ÖSTERREICH liegt der 108-seitige Strafantrag gegen Kurz & Co zur Gänze vor.
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat gegen den ehemaligen Bundeskanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz Anklage wegen Falschaussage im Ibiza-U-Ausschuss erhoben. Es gibt auch schon einen Verhandlungstermin. Kurz muss sich ab 18. Oktober am Wiener Landesgericht für Strafsachen verantworten. Die Verhandlung ist auf drei Tage anberaumt, die Urteile sollen am 23. Oktober fallen.
Von der WKStA wegen falscher Zeugenaussage zur Anklage gebracht wurden neben Kurz auch dessen langjähriger Vertrauter Bernhard Bonelli, Kabinettschef im Bundeskanzleramt unter Kurz und dessen Nachfolger Alexander Schallenberg, sowie die vormalige ÖVP-Vizeparteichefin Bettina Glatz-Kremsner, bis März 2022 Generaldirektorin der Casinos Austria und Vorstandsvorsitzende der Österreichischen Lotterien. Die beiden werden neben Kurz auf der Anklagebank im Großen Schwurgerichtssaal Platz nehmen müssen.
Das sind die drei Vorwürfe gegen Kurz
Angeklagt sind also zwar auch Ex-Casino-Chefin Bettina Glatz-Kremsner und Ex-Kurz-Kabinettschef Bernhard Bonelli – spannender sind aber die drei Falschaussage-Vorwürfe gegen den Ex-Kanzler.
- Bestellung von Thomas Schmid zum ÖBAG-Chef: Kurz sagte am 24. Juni im U-Ausschuss aus – und spielte seine Rolle bei der Bestellung von Thomas Schmid zum ÖBAG-Chef herunter: Er sei „eingebunden im Sinne von informiert“ gewesen – habe aber selbst nichts entschieden. „Tatsachenwidrig“, sagt dazu die Anklage. Kurz habe „unter Wahrheitspflicht nicht nur mit bedingtem Vorsatz, sondern wissentlich die Unwahrheit gesagt“.
- ÖBAG-Aufsichtsrat: Kurz behauptete auf Fragen des Neos-Mandatars Helmut Brandstätter, er habe die Aufsichtsräte der Staatsholding nicht ausgesucht – Chats und Schmids Aussagen zeichnen aber ein anderes Bild, kontert die WKStA.
- Sideletter: Kurz wurde vor dem U-Ausschuss mit einem Chat seines Finanzministers Löger zu einem Koalitions-„Sideletter“ mit der FPÖ konfrontiert – er habe „keine Ahnung, was die vereinbart haben“ – auch das sei falsch, so die WKStA.
Ankläger gegen Diversion: Kurz könnte bei dem Strafmaß von drei Jahren zwar (bei einem Geständnis) mit einer Diversion straffrei davonkommen – die WKStA will aber ein Exempel statuieren: „Ein (...) grundsätzlich gesetzlich mögliches diversionelles Vorgehen kommt (...) mangels Verantwortungsübernahme und auch aus generalpräventiven Gesichtspunkten nicht in Betracht“.
Strafantrag am Freitag beim Landesgericht eingebracht
Wie die Sprecherin des Landesgerichts, Christina Salzborn, bekannt gab, wurde der Strafantrag gegen Kurz, Bonelli und Glatz-Kremsner bereits am vergangenen Freitag beim Landesgericht eingebracht. "Wie es nach der Strafprozessordnung vorgesehen ist, wurde der Strafantrag vor der Zustellung an die Angeklagten und Ausschreibung der Hauptverhandlung erst einer Prüfung durch den Richter unterzogen", skizzierte Salzborn die weiteren Abläufe. Der umfangreiche Akt umfasse "mehrere Kisten", der Strafantrag 108 Seiten. Nähere Informationen zum Prozessprogramm, dem Ablauf der Verhandlung und einer allfälligen Akkreditierung sowie weiteren Terminen "liegen derzeit noch nicht vor", bemerkte Salzborn abschließend.
Den Prozess wird Michael Radastzics leiten, der seit Anfang Jänner als Richter am Landesgericht für Strafsachen tätig ist. In den vorangegangenen 15 Jahren war er bei der Staatsanwaltschaft Wien tätig, wo er ab 2012 als Gruppenleiter fungierte. Ursprünglich hatte Radastzics, der seine juristische Laufbahn als Rechtsanwalt begonnen hatte, gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser ermittelt und dann jahrelang das Eurofighter-Verfahren betreute, ehe ihm 2019 der Akt entzogen und der WKStA übergeben wurde. Nun wird Radasztics als Einzelrichter die Stichhaltigkeit der Anklage der WKStA gegen Kurz &Co zu beurteilen haben.
Wie die WKStA Freitagmittag in einer Pressemitteilung verbreitete, wird Kurz und Bonelli vorgeworfen, sie hätten als Auskunftspersonen vor dem U-Ausschuss zum Thema Ibiza-Untersuchungsausschuss insbesondere im Zusammenhang mit der Befragung zur Errichtung der ÖBAG und der Besetzung des Vorstandes und Aufsichtsrates dieser Gesellschaft falsch ausgesagt. Glatz-Kremsner - sie wird in der Aussendung der WKStA nicht namentlich genannt - soll sowohl vor dem U-Ausschuss als auch bei ihrer Vernehmung als Zeugin im Ermittlungsverfahren der WKStA zur Bestellung eines Vorstandsmitgliedes der Casinos Austria AG falsch ausgesagt haben. Für alle drei Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung.