Nur drei Monate alt wurde das Projekt Gesundheitsreform. Hier lesen Sie eine Chronologie.
Am 7. April präsentierten die Sozialpartner ihr Modell, nach unzähligen Verhandlungsrunden ist das Vorhaben drei Monate und viele (Ärzte-)Proteste später gescheitert.
7. April:
Die Sozialpartner präsentieren ihr Konzept für die
Gesundheitsreform. Die Eckpunkte: Der Hauptverband der
Sozialversicherungsträger soll eine Holding mit mehr Durchgriffsrecht auf
die Träger werden. Im Falle eines vertragslosen Zustandes sollen
Einzelverträge zwischen Kassen und Ärzten möglich sein. Gespart werden soll
unter anderem durch die Aut-idem-Regel (Arzt verschreibt Wirkstoff,
Apotheker gibt günstiges Medikament aus), die Ärzte sollen ihren Patienten
eine sogenannte Patientenquittung ausstellen. 600 Millionen Euro pro Jahr
sollen eingespart werden, bis zur vollen Wirksamkeit der Maßnahmen im Jahr
2012 soll der Bund mit einer Überbrückungshilfe von insgesamt 450 Mio. Euro
einspringen. Die Ärzte protestieren postwendend gegen das Konzept. Auch der
ÖVP-Arbeitnehmerverband ÖAAB signalisiert Ablehnung, Kritik kommt auch aus
einigen Bundesländern.
13. Mai:
Nach eingehenden Verhandlungen verständigt sich die
Regierung auf ein Modell, das in Begutachtung geschickt wird. Es übernimmt
im Wesentlichen die Vorschläge der Sozialpartner: Holding, Aut-idem (wenn
auch mit Ausnahmen), Patientenquittung (mit Übergangsfrist), Möglichkeit von
Einzelverträgen, Möglichkeit von "Rezertifizierung" von Kassenverträgen auf
Basis von Qualitätsüberprüfungen, 450 Millionen Euro Überbrückungshilfe vom
Bund bis 2012. Die Gegner formieren sich rasch: Neben den Ärzten und dem
ÖAAB treten auch der Bauernbund, die SPÖ in Salzburg und die SPÖ
Oberösterreich gegen das Modell auf.
21. Mai:
Die Ärztekammer fasst konkrete Protestmaßnahmen ins
Auge: Ordinationsschließungen ab 16. Juni stehen im Raum.
27. Mai:
Die Begutachtungsfrist für die Gesundheitsreform läuft
ab, flankiert von zahlreichen Verhandlungsrunden der Ärzte mit der
Regierung, namentlich Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky (V), aber auch
den Regierungsspitzen. Die Ärztekammer lädt ihre Mitglieder zu einer
Informationsveranstaltung im Austria Center Vienna.
3. Juni:
Ärztedemonstration in Wien.
4. Juni:
Die Regierung einigt sich auf die Reform und zwar mit
einer "Reihe von Veränderungen", wie es heißt: u.a. einer Schlichtungsstelle
für den Fall von Konflikten zwischen Ärzten und Versicherung.
7. Juni:
Die Ärztekammer beschließt ihren Streikfahrplan: 16.
Juni - also während der EURO 2008 -, weitere Termine möglich: 26. und 27.
Juni sowie 7., 8. und 9. Juli.
16. Juni:
Österreichweit sind rund 15.000 Ordinationen dazu
aufgerufen, zu schließen.
17. Juni:
Der Sozialausschuss im Parlament beschließt den
weiteren Nationalrats-Fahrplan.
24./25. Juni:
Expertenhearings im Sozialausschuss.
26./27. Juni:
weitere Ordinationsschließungen.
1. Juli:
Der Gesundheitsausschuss im Nationalrat befasst sich
mit der Gesundheitsreform.
3. Juli:
Aus der geplanten Beschlussfassung der Reform im
Sozialausschuss wird nichts: Er wird unterbrochen, um weiter verhandeln zu
können. Am Abend wird bekannt: Aut-idem und Patientenquittung sollen vom
Tisch sein - statt von Einzelverträgen spricht Sozialminister Erwin
Buchinger (S) von "Teilkündigungen". Den Ärzte wurde also entgegenkommen,
nach wie vor spießt es sich offenbar an den Kontrollrechten für die
Hauptverbands-Holding.
4. Juli:
Weitere Verhandlungen. Der ÖAAB will bundesweite
Trägerorganisationen, wie etwa die Beamtenversicherung, von den strengeren
Kontrollmechanismen ausnehmen. Die SPÖ ist gegen diesen Vorschlag. Die Ärzte
geben bekannt: Sie sehen keinen Grund, von ihren Protesten abzusehen. Für 7.
Juli wird eine Demo in Wien angekündigt, von 7. bis 9. Juli weitere Streiks.
6. Juli:
Am Sonntagabend startet die entscheidende
Verhandlungsrunde im Parlament. Nach wenigen Stunden ist um 21 Uhr klar:
Nichts geht mehr. Wie es weitergehen soll, ist nicht klar - die Beteiligten
sprechen sich für einen "Neuanfang" aus. Die Finanzspritze für die Kassen
rückt damit in weite Ferne.