Jenseits von Eberau

Der Traiskirchen Lager-Report

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Mit Genehmigung des Innenministeriums durfte ÖSTERREICH erstmals ins Flüchtlingslager Traiskirchen.

„Es war die Hölle. Ich war in einem 12-Bett-Zimmer mit Algeriern, Arabern, Afghanen untergebracht. Kontakte gab es keine, null Kommunikation – schon wegen der Sprachbarriere. Ich war der Einzige, der Deutsch konnte“, erinnert sich Alen A. Der Kriegsflüchtling aus dem Kosovo lebte 2001 acht Monate in Traiskirchen (Bez. Baden).

Glücklich
Aus Angst, beraubt oder in Gewaltorgien verwickelt zu werden, schlief der heute 30-Jährige lieber im Badener Kurpark als im Lager. „Im Asylheim wurde gestohlen und es kam immer wieder zu brutalen Übergriffen.“ Erst als Alen A. mit Kosovaren zusammenziehen konnte, blieb er wieder im Auffanglager. Kurze Zeit später erlangte er seinen Flüchtlingsstatus, besorgte sich einen Job und mietete eine Wohnung. Heute ist er integriert, spricht perfekt Deutsch und ist glücklich, in Österreich zu leben.

Eine Erfolgsgeschichte – auch die gibt es in Traiskirchen. Aber: Es ist eher Ausnahme als Regel.

Neun Jahre später, drei Wochen, nachdem Innenministerin Maria Fekter mit ihren Plänen für ein drittes Erstaufnahmelager in Eberau (Burgenland) die Nation aufschreckte, durfte ÖSTERREICH (mit Genehmigung des Ministeriums) erstmals offiziell ins Lager Traiskirchen. Anschauen, was sich verändert hat.

Konflikte
Fazit: Alle mühen sich redlich, viel wurde behübscht (das Hauptgebäude erst im Vorjahr komplett saniert). Aber: Traiskirchen (104.000 Quadratmeter groß) bleibt ein Ort am Rande der Zivilisation, ein 10. Bundesland. Jeder zweite Asylantrag Österreichs wird hier gestellt. Sprachengewirr, vollgepferchte Zimmer, Chaos, Schlägereien – das ist hier Alltag.

Im April 2009 gerieten bei der Essensausgabe Afghanen und Tschetschenen aneinander. Wochen später eskalierte ein Fußballspiel der beiden Volksgruppen. Seither findet die Essensausgabe separiert statt. Um 11 Uhr wird für Mütter mit Kindern serviert. Ab 11.30 Uhr sind – nach Nationalitäten getrennt – alle anderen an der Reihe. Jugendliche Burschen, jene Altersgruppe, deren sexuelle Übergriffe Auslöser der Schlägereien waren, können erst danach ihr Essen ausfassen.

„Wir trennen die Leute am Schlafplatz und im Speisesaal nach Nationalitäten, ihr Zusammentreffen im Freizeitbereich lässt sich jedoch nicht verhindern“, sagt Franz Schabhüttl, Leiter der Betreuungsstelle Ost in Traiskirchen. Schon deshalb hält er eine dritte Erstbetreuungsstelle für „unabdingbar“. „Nur so könnten wir brutale Übergriffe verhindern.“

46 Nationen
Es war schon schlimmer. Bis zu 1.800 Insassen lebten hier vor zehn Jahren eingepfercht, heute sind es meist um die 700. „Keiner von ihnen kommt ohne Schlepper ins Land“, sagt Schabhüttl. Der Freitags-Appell ergab: 667 Asylwerber, davon 300 Afghanen, 150 Tschetschenen, 50 Georgier. Der Rest teilt sich auf weitere 43 Nationen auf. Darunter 44 alleinreisende Frauen mit 27 Kindern.

Offiziell hielten sich Freitagmittag 202 Jugendliche im Lager auf – aber so genau weiß das keiner. Bürgermeister Fritz Knotzer: „Hier blüht der Missbrauch. Viele geben sich als minderjährig aus, weil sie dann Vorteile genießen.“ Schabhüttl bestätigt: „Der älteste ‚Jugendliche‘ entpuppte sich nach Prüfung als 52-Jähriger ...“

Versichert
Betreut werden die Insassen von „European Homecare“, einer vom Innenministerium beauftragten Privatfirma, die als Hausmeister fungiert. Jeder Flüchtling bekommt 40 Euro pro Monat und ist kranken-, jedoch nicht sozialversichert. Täglich werden drei warme Mahlzeiten, dazu ein Schlafplatz angeboten. Es gibt am Areal Sportplätze, eine Turnhalle, Freizeiträume.

Alle Lager-Insassen können sich jederzeit frei bewegen, müssen sich lediglich am Tor registrieren. Bleiben sie allerdings der Betreuungseinrichtung mehr als 48 Stunden fern, werden sie abgemeldet. 408 Bedienstete hat das Lager, 41 Polizisten vom benachbarten Posten sorgen für Sicherheit, so weit möglich. Explodiert der Kochtopf wieder einmal, müssen sie Verstärkung holen.

Wie hoch die Kosten sind, weiß nicht einmal der Lagerleiter, nur das Ministerium (und verrät es nicht). Am 26. Jänner ist wieder Lostag in Traiskirchen. Bei einem Asylgipfel mit Innenministerin Maria Fekter wird festgelegt, wie stark das Lager belegt wird – oder ob der Kochtopf explodiert. Wieder einmal.

Traiskirchen-Chef Franz Schabhüttl im interview

ÖSTERREICH: Wie viele Personen haben Sie derzeit zu betreuen?
FRANZ SCHABHÜTTL: Aktuell leben 667 Asylwerber bei uns.

ÖSTERREICH: Wie lange ist deren durchschnittliche Verweildauer?
SCHABHÜTTL: Bei einer Erstaufnahme kann das bis zu 35 Tage dauern.

ÖSTERREICH: Kehren Flüchtlinge auch freiwillig heim?
SCHABHÜTTL: Ja. Dafür haben wir eine Rückkehrberatung eingerichtet. Im Vorjahr haben sich dafür 300 der Migranten entschieden.

ÖSTERREICH: Wie können sich die Flüchtlinge in ihrer Freizeit beschäftigen?
SCHABHÜTTL: Für die Kleinsten und ihre Mütter betreiben wir einen betreuten Kindergarten und eine Jugendgruppe. Erwachsene können Deutschkurse besuchen oder im Fitnesscenter trainieren. Für einige gibt es auch Jobmöglichkeiten.

ÖSTERREICH: Zur Konfliktvermeidung werden die Ethnien im Lager getrennt. Und draußen?
SCHABHÜTTL: Dafür sorgt die hohe Polizeipräsenz im benachbarten Posten. 41 Polizisten überwachen unser Lager, die Stadt und ihre Schutzzonen.

ÖSTERREICH: Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht?
SCHABHÜTTL: Kann nicht sein. Die Situation verbessern können wir aber mit einem dritten Auffanglager. Das halte ich für unumgänglich.

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