Häupl & Vassilakou
Das rot-grüne Experiment in Wien
12.11.2010
Erstmals Rot-Grün auf der Landesebene – die Pläne der Wiener Regierung.
"Ich habe mich für die Partei entschieden, mit der ich in Bildungspunkten nicht ständig streiten muss, weil: Bildung ist Zukunft.“ Mit diesem Seitenhieb auf die ÖVP verkündete Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) unter Blitzlichtgewitter die rot-grüne Regierung. Maria Vassilakou, Klubchefin der Grünen, wird neue Vizebürgermeisterin und übernimmt als Stadträtin das prestigeträchtige Schlüsselressort "Verkehr, Stadtplanung, Klimaschutz und Energie“. Vassilakou fast euphorisch: "Klimapolitik wird jetzt Chefsache.“
Klimahauptstadt Wien?
Zweieinhalb Wochen lang haben SPÖ und Grüne verhandelt. Ergebnis ist das 80 Seiten starke Konzept "Gemeinsame Wege für Wien“ – viele Pläne von Bildung über Integration bis Verkehr. Tatsächlich ist die grüne Handschrift nicht zu leugnen: Konkret will die neue Regierung ein Drittel weniger Autos und den Anteil des Öffi-Verkehrs auf 40 Prozent schrauben. Die Tarife werden attraktiver (und sozial gestaffelt), wenn auch nicht so niedrig wie erhofft: "Wir wollen Öffi-Fahrer belohnen. 100 Euro für das Jahresticket wird es aber nicht spielen. Bis Jahresende soll eine Verbesserung fix sein“, so Vassilakou. Häupl: "Es geht um die Wirtschaftlichkeit der Betriebe.“ So rückt die City-Maut in weite Ferne …
"Vertrag mit Zuwanderern.“
Viele Pläne gibt es im Bildungsbereich, konkret: 160 Millionen Euro Budget für neue Schulen, 500 neue Begleitlehrer zur Sprachausbildung und Ausbau der Krippenplätze. Vassilakou: "Wir sind stolz, dass wir massiv investieren.“ Ambitioniert sind die Vorhaben für Integration. Häupl: "Eine Charta mit Zuwanderern für das Zusammenleben soll Integrationsproblemen entgegenwirken“. Hohen Stellenwert haben auch Armutsbekämpfung, Öko-Jobs, Wahlrechtsreform und Solarenergie. Nachdem die grüne Basis am Sonntag abstimmt, soll das Abkommen am Montag unterschrieben werden.
Aufstieg für Vassilakou
Die Reaktionen sind gespalten: Während Kanzler Werner Faymann (SPÖ) von einer positiven Entwicklung spricht, kündigt FPÖ-Chef HC Strache an: "Wir werden uns gegen das Horrorexperiment wehren.“ Die erste jemals paktierte rot-grüne Regierung auf Landesebene in Österreich ist für die gebürtige Griechin Vassilakou (41, verheiratet, keine Kinder) ein Karrieresprung: Sie ist Wiens erste migrantische Vizebürgermeisterin.
Das steht im Koalitions-Pakt:
Ziel: Ein Drittel weniger Autos, 10% aufs Rad
Verkehrskonzept: Unter der rot-grünen Koalition sollen Radfahrer und Fußgänger klar bevorzugt werden: "Ziel ist es, den MIV (Motorisierten Individual Verkehr) in Wien um rund ein Drittel zu reduzieren, den ÖV-Anteil auf 40 % bzw. den Radverkehrsanteil auf 10 % zu steigern.“
Wirtschaft: Häupl warnt davor, dass die Krise noch nicht vorbei sei. Die Stadt investiert weiter in die Stützung der Wirtschaft. Zukunftsträchtige Wirtschaftszweige wie Life Sciences und Umwelttechnologien sollen gefördert werden.
Integration: In einer "Wiener Charta des Zusammenlebens“ sollen die Spielregeln des Miteinanders formuliert werden. Und: "Mit dem neuen 'Integrationsmonitor‘ sollen die Sprachkenntnisse der ZuwanderInnen künftig laufend gemessen werden …, um sicherzustellen, dass BürgerInnen mit Wiener Wohnadresse über ausreichend Deutschkenntnisse verfügen.“ Häupl will, dass die Ordnungsberater künftig "sichtbarer“ werden.
Stadtplanung: Bei künftigen Großbauprojekten und Garagenbauten sollen von Anfang an die Bevölkerung bzw. die Anrainer eingebunden und befragt werden. Es muss auch darauf geachtet werden, dass "50 % der Gesamtfläche der Stadt Grün- und Erholungsflächen bleiben.“
Bildung/Kindergarten: Häupl und Vassilakou kündigten an, dass in den Volksschulen künftig 500 zusätzliche Lehrer zum Einsatz kommen. Für die Schulmodernisierung wird viel Geld in die Hand genommen. Außerdem strebt Rot-Grün ein flächendeckendes Angebot mit den "Neuen Mittelschulen“ für die 6- bis 15-Jährigen an. Weiters wird das Kindergartenangebot ausgebaut: "Die Stadt Wien wird den Ausbau des Kinderbetreuungsangebotes weiter forcieren und ihren Schwerpunkt insbesondere in der Erweiterung des Platzangebotes für Krippenkinder setzen.“ So soll für die Hälfte aller 1- bis 3-jährigen Kinder ein Krippenplatz zur Verfügung stehen.
Soziales/Gesundheit: Die Armut wird bekämpft. Neben der bereits eingeführten Mindestsicherung wird die Mindestsicherung für alle Wiener Kinder auf monatlich 200 Euro angehoben. "Kein Kind soll in Armut aufwachsen“, sagt Vassilakou. Der Bau des KH Nord in Floridsdorf wird bis Ende 2015 abgeschlossen sein.
Klimaschutz/Energie: Die thermische Sanierung von alten Häusern wird vorangetrieben. "Als weitere Maßnahme zum Klimaschutz wird ein 'Solarkraftwerk der WienerInnen‘ umgesetzt. Darüber hinaus werden in Zusammenarbeit mit anderen Geschäftsgruppen weitere Möglichkeiten eines Solar-Großprojekts in Wien ausgelotet.“
Sicherheit: Rot-Grün fordert vom Bund mehr Polizisten: "In den kommenden Jahren geht es darum, Wien sicher zu halten und dort sicher zu machen, wo es notwendig ist.“ Sicherheit bedeute aber auch soziale Sicherheit.