Aufgabe 1
Der kleine Tonklumpen
26.11.2007
Hier geht es zur ersten Aufgabe, die 9 weitere Aufgaben enthält.
"Der kleine Tonklumpen" ist ein Beispiel für einen im PIRLS-Haupttest eingesetzten literarischen Text und wurde bereits bei der ersten Erhebung der Lesekompetenz im Rahmen der PIRLS 2001 verwendet.
Lesen Sie sich diesen Text ganz genau durch und beantworten im Folgenden die Fragen auf der nächsten Seite.
Der kleine Tonklumpen von Diana Engel:
Ganz hoch oben, in einem alten Turm, war eine Werkstatt. Es war eine
Töpferwerkstatt, mit Fässern voller bunter Glasuren, Töpferscheiben,
Brennöfen und natürlich Ton. Nahe dem Fenster stand eine große Holzkiste mit
einem schweren Deckel. Darin wurde der Ton aufbewahrt. Ganz unten am Boden,
in die Ecke gedrückt, lag der älteste Tonklumpen. Er konnte sich kaum noch
daran erinnern, wann ihn zum letzten Mal jemand in die Hand genommen hatte.
Das musste schon ewig her sein. Jeden Tag ging der schwere Deckel der Kiste
auf, Hände griffen hinein und nahmen sich schnell große und kleine Stücke
Toon. Der kleine Tonklumpen konnte die fröhlichen Geräusche der Menschen
hören, die fleißig bei der Arbeit waren.
"Wann bin ich
endlich dran?", fragte er sich. Aber der kleine Tonklumpen verbrachte
Tag um Tag in der Dunkelheit der Kiste und verlor allmählich die Hoffnung.
Eines
Tages kam eine große Gruppe mit Kindern mit ihrem Lehrer in die Werkstatt.
Viele Hände griffen in die Kiste. Der kleine Tonklumpen war der letzte, der
ausgewählt wurde, aber er war draußen!
"Das ist meine
große Chance!", dachte er und blinzelte im Licht.
Der Bub
legte den Ton auf die Töpferscheibe und drehte sie, so schnell er konnte. "Das
macht Spaß!", dachte der kleine Tonklumpen. Der Bub versuchte, den
Ton nach oben zu ziehen, während sich die Scheibe drehte. Der kleine
Tonklumpen verspürte schon die Aufregung, etwas zu werden! Der Bub
versuchte, eine Schüssel zu machen, aber schließlich gab er auf. Er drückte
und knetete den Ton zu einem schönen runden Ball.
"Zeit zum
Aufräumen", sagte der Lehrer. Die Werkstatt füllte sich mit
Geräuschen, die die Kinder beim Schrubben, Wischen, Waschen und Abtrocknen
machten. Das Wasser tropfte überall hin.
Der Bub ließ den
Tonklumpen in der Nähe des Fensters fallen und lief schnell hinaus zu seinen
Freunden. Nach einer Weile war die Werkstatt leer. Der Raum war still und
dunkel. Der kleine Tonklumpen hatte schreckliche Angst. Er vermisste nicht
nur die Feuchtigkeit der Kiste, sonder er wusste auch, dass er in Gefahr war.
"Jetzt
ist alles vorbei", dachte er. "Ich werde hier liegen und
austrocknen, bis ich hart bin wie ein Stein."
Er lag am offenen
Fenster, ohne sich bewegen zu können, und fühlte, wie er langsam
austrocknete. Die Sonne brannte auf ihn nieder und der Nachtwind blies
herein, bis er steinhart war. Er war so hart geworden, dass er kaum noch
denken konnte. Er wusste nur, dass er alle Hoffnung aufgegeben hatte.
Aber
irgendwo tief drinnen in dem kleinen Tonklumpen war noch ein winziges
Tröpfchen Feuchtigkeit übrig, und er weigerte sich, es verdunsten zu lassen.
"Regen",
dachte er.
"Wasser", seufzte er.
"Bitte",
quetschte er schließlich aus seiner trockenen Hoffnungslosigkeit hervor.
Eine
vorüberziehende Wolke hatte Mitleid mit dem kleinen Tonklumpen, und etwas
Wunderbares geschah. Riesige Regentropfen fielen durch das offene Fenster
auf den kleinen Tonklumpen. Es regnete die ganze Nacht, und am nächsten
Morgen war er wieder so weich wie früher.
Stimmen näherten sich der
Werkstatt.
"Oh nein", sagte eine Frau. Sie war die Töpferin,
die oft in der Werkstatt arbeitete. "Jemand hat das ganze Wochenende
das Fenster offen gelassen! Nun müssen wir erste einmal sauber machen. Du
kannst mit etwas Ton arbeiten, während ich Handtücher holen gehe",
sagte sie zu ihrer Tochter.
Das kleine Mädchen sah den Tonklumpen, der
am Fenster lag.
"Der ist ja genau richtig für mich",
sagte sie. Und schon presste und knetete sie den Ton in schöne Formen. Für
den kleinen Tonklumpen fühlten sich ihre Finger himmlisch an.
Das
kleine Mädchen arbeitete überlegt, und ihre Hände bewegten sich zielstrebig.
Der kleine Tonklumpen fühlte, wie sie ihm sanft eine runde, hohle Form gab.
Sie zwickte ihn ein paar Mal und da hatte er einen Henkel.
"Mama,
Mama", rief das Mädchen. "Ich habe einen Becher gemacht!"
"Er
ist wunderschön!", sagte ihre Mutter. "Stell ihn auf das
Regal dort, dann wird er im Ofen gebrannt. Danach darfst du ihn in der Farbe
glasieren, die du möchtest."
Bald war der kleine Becher
fertig und kam in sein neues Zuhause. Jetzt wohnt er auf einem Regal in der
Küche, gleich neben den anderen Bechern, Schüsseln und Tassen. Sie sind alle
sehr verschieden, und einige davon sind sehr schön.
"Frühstück!",
ruft die Mutter, stellt den neuen Becher auf den Tisch und füllt ihn mit
Kakao.
Das kleine Mädchen hält ihn vorsichtig. Wie glücklich der kleine
Becher über die weichen Linien seiner neuen Form ist! Wie gut er seine
Aufgabe doch erfüllt! Der kleine Becher steht ganz stolz da. "Endlich-endlich
bin ich etwas!"
Auf der nächsten Seite: Die Aufgaben / Fragen für Sie
Auf der nächsten Seite: Die Antworten / Lösungen für Sie
Aufgabe 1:
Nummeriere die folgenden Sätze in der Reihenfolge,
wie die Ereignisse in der Geschichte stattgefunden haben. Das erste Ereignis
ist schon richtig nummeriert.
-Der Regen machte den Tonklumpen feucht und weich.
-Der Bub versuchte aus dem Tonklumpen eine Schüssel zu machen.
-Ein Mädchen machte aus dem Tonklumpen einen Becher.
-Der Tonklumpen trocknete aus.
-1. Der Tonklumpen war in der Kiste.
Aufgabe 2:
Warum war der Tonklumpen so lange Zeit in der Kiste?
Aufgabe 3:
Was wünschte sich der Tonklumpen am Anfang der Geschichte?
Aufgabe 4:
Warum wurde der Ton schließlich aus der Kiste genommen?
A: Alle anderen Tonklumpen wurden schon benutzt.
B: Er lag ganz oben auf den anderen Tonklumpen.
C: Der Bub nahm diesen Klumpen, weil er ihm besonders gut gefiel.
D: Der Lehrer sagte dem Buben, er solle diesen Klumpen nehmen.
Aufgabe 5:
Welche Handlung des Buben war achtlos?
A: Er ließ den Ton auf der Töpferscheibe liegen.
B: Er drehte die Töpferscheibe, so schnell er konnte.
C: Er ließ den Tonklumpen in der Nähe des Fensters liegen.
D: Er drückte und knetete den Ton.
Aufgabe 6:
Der Bub ließ den Tonklumpen in großer Gefahr zurück. Welche Gefahr war das?
Aufgabe 7:
Wie fühlte sich der Tonklumpen, als der Bub die Werkstatt verlassen hatte?
A: zufrieden
B: ängstlich
C: ärgerlich
D: stolz
Aufgabe 8:
Das kleine Mädchen ist eine wichtige Person in dieser Geschichte. Erkläre, warum sie wichtig für die Handlung war.
Aufgabe 9:
Was ist die wichtigste Aussage der Geschichte?
A: Menschen lassen sich genauso leicht kneten und formen wie Ton.
B: Es gibt viel Kummer in der Welt.
C: Man ist am glücklichsten, wenn man eine Aufgabe erfüllen kann.
D: Töpfern ist der beste Weg, um Gutes in der Welt zu tun.
Auf der nächsten Seite: Die Antworten / Lösungen für Sie
Aufgabe 1:
1. Der Tonklumpen war in der Kiste.
2. Ein Bub versuchte aus dem Tonklumpen eine Schüssel zu machen.
3. Der Tonklumpen trocknete aus.
4. Der Regen machte den Tonklumpen feucht und weich.
5. Ein Mädchen machte aus dem Tonklumpen einen Becher.
Aufgabe 2:
Die Frage, warum der Tonklumpen so lange in der Kiste war, verlangt von den Schülerinnen und Schülern das Ziehen einer einfachen Schlussfolgerung. Die Antwort muss von ihnen selbst formuliert werden. Die Schüler/innen erhalten einen Punkt, wenn sie in ihrer Antwort darauf hinweisen, dass der Tonklumpen nicht so leicht zu erreichen war wie der andere Ton, oder der andere Ton immer zuerst benutzt wurde.
Aufgabe 3:
Auch hier geht es darum eine einfache Schlussfolgerung zu ziehen. Als richtige Antworten zählen Erklärungen, die sich auf einen Wunsch des Tons mit einer unmittelbaren Wirkung (er wollte verwendet werden), oder auf einen Wunsch mit nachhaltiger Wirkung (er wollte etwas Nützliches werden), beziehen.
Aufgabe 4:
Die richtige Antwort auf diese Multiple-Choice-Frage ist Option A.
Aufgabe 5:
Die richtige Antwort ist Option C.
Aufgabe 6:
Der Verstehensprozess, der bei dieser offenen Frage zur Beantwortung notwendig ist, lautet "Interpretieren sowie Verknüpfen von Gedanken und Informationen." Die Schüler/innen müssen in ihren Antworten verständlich machen, dass der Tonklumpen Gefahr lief, auszutrocknen oder hart zu werden.
Aufgabe 7:
Bei dieser Multiple-Choice-Frage müssen die Schüler/innen aus den Ereignissen der Geschichte die Gefühle des Tonklumpens ableiten. Diese Information ist nicht explizit im Text erwähnt. Option B ist hier die richtige Antwort.
Aufgabe 8:
Diese Frage ist ein Beispiel für den Verstehensprozess "Interpretieren sowie Verknüpfen von Gedanken und Informationen". Die volle Punktezahl erhalten Antworten, die die zentrale Rolle des Mädchens erklären und ansprechen, wie das Mädchen in dieser Rolle zum Gefühl der Erfüllung und Nützlichkeit beigetragen hat.
Aufgabe 9:
Bei dieser Frage zählt das "Interpretieren und Verknüpfen von Gedanken und Informationen". Die richtige Antwort ist Option C.