Rieseneklat zum Ende

Das Protokoll des Regierungs-Crashs

16.05.2017

Die Koalition endete am Dienstag auch offiziell im Eklat, hier das Protokoll der Scheidung.

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© Reuters/Getty Images/Fotomontage
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Die Große Koalition ist nicht mehr. Kanzler Christian Kern will mit der ÖVP keine Gesetze mehr durchziehen – die gestrige Ministerratssitzung endete im Eklat. Nach etwas mehr als zehn Jahren, konkret 3.778 Tagen, ist Rot-Schwarz Geschichte. Das Protokoll.

7.30 Uhr

Parlament. Kern kommt ins Parlament, wartet im Büro, dass - wie üblich - der VP-Vizekanzler mit ihm den Ministerrat bespricht. Nur: Es kommt keiner. Kern schickt Klubchef Schieder zu den Journalisten: "Wir wollen Kurz als Vizekanzler, sonst keine Zusammenarbeit mehr mit der ÖVP in der Regierung."

8.01 Uhr

Ministerrat. Die Regierungssitzung sollte beginnen, Kurz trifft ein. Er hat vor der Tür den Reportern schon gesagt, Brandstetter werde Vizekanzler. Kern bittet Kurz zum Vieraugengespräch: Kurz solle Vize werden, sonst gebe es keine Zusammenarbeit in der Regierung mehr. Kurz bleibt aber dabei. Der Ministerrat dauert dann keine 15 Minuten.

8.30 Uhr

Kern macht Ernst. Es ist offiziell: Kern beendet vor laufenden Kameras die Koalition, Beschlüsse gebe es nur noch im Parlament - außerhalb der Regierung.

9.00 Uhr

Eklat auch im Plenum. Kurz meldet sich im Nationalrat zu Wort. Versichert, er wolle bis zur Wahl mit der SPÖ zusammenarbeiten, und beharrt auf Brandstetter als Vizekanzler. Die Situation eskaliert, Kurz wird von erbosten Roten niedergebrüllt. Ex-Klubchef Cap wettert in seiner Wortmeldung: "Wenn Kurz nicht Vizekanzler macht, kann er nicht Kanzler!"

10.15 Uhr

Opposition. Kern trifft FPÖ-Chef Strache, Matthias Strolz (Neos) und Eva Glawischnig (Grüne), um künftige Mehrheiten auszuloten. Ohne großen Erfolg. Und dann noch ein Tiefschlag: Der Bundespräsident soll Kern am Telefon klar gebeten haben, den Widerstand einzustellen. Kern könne Brandstetter als Vize nicht verhindern.

12.10 Uhr

Erklärung. Auf der Regierungsbank treffen Kern und Kurz erneut aufeinander. Kurzer Handshake - dann würdigt man sich keines Blickes mehr. Kern verkündet auch den Abgeordneten das Aus der Koalition. Und er rudert zurück: Wolfgang Brandstetter wird Vizekanzler.

13.02 Uhr

Kurz kontert. Kurz meldet sich erneut zu Wort: Trotz Kerns Ankündigung, sich eigene Mehrheiten zu suchen, sagt er: Die ÖVP werde nicht gegen die SPÖ stimmen.

15.45 Uhr

Neuwahl. Alle Parteichefs einigen sich auf den 15. Oktober als Wahltag.

Die Rede des Kanzlers im Wortlaut – Kern: "Posten, Poker und Parteipolitik"

  • Aktuelle politische Lage: "Wir haben diese Phase, die aus Posten, Poker und Parteipolitik bestanden hat, raschest zu überwinden."

  • Zuerst Ablehnung Brandstetters: "Wir brauchen Handlungsfähigkeit. Am Tisch müssen die sitzen, die auch die Kompetenz zur Umsetzung haben."

  • Warum er Kurz als Vize will: "Verantwortung hat man nicht nur zu übernehmen, wenn die Sonne scheint, sondern auch, wenn es einem nicht zum persönlichen Vorteil gereicht."

  • Dann doch Brandstetter: "Die SPÖ wird keine Regierungsvorlagen mehr einbringen, sondern Mehrheiten im Parlament suchen. Die Frage des Vizekanzlers ist nachrangig. Deswegen werde ich Brandstetter akzeptieren."

Seine erste Parlamentsrede als VP-Chef – Kurz: "Ich will die SPÖ nicht überstimmen"

  • Sebastian Kurz über den Wahltermin: "Ich bin froh, dass sich die Opposition auf einen Termin geeinigt hat. Ein starkes Zeichen unserer Demokratie, dass es so schnell ging, und über Parteigrenzen hinweg."

  • … über das freie Spiel der Kräfte: "Jetzt gibt es nur zwei Wege. Der eine ist ein geordneter und der andere wäre, den Pakt zu brechen und sich gegenseitig zu überstimmen. So würde der Dauerwahlkampf ins Parlament verlegt (…...). Ich fühle mich an 
das Koalitionsübereinkommen gebunden und will die SPÖ auch hier nicht überstimmen."

  • … über Brandstetter: "Er war bis jetzt noch in keinen einzigen Streit verwickelt. Ich würde bitten, ihm eine Chance zu geben und unser Angebot anzunehmen, die Zeit zu nutzen."

(gü)

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