Zweieinhalb Wochen wurde an Kerns Kanzler-Plan gebastelt.
Vier Tage nach dem Rücktritt von Werner Faymann als SPÖ-Chef und Kanzler haben sich die Roten auf einen neuen Bundeskanzler und Parteivorsitzenden geeinigt: Christian Kern. Der bisherige ÖBB-Boss soll künftig die rot-schwarze Regierung und die angeschlagenen Sozialdemokraten anführen. Der 50-jährige Manager soll bereits am Mittwoch angelobt werden.
Auch Häupl für Kern
Gestern hatten sich acht SPÖ-Ländergruppen – inklusive Burgenland – für den ÖBB-Chef als Nachfolger von Werner Faymann ausgesprochen. Wiens Bürgermeister Michael Häupl folgte als letzter SP-Landeschef in das Kern-Lager.
Zeiler zog zurück
Der letzte offizielle Konkurrent von Christian Kern, Time-Warner-Manager Gerhard Zeiler, hatte schließlich Donnerstag, um 9 Uhr morgens seine Kandidatur für den SP-Vorsitz zurückgezogen. Häupl hatte seinen inoffiziellen Favoriten für den Job gestern als ersten Kandidaten zu sich gebeten. Zu diesem Zeitpunkt hatten aber bereits sieben SP-Länderchefs und ÖGB-Boss Erich Foglar für den smarten ÖBB-Manager votiert.
Kern ab Dienstag neuer Regierungs-Chef
Eine Stunde nach Zeiler empfing Häupl dann Kern in seinem Büro im Wiener Rathaus. Der interimistische SPÖ-Chef signalisierte dem Quereinsteiger, dass auch die Wiener hinter ihm stünden. Damit war der Pakt besiegelt. Kurz nach Kern kam VP-Chef Reinhold Mitterlehner zu Häupl. Der Wiener Bürgermeister informierte den interimistischen VP-Kanzler, dass Kern ab Dienstag neuer Regierungschef werden solle.
Heute wollen Häupl und Kern gemeinsam mit den übrigen roten Landeschefs und den Obleuten der SPÖ-Organisationen – Frauen, Gewerkschaft, Senioren und Jugend – über Kern als neuen Kanzler und Parteivorsitzenden beraten. Bei dem Treffen dürfte es sich nur noch um eine rein formale Kennenlern-Runde handeln.
Die SPÖ-Jugend will freilich von Kern ein Bekenntnis gegen die bisherige Asylpolitik der Regierung ergattern. Die roten Frauen wollen den Neuen drängen, möglichst viele Frauen in sein Regierungsteam zu holen. Und die Gewerkschaft und Länder möchten ihre Personalwünsche bei Kern deponieren.
Am Dienstag sollen das SPÖ-Präsidium und der Parteivorstand die Nominierung von Christian Kern auch offiziell absegnen. Dort will der Bahn-Manager auch sein eigenes Regierungsteam präsentieren.
Am Mittwoch soll er angelobt werden
Spätestens Mittwoch in der Früh soll Kern von Bundespräsident Heinz Fischer – mitsamt seinem neuen Ministerteam – angelobt werden. Anschließend möchte der Simmeringer seine erste Regierungserklärung als Kanzler halten (siehe rechts).
Davor – am Pfingstwochenende – will der Wiener mit den eleganten Anzügen sein „Kabinett der besten Köpfe“ formieren. Fragt sich bloß, ob die SPÖ-Länder und Vorfeldorganisationen ihm dazu eine echte Chance geben.
Die ersten Pläne des neuen Kanzlers
Glaubt man Kennern von Christian Kern, dann plant der rote Kanzlerkandidat – er soll Mittwoch angelobt werden und seine erste Regierungserklärung abhalten – eine „innovative und einende Rede“. Die Schwerpunkte seiner Erklärung – an der er und seine Berater offenbar bereits schreiben – sollen ein klarer Hinweis darauf werden, dass er „Partei und Staat modernisieren“ wolle. Er soll dabei offenbar einen Schwerpunkt auf „nachhaltige Energie“, auf die „Digitalisierung“ und „Technologisierung“ legen. Zudem möchte er der SPÖ „Wirtschaftskompetenz“ verpassen und dabei den „Kampf gegen Arbeitslosigkeit“ angehen.
In der sensiblen Frage der Asylpolitik – die seine Partei monatelang zerrieben hatte – möchte Kern die Rhetorik wieder entschärfen.
In Asylpolitik will er die Rhetorik jetzt entschärfen
Er will hier den Spagat zwischen strengen Regeln und einer humanistischen Haltung schaffen. Kein leichtes Unterfangen.