbesserten Stellungsverfahren, einer modernisierten Ausbildung, mehr Sportangebote für Rekruten und bessere Unterkünfte umgesetzt werden.

Vier Module
Einen Kernpunkt der Reform betrifft die Ausbildung. Künftig sollen die Rekruten nach einer Grundausbildung zwischen vier Modulen wählen dürfen. Das erste Modul konzentriert sich auf Inlandsaufgaben wie Katastrophenhilfe, Grenzsicherung und Objektschutz, das zweite auf Cyber-Sicherheit und -Schutz und das dritte auf Systemerhalterfunktionen. Das vierte Modul, das eine reine militärische Spezialausbildung bietet, zielt auf jene ab, die länger als sechs Monate als Zeit- oder Berufssoldaten im Bundesheer bleiben wollen.

Ein weiterer Schwerpunkt der Reform ist die Reduktion der Systemerhalter. Das soll durch die Streichung bzw. Reduzierung der entsprechenden Posten (Fahrer, Kellner, etc.) geschehen. Attraktiver werden soll der Wehrdienst auch durch mehr Sportangebote, bessere Unterkünfte, bessere Freizeitangebote und viele andere Maßnahmen.

Eine Vielzahl der Maßnahmen kann laut Klug ohne zusätzliche Mittel bzw. mit einem minimalen zusätzlichen Aufwand umgesetzt werden. Dazu zählen etwa ein Ausbau der Sportanlagen, eine Verbesserung der Umgangsformen, Beratungsgespräche für die Rekruten sowie Fitness- und Talentecheck. Für jene Punkte, die zusätzliches Geld erfordern, hat Klug 30 Mio. Euro pro Jahr aus seinem Budget durch Umschichtungen freigemacht. Dieses Geld wird u.a. für die Verbesserung der militärischen Ausbildung, für die Durchführung zusätzlicher Übungen, für neue Simulatoren, Verbesserung der Unterkünfte, Bereitstellung von WLAN und dergleichen benötigt. Zusätzlich hat Klug in Verhandlungen mit dem Finanzressort erreicht, dass in den Jahren 2014 und 2015 jeweils sieben Mio. aus dem Budget von der Bindung befreit werden und zur Anschubfinanzierung der Reform verwendet werden können.

Umgesetzt werden soll die Reform bis Ende 2014. Minister Klug betonte, dass man künftig versuchen werde, "die besten Burschen am richtigen Platz einzusetzen" und auf die Wünsche der jungen Männer bezüglich der vier Ausbildungsmodule eingehen wolle. "Aus der Wehrpflicht wird aber kein Wunschkonzert." Im Vordergrund bleibe die Erfüllung der im Gesetz vorgegebenen Aufgaben.

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Die Reformvorschläge im Detail

  • REDUKTION von FUNKTIONSSOLDATEN: Rekruten mit entsprechender Ausbildung sollen verstärkt im jeweiligen Bereich eingesetzt werden (zum Bsp.: Köche, Fahrer, Mechaniker), Zielgerichtete Verwendung von eingeschränkt tauglichen Soldaten, Zusammenlegung von Soldatenheimen und Cafeterien, eingeschränktes Service in Cafeterien, Reduktion der Kraftfahrer durch Straffung des Fahrbetriebes und vermehrten Einsatz von Kaderpersonal als Kraftfahrer, Reduktion der Wachdienste. Verhältnis zwischen Funktionssoldaten und Kampfsoldaten soll von 60 zu 40 auf 40 zu 60 umgedreht werden. Im Bereich der Ämter, Schulen und Kommanden soll die Zahl der eingesetzten Rekruten um rund 30 Prozent reduziert werden, in den Stellungsstraßen sollen Rekruten überhaupt ganz durch Berufspersonal ersetzt werden. Eine weitere Reduzierung von Funktionssoldaten ergibt sich durch Schließungen von Liegenschaften.
  • Reform der AUSBILDUNG: Künftig sollen Rekruten nach der Basisausbildung zwischen vier Modulen wählen dürfen. Fähigkeiten und Wünsche der jungen Männer sollen dabei berücksichtigt werden. Das Modul "SCHUTZ und HILFE" umfasst insbesondere die Ausbildungsbereiche Schutz kritischer Infrastrukturen und Objektschutz, Grenzüberwachung, Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Inneren sowie Katastrophenhilfe. "CYBER-SICHERHEIT" umfasst Aufgaben in den Bereichen IT- und Netzwerksicherheit. Das Modul "MILITÄRISCHES BERUFSPRAKTIKUM" steht für den Funktionssoldat und umfasst Verwendungen in Berufsfeldern wie Logistik, Instandhaltung, Facility Management, Sicherheit oder Gastronomie. Die "MILITÄRISCHE SPEZIALISIERUNG" umfasst die Vorbereitung auf eine Verwendung als Kadersoldat im Inland und/oder auf einen freiwilligen Auslandseinsatz. Die Rekruten werden – je nach Erfordernis und entsprechend ihren Interessen und Fähigkeiten – in den verschiedenen militärischen Bereichen speziell aus- und weitergebildet.
  • SPORTAUSBILDUNG: Einbindung von Leistungssportlern/Heeressportlern, gemeinsame Sportwettkämpfe, militärärztliche/sportwissenschaftliche Beratung über Ernährung, Fitness und Gesundheit, Belohnungen für die Verbesserung der persönlichen Leistungsfähigkeit, Leistungschecks bei der Stellung, beim Antritt des Grundwehrdienstes und vor dem Abrüsten, Einführung eines "Sportnachmittags" pro Woche, Erwerb sportlicher Zertifikate und Auszeichnungen.
  • INFORMATION: Mehr Information an Schulen, Wanderausstellung, Medienkoffer für Schulen, Optimierung der Bundesheer-Website, Optimierung des Informationsangebotes bei der Stellung, Info-Folder für Stellungspflichtige.
  • STELLUNGSVERFAHREN: Wehrpflichtige werden bei der Stellungsuntersuchung einem Talentecheck unterzogen, die Untersuchungsergebnisse werden neu gestaltet und dem Stellungspflichtigen in Form einer Gesundheitsmappe inklusive Fitnessbroschüre übergeben, es wird bei der Stellungsuntersuchung ansprechende Bekleidung ausgegeben, die danach mitgenommen werden darf.
  • TAUGLICHKEITSKRITERIEN: System und Leistungsdiagnostik bei der Stellungsuntersuchung sollen besser an Aufgaben und Anforderungen angepasst werden, Beurteilungsrichtlinien zur Feststellung der Tauglichkeit und Anforderungsprofile für bestimmte Funktionen im Grundwehrdienst werden überprüft und überarbeitet.
  • INFRASTRUKTUR: Sanierungs- und Neubaumaßnahmen bei den Unterkünften, Sporthallen, Fitnessräumen und Außenanlagen.
  • AUSBILDUNGS- und VERWENDUNGSZEUGNISSE: Im Rahmen des Wehrdienstes absolvierte Ausbildungen sowie die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten sollen dokumentiert und in Zeugnissen und Zertifikaten bestätigt werden.
  • AUSBILDUNGSMITTEL und SIMULATOREN.
  • Zusammenarbeit mit BLAULICHTORGANISATIONEN: gemeinsame Übungen, Nutzung von Infrastruktur.
  • BETREUUNG: Öffnung geeigneter Betreuungseinrichtungen, WLAN-Ausbau, Abgeltung von Mehrdienstleistungen für Betreuungsaufgaben und Zugang zu Einrichtungen des Heeressportvereins.
  • FREIZEITANGEBOTE: Einführung eines Angebotes zur Sprachausbildung sowie für Sportaktivitäten.
  • UMGANGSFORMEN: Verstärkte Dienstaufsicht durch die Kommandanten, konsequente Durchführung von disziplinären Maßnahmen bei Verstößen, Evaluierung bis Ende 2013.
  • DIENSTZEIT: Ausbildung vorwiegend von Montag bis Freitag, Dienst an Wochenenden nur in Ausnahmefällen, Einführung eines "Zeitkontos".
  • FRAUENANTEIL soll auf zehn Prozent steigen: Verbesserte Jobangebote für Frauen, zielgruppenorientierte Werbe- und Rekrutierungsmaßnahmen, Anpassung der Ausbildung für alleinerziehende Soldatinnen und Soldaten.
  • Rolle der MILIZ soll gestärkt werden: Wehrpflichtige sollen umfassend und rechtzeitig über die Miliz informiert werden, in den Bundesländern sollen Miliz-Servicestellen eingerichtet werden, es soll regelmäßige Milizübungen, auch gemeinsam mit Blaulichtorganisationen, geben.
  • INTEGRATION durch die Wehrpflicht: Verstärkte Information und Motivation über respektvollen Umgang miteinander, Einführung eines einschlägigen Handbuches als Leitfaden für den Umgang miteinander, Angebot zur Teilnahme an Deutsch-Förderseminaren, Einrichtung von Milizbotschaftern mit Migrationshintergrund.
     

 

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