Türkis-Grün
Der Regierungspakt mit ALLEN Details
02.01.2020Alle Details gibt es HIER – Das steht im türkis-grünen Regierungsprogramm.
This browser does not support the video element.
Wien. Die neuen Koalitionspartner Sebastian Kurz (ÖVP) und Werner Kogler (Grüne) haben Donnerstagnachmittag ihren türkis-grünen Pakt der Öffentlichkeit präsentiert und dabei "das Wagnis" verteidigt, wie es Kogler nannte. Man habe sich nicht gegenseitig auf Minimalkompromisse herunterverhandelt, sondern bewusst "zentrale Wahlversprechen halten können", sagte Kurz.
"Wir haben es uns nicht leicht gemacht. Wir sind nicht an der Oberfläche geblieben. Es war kein einfacher Weg. Wir sind zwei sehr unterschiedliche Parteien und deswegen waren die Verhandlungen inhaltlich herausfordernd", so der baldige Kanzler.
Als Schwerpunkte nannte er unter anderem Steuerentlastungen, den Kampf gegen die illegale Migration, um den "sozialen Frieden aufrechterhalten zu können und unsere österreichische Identität zu wahren" sowie den Klimaschutz. "Migration bleibt Herzstück meiner Politik", so Kurz. Man wolle den Schutz der europäischen Außengrenzen vorantreiben und eine verfassungskonforme Sicherungshaft, wie es sie in vielen anderen Ländern gebe, einführen, so Kurz.
Die neuen Konservativen und die Grünen seien in Europa auf dem Vormarsch und "wenn das die Herausforderung ist, hier zusammenzukommen, ist es das Wagnis wert", sagte Kogler und sprach von "Mut für einen Pionierpfad" und einer möglichen "Vorbildwirkung für Europa". Die Grünen hätten im Unterschied zur ÖVP "nur diese eine Möglichkeit" gehabt.
Manche Bereiche würden eine türkise und andere eine grüne Handschrift tragen. Ob das Verhältnis genau eins zu 2,7 entspricht, sei nicht das Entscheidende. Am Ende "wird es nicht darum gehen, ob ÖVP oder Grüne gewonnen haben, sondern dass Österreich gewinnt". Er bezeichnete das Klimaschutzkapitel als "einzigartig". Und er versprach, dass es zu einer CO2-Bepreisung kommen werde. "Wir werden Mühe haben", alle Klimavorhaben einzulösen, "aber wir werden uns bemühen. Wir nehmen das Risiko", so Kogler.
Von der Parteibasis erwartet er Zustimmung für den Pakt. "Es wird eine Diskussion geben. Eine 95- bis 99-prozentige Mehrheit werden wir abwenden, aber es sollte sich gut ausgehen. Ich prognostiziere das, sonst würde ich nicht hier stehen."
Die kritisierten Sicherungshaft verteidigte Kogler damit, dass diese verfassungskonform sein werde und so etwa im europäischen Recht vorgesehen sei. Zudem gebe es in zahlreichen Ländern eine Sicherungshaft und diese werde nur in Einzelfällen vorkommen.
Integration mit Kopftuchverbot bis 14
- Das Kopftuchverbot an Schulen wird bis zum 14. Lebensjahr ausgeweitet, ist dem Integrationskapitel des Regierungsprogramms zu entnehmen. Verstärkte Kontrollen soll es in Kinderbetreuungsstätten, insbesondere islamischen geben. Einen Präventionsunterricht soll es ab der Mittelstufe geben.
- Materialen insbesondere des islamischen Religionsunterrichts sollen in Hinblick auf verfassungsrechtliche Werte wie die Gleichstellung der Frau durch das Bildungsministerium in Zusammenarbeit mit dem Kultusamt auf problematische Inhalte geprüft werden. Etabliert werden in Bildungseinrichtungen neue Mitwirkungspflichten für Eltern, etwa die Teilnahme am Elternabend oder Zusammenarbeit mit dem schulischen Personal. Bei Nicht-Erfüllung dieser Pflichten soll die Möglichkeit geschaffen werden, Verwaltungsstrafen zu verhängen.
- In welche Richtung man sich grundsätzlich orientiert, wird schon im Vorwort des Kapitels klar gestellt: "Die Österreichische Integrationspolitik orientiert sich weiterhin nach dem Prinzip 'Integration durch Leistung' und dem Grundsatz 'Fördern und Fordern'".
- Erarbeitet werden soll ein Nationaler Aktionsplan gegen Rassismus und Diskriminierung. Interkulturelle Kompetenz soll in der Ausbildung Öffentlich Bediensteter verankert werden.
- Bedarfsgerecht ausgebaut werden sollen Integrationsangebote wie Staatsbürgerschafts- und Orientierungskurse. Deutschkurse sollen nicht nur qualitativ hochwertig sonder auch leistbar werden. Kinderbetreuungsangebote während der Schulungen sollen ausgebaut werden.
- Maßnahmen sollen auch gesetzt werden, um die Mobilität von Asylberechtigten am Arbeitsmarkt und in der Lehre zu fördern. Weiterentwickelt werden soll das Integrationsjahr, verbessert und beschleunigt werden Nostrifizierungen.
Budgetfinanzierung des ORF vom Tisch
Das Medienkapitel des türkis-grünen Regierungsprogramms enthält recht allgemeine Absichtserklärungen ebenso wie die eine oder andere deutliche Klarstellung. Die wohl eindeutigste: Eine Budgetfinanzierung des ORF ist vom Tisch. "Wir stehen für einen unabhängig finanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk", lautet eine zentrale Aussage des drei Seiten langen Abschnitts.
Am ORF-Gesetz soll trotzdem gebastelt werden. Nämlich, um eine "stärkere Zusammenarbeit zwischen ORF und Privaten" zu verankern - das war schon 2017 ein großes Anliegen der ÖVP gewesen. Der ORF-Player soll eine gemeinsame Plattform für ORF und Private werden ("mit öffentlich-rechtlichen Inhalten"), nach seiner Etablierung sollen "weitere öffentliche Einrichtungen" einbezogen werden. Dass man auch eine "Anpassung des öffentlich-rechtlichen Auftrags an das digitale Zeitalter" plant, deutet zumindest darauf hin, dass dem ORF einiges von den gewünschten Erleichterungen in der Online-Welt gewährt werden könnte. "Der Öffentlich-rechtliche Rundfunk muss an die medialen Anforderungen der Zeit angepasst werden", heißt es. Ein "besonderer Schwerpunkt" soll dabei auf der "regionalen Vielfalt" liegen. Das ORF-Archiv soll überhaupt "öffentlich sowie digital zugänglich" gemacht werden, wobei es die rechtlichen Rahmenbedingungen zu klären gilt. Nicht im Medien-, sondern im Kulturkapitel wird überdies allfälligen Abschaffungsfantasien für einzelne ORF-Sender eine Absage erklärt: Ein "klares Profil für ORF III als Kultur- und Kunstsender" nimmt man sich dort vor "sowie für Ö1 und FM4 im Bereich des Radios".
Klimaneutralität bis 2040
Das erwartete große Klimaschutz-Paket der türkis-grünen Koalition besteht aus vielen einzelnen Maßnahmen bzw. Überschriften, die zum Teil noch mit Inhalt gefüllt werden müssen. Das große Ziel ist es, Österreich bis 2040 klimaneutral zu machen. Bis 2030 soll der Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen kommen. Geplant sind auch ein Österreich-Ticket, der Öffi-Ausbau und ein Klimacheck für alle neuen Gesetze.
Klimaneutralität: Mit einem Paris-kompatiblen CO2-Budget und dementsprechenden Reduktionspfaden, soll bis spätestens 2040 die Klimaneutralität in Österreich erreicht werden. Eine unmittelbare Nachbesserung und Konkretisierung des Nationalen Energie- und Klimaplans (NEKP) ist hier ebenso vorgesehen, wie auch ein Klimaschutzgesetz mit verbindlichen Reduktionspfaden bei den Treibhausgasen bis 2040 und verbindlichen Zwischenzielen bis 2030. Es sollen dabei Ziele für alle Sektoren geschaffen werden und ein Verantwortlichkeitsmechanismus zwischen Bund und Ländern für die Zielerreichung und bei Zielverfehlung fixiert werden.
Steuern: Die von den Grünen geforderte Ökologisierung des Steuersystems ist im Regierungsprogramm noch teilweise unkonkret und soll von einer Task Force erstellt werden (siehe eigene Meldung "Steuerreform"). Konkret ist die Ankündigung, die Flugticketabgabe einheitlich auf 12 Euro festzulegen, womit sie für Kurz- und Mittelstrecken (bisher 3,5 bzw. 7,5 Euro) teuerer und für Langstecken (bisher 17,5 Euro) billiger wird.
Verkehr: Im Verkehrsbereich (s. auch eigene Meldung "Verkehr") sind viele Maßnahmen geplant, darunter ein Österreich-Ticket und eine nationale Buchungsplattform für alle Ticketsysteme des öffentlichen Verkehrs. Mit zwei Öffi-Milliarden sollen der öffentliche Nah- und Regionalverkehr ausgebaut werden.
Im Bereich des Gebäudebaus werden u.a. ein Ausstieg aus Öl- und Kohleheizungen bis 2035 und die von den Grünen im Wahlkampf forcierten Solaranlagen ("Eine Million Photovoltaik-Dächer-Programm") angepeilt. Geplant ist auch eine Sanierungsoffensive mit einem Förderprogramm für die thermisch-energetische Sanierung von Nutzgebäuden.
Plastik: Weiters sollen die Kreislaufwirtschaft etwa durch steuerliche Begünstigungen für Reparaturdienstleistungen und den Verkauf reparierter Produkte sowie die Reduktion von Plastik forciert werden. Geplant sind auch eine Bodenschutzstrategie, eine Biodiversitätsstrategie, Verbesserungen bei der Kennzeichnung von Lebensmitteln und eine Stärkung des biologischen Landbaus (s. auch eigene Meldung "Landwirtschaft").
Steuern: Reform kommt, CO2-Bepreisung offen
Die von der türkis-blauen Regierung geplante Steuerreform will die ÖVP nun mit den Grünen umsetzen. Im Regierungsprogramm vorgesehen ist sowohl die Senkung der Lohn- und Einkommensteuertarife als auch die starke Senkung der Körperschaftsteuer auf Unternehmensgewinne. Geplant ist auch eine "CO2-Bepreisung" und - in Etappen - eine ökologische Steuerreform, wofür es eine "Task-Force" geben soll.
Steuerreform: Die von der türkis-blauen Regierung geplanten Steuersenkungen wollen auch die Grünen zum Gutteil mittragen. So sollen die Lohn- und Einkommensteuertarife von 25 auf 20 Prozent, von 35 auf 30 und von 42 auf 40 Prozent sinken. Kräftig reduzieren will die Regierung auch die Körperschaftsteuer auf Unternehmensgewinne (25 auf 21 Prozent). Gewinnbeteiligung von Mitarbeitern soll begünstigt werden. Das Einkommensteuergesetz soll - einmal mehr - neu kodifiziert werden. Sakrosankt bleibt dabei aber die Begünstigung des 13./14. Monatsgehalts.
Ökologisierung: Das Regierungsprogramm enthält zwar ein Bekenntnis zur "Kostenwahrheit bei den CO2-Emissionen" ab 2022. Welches Modell für eine "CO2-Bepreisung" gewählt wird (bestehende Abgaben oder nationaler Emissionshandel) bleibt aber offen. Hierzu soll es eine "Task Force ökosoziale Steuerreform" unter Leitung des Umwelt- und des Finanzministeriums geben. Versichert wird, dass das keine Mehrbelastung für Private bringen soll. Die Flugticketabgabe wird auf 12 Euro vereinheitlicht (also für Kurz- und Mittelstreckenflüge teurer, für die Langstrecke billiger). Die NoVA soll "ökologisiert" werden, also neu berechnet und der Deckel für teure Autos gestrichen. Flugkerosin und Schiffsdiesel soll international oder auf EU-Ebene besteuert werden. Dort will man sich auch für CO2-Zölle einsetzen. "Ökologisiert" werden soll auch die Lkw-Maut und das Pendlerpauschale.
Aktien: Wieder einführen wollen ÖVP und Grüne die 2012 gestrichene Spekulationsfrist ("Behaltefrist"), um Aktien-Kursgewinne von der Kapitalertragsteuer zu befreien. Die private Pensionsvorsorge wollen sie stärken.
Budget: Am Nulldefizit will die Regierung ebenso festhalten wie am Ziel, die Staatsschulden unter die auf EU-Ebene vorgegebene Grenze von 60 Prozent der Wirtschaftsleistung zu senken. Berücksichtigt werden soll dabei aber sowohl die konjunkturelle Entwicklung als auch die Finanzierung des Klimaschutzes. Wörtlich heißt es dazu: "Unabhängig davon werden die notwendigen Klima- und Zukunftsinvestitionen sichergestellt." Angedacht wird auch eine "Bürger-Stiftung Klimaschutz".
Arbeitslosengeld wird "weiterentwickelt"
Im Arbeitskapitel fällt zunächst auf, was fehlt, nämlich die unter Türkis-Blau geplante Abschaffung der Notstandshilfe. Eher undeutlich ist bloß von einer "Weiterentwicklung des Arbeitslosengeldes mit Anreizen, damit arbeitslose Menschen wieder schneller ins Erwerbsleben zurückkehren können" die Rede.
Kurzarbeit soll nicht nur bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten, sondern auch bei der Umstellung von Betrieben auf ökologische und klimafreundliche Produktionsweisen bzw. bei digitaler Umrüstung zur Sicherung von Beschäftigung möglich sein. Sozialökonomische Betriebe mit Kreislaufwirtschaft sollen gefördert werden.
Neue Lehrberufe im Klima- und Umweltschutzbereich sollen entstehen, wieder einmal gewünscht ist, dass die Durchlässigkeit zwischen Lehre und anderen Bildungswegen besser wird. Ebenfalls ein Klassiker ist die Förderung von Mädchen in Technikberufen.
Nicht fix ist eine weitere Lohnnebenkosten-Senkung. Hier ist nur von einer Prüfung der Potenziale zur Senkung der Lohnnebenkosten ohne Leistungsreduktion die Rede.
Höherer Familienbonus & Armutsbekämpfung
Zur Armutsbekämpfung dreht die Regierung an der Steuerschraube. Der Eingangssteuersatz wird auf 20 Prozent gesenkt und die Untergrenze beim Familienbonus wird pro Kind von 250 auf 350 Euro erhöht, der Gesamtbetrag von 1.500 auf 1.750 Euro pro Kind. Von einer Reform der gerade vom Verfassungsgerichtshof gekippten Mindestsicherung ist nicht die Rede.
Löhne unter den niedrigsten Kollektivvertragsgehältern sollen der Vergangenheit angehören. Gefordert werden die Sozialpartner, ansonsten könnte das Bundeseinigungsamt eingreifen. Dies gilt auch bei Kollektivverträgen, wo die Löhne seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr angehoben werden, ist dem Arbeitskapitel zu entnehmen.
Vollfinanziert werden sollen laut Regierungsprogramm Therapieplätze im Bereich Psychotherapie. Weiters im Armutskapitel enthalten ist die Einführung eines bundesweiten Kältetelefons sowie die Weiterentwicklung des Unterhaltsrechts mit dem Ziel eines "Lückenschlusses" beim Unterhaltsvorschuss.
Ebenfalls im Armutskapitel angeführt sind diverse Maßnahmen im Schulbereich, z.B. ein Pilotprogramm an 100 ausgewählten Schulen in ganz Österreich, wo ein Chancenindex getestet wird, nach dem Schulen mit besonders schwierigen Rahmenbedingungen zusätzliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden können. Ausgebaut werden sollen zur Entlastung der Eltern Ferienbetreuung und Sommerunterricht für jene, "die es brauchen".
Beim Pensionskapitel wird festgehalten, dass es keine grundlegende Neuausrichtung braucht. Vage werden Maßnahmen avisiert, die das faktische an das gesetzliche Antrittsalter heranführen. Verstärkte Informationen soll es zu den (finanziellen) Folgen von Teilzeitarbeit geben, die über einen Rechner erlebbar gemacht werden solle. Etabliert werden sollen unterschiedliche Modelle der partnerschaftlichen Aufteilung von Familienarbeit und Pensionsansprüchen - diverse Möglichkeiten zum automatischen Pensionssplitting, es soll aber auch eine freiwillige Variante bestehen bleiben. Daneben werden etliche Maßnahmen angekündigt, um die Gesundheit schon im Erwerbsleben zu bewahren, etwa über eine Weiterentwicklung der Vorsorgeuntersuchungen.
Verkehr: Österreichweites Öffi-Ticket um 3 Euro
Im Verkehrsbereich plant Türkis-Grün ein österreichweites Öffi-Tickets als "klimaschonende Alternative" zum Auto - es soll drei Euro pro Tag, also 1.095 Euro im Jahr, kosten. Für ein Bundesland soll es einen Euro pro Tag und für zwei Bundesländer zwei Euro pro Tag kosten. Für junge Menschen soll es eine noch günstigere Variante geben.
Auch durch eine Senkung der Energieabgabe auf Bahnstrom auf das europäische Durchschnittsniveau sollen Zug-Fahrscheine günstiger werden. Die Finanzierung des Öffentlichen Verkehrs sollen ÖVP und Grüne auf neue Beine stellen, mit einer einheitlichen multimodalen Buchungsplattform mehr Tarif-Transparenz erreichen - und den Verkehr zur einer Mobilitätsdienstleistung (Mobility as a Service) machen.
Verbessert werden soll das Angebot des Öffentlichen Verkehrs. Konkret ist von einem "weitgehend stündlichen, ganztägigen ÖV-Angebot in ganz Österreich" die Rede. Dazu ist an zwei Stellen eine "Öffi-Milliarde" angeführt, einmal für den Nahverkehr in und um Ballungsräume und ein zweites Mal für den Regionalverkehr im ländlichen Raum.
Allerdings stehen da noch Verhandlungen mit den Ländern an: "Die Mittelzuteilung aus Nahverkehrs- und Regionalverkehrsmilliarde erfolgt unter der Maßgabe der Kofinanzierung durch die Bundesländer in einem noch zu vereinbarenden Schlüssel." An den Bahnhöfen ausgebaut werden sollen für die Pendler die Anlagen für Park&Ride und Bike&Ride.
Im Flugverkehr wird die Ticketabgabe künftig mit einheitlich 12 Euro pro Flug festgelegt. Auf der Kurzstrecke ist das eine deutliche Erhöhung um über 240 Prozent (bisher 3,50 Euro), auf der Mittelstrecke beträgt die Erhöhung 60 Prozent (bisher 7,50 Euro) und auf der Langstrecke (derzeit 17,50 Euro) sinkt sie um etwas mehr als 30 Prozent. Damit trifft die Änderung vor allem Billigflieger, die im Gegensatz zur AUA keine Langstreckenverbindungen anbieten. Eine Kerosinsteuer auf nationaler Ebene kommt nicht. Flugtickets bleiben auch weiter mehrwertsteuerfrei.
Der Auto- und Busverkehr soll in den nächsten Jahren zunehmend elektrisch werden. "Wenn möglich schon ab 2022", spätestens bis 2017 soll die Beschaffung des Fuhrparks der öffentlichen Hand auf emissionsfreie Fahrzeuge umgestellt werden, Autos mit Diesel- oder Benzinmotor müssen dann begründet werden. Ausnahmen gibt es für Sonderfahrzeuge wie z.B. Panzer.
Auch Dienstwägen in Firmen sollen durch stärkere steuerliche Anreize CO2-frei werden. Die Normverbrauchsabgabe (NoVA) beim Kauf eines Neuwagens soll noch stärker ökologisiert werden. Nicht angetastet werden dürfte hingegen das sogenannte Dieselprivileg, also die steuerliche Förderung von Diesel gegenüber Benzin.
Beim Radverkehr setzt sich die neue Regierung übrigens die selben Ziele wie ÖVP und FPÖ. Der Anteil soll bis 2025 auf 13 Prozent verdoppelt werden. Flankiert wird das Ziel dieses Mal aber von einem "Radpaket" und einem "Aktionsprogramm für Kinder". Vorgesehen ist unter anderem den Ausbau von Radwegen, auch am Land. Fußgänger sollen in der Straßenverkehrsordnung (StVO) und im Straßenraum ebenfalls stärker berücksichtigt werden. Vor Schulen, im Ort sowie an Unfallhäufungsstellen ("auch auf Landesstraßen") soll die Verkehrssicherheit durch Temporeduktionen erhöht werden.
Auch wegen des Schadstoffausstoßes sollen die Geschwindigkeiten auf Österreichs Straßen sinken, konkret wird das unter Ex-Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) Pilotprojekt "140 km/h auf Autobahnen" umgehend beendigt und die teils hohen Toleranzgrenzen bei Geschwindigkeitskontrollen sollen der Vergangenheit angehören.
Mehr Geld für Frauen und Kinderbetreuung
Die türkis-grüne Regierung will gegen Gewalt an Frauen ankämpfen und verspricht, eine "substanzielle Aufstockung des Frauenbudgets" sowie einen Ausbau der Frauenberatungs- und Gewaltschutzzentren. Ausgebaut werden soll auch die Kinderbetreuung. Jede Familie soll die Wahlmöglichkeit haben, ihr gemeinsames Leben zu gestalten, heißt es im Programm.
In Unternehmen mit mehr als 50 Prozent staatlicher Beteiligung soll in den Aufsichtsräten eine Frauenquote von 40 Prozent eingeführt werden. Für börsenotierte Konzerne und Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern gilt seit 2018 eine verpflichtende Frauenquote von 30 Prozent im Aufsichtsrat.
Angestrebt wird auch ein nationaler Aktionsplan, der Ausbau der Opferschutzeinrichtungen, Gewaltschutzzentren und Interventionsstellen sowie Gewaltpräventionsprogramme für Gefährder. Neben angepeilten 15a-Vereinbarungen zu bundeslandübergreifenden Frauenhausplätzen und der Bereitstellung von Start- und Übergangswohnungen wird darin auch das Verbot von Zwangsheirat oder Frauenhandel angeführt.
Neben dem qualitativen und quantitativen Ausbau flächendeckender und bedarfsgerechter Kinderbetreuung will Türkis-Grün mittelfristig ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr einführen. Zudem ist, heißt es im Programm, die Förderung der Väterkarenz und des Papamonats ein wichtiges Anliegen. Auch soll es weitere Anpassungen bei abstimmungsrechtlichen Fragen bei Kindern in der Ehe zweier Frauen und bei Kindern in verschiedengeschlechtlicher eingetragener Partnerschaft geben.
Familien in Krisensituationen sollen die notwendige Hilfe erhalten und Alleinerziehende und Krisenpflegeeltern besser abgesichert werden. Etwa soll ein Lückenschluss beim Unterhaltsvorschuss sicherstellen, dass Eltern nicht mit langwierigen Verfahren belastet werden.
Höhere Zuverdienstgrenze für Studenten. Im Familienbereich ist darüber hinaus auch die Anhebung der Zuverdienstgrenze für Studierende auf 15.000 Euro und eine Senkung des aktiven Wahlalters bei Betriebsratswahlen auf 16 Jahre geplant.
Unternehmen: Weniger KöSt, weniger GmbH-Kapital
Bei der Wirtschafts- und Standortpolitik heißt das Leitmotiv der neuen Regierungskoalition Entlastung und Entbürokratisierung. Die Steuer- und Abgabenquote soll gesenkt und Unternehmensgründungen erleichtert werden. Dem Fachkräftemangel will man durch eine Modernisierung der Lehrberufe und der Rot-Weiß-Rot-Karte entgegenwirken.
Unternehmenssteuern: Der Ruf der Wirtschaft nach einer Senkung der Körperschaftsteuer (KöSt) wurde erhört, der Steuersatz soll von derzeit 25 auf 21 Prozent gesenkt werden. Damit geht die Entlastung allerdings nicht ganz so weit wie Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer (ÖVP) es sich gewünscht hätte - er wollte "vorne einen Einser" haben.
Für Erträge aus ökologischen bzw. ethischen Investitionen soll es eine Befreiung von der Kapitalertragsteuer (KESt) geben. Die Kriterien dafür sollen vom Finanz- und vom Klimaministerium formuliert werden. Bauern sollen u.a. durch eine Erhöhung der Buchführungsgrenze auf 700.000 Euro entlastet werden. Gewinne sollen in der Landwirtschaft auf drei Jahre verteilt werden können.
Arbeitsmarkt: Zur Deckung der Fachkräfte-Nachfrage will man "zuerst den österreichischen Arbeitsmarkt, dann die Arbeitsmärkte in den EU-Mitgliedsstaaten und dann Arbeitsmärkte in Drittstaaten in den Fokus nehmen". Lehrberufe sollen attraktiver werden, indem sie alle fünf Jahre evaluiert und modernisiert und neue Lehrberufe geschaffen werden.
Die Rot-Weiß-Rot-Karte wird reformiert, die Antragstellung vereinfach und die Gehaltsgrenzen gesenkt werden.
START-UPS, EPU und KMU: Für innovative Start-ups soll es eine neue Kapitalgesellschaftsform geben. Das GmbH-Mindeststammkapital soll auf 10.000 Euro gesenkt werden. Arbeitszimmer sollen steuerlich leichter abgesetzt werden können, geplant ist eine Pauschalierung. Die Freigrenze für geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG) soll zunächst auf 1.000 Euro angehoben werden und in der Folge auf 1.500 Euro für besonders energiesparende GWG. Private Investoren sollen Verluste aus Beteiligungen in Start-ups künftig auch über mehrere Jahre hinweg mit anderen Einkünften gegenrechnen können.
Tourismus: Im Tourismus soll, wie schon von der letzten Regierung geplant, gegen Airbnb und Co. vorgegangen werden. Eine Registrierungspflicht für alle Anbieter von Privatunterkünften soll eingeführt werden, auf Online-Buchungsplattformen sollen nur beim Finanzministerium registrierte Unterkünfte angeboten werden dürfen.
Auch Unternehmensübergaben in der Familie sollen erleichtert und Abschreibungszeiträume angepasst werden, Potenziale zur "Senkung der Lohnnebenkosten ohne Leistungsreduktion" werden geprüft. Um mehr Arbeitskräfte zu bekommen, soll unter anderem die Rot-Weiß-Rot Karte reformiert und Jahreskontingente für Saisonniers für den Tourismus bedarfsgerecht angepasst werden. Lehrlingsentschädigungen sollen "angemessen" und "attraktiv" sein. Die auf Tourismusfinanzierungen spezialisierte Österreichischen Hotel- und Tourismusbank wird "durch die Zusammenführung der Haftungsrahmen für die Tourismusbetriebe auf 575 Mio. Euro sowie die Schaffung eines mit 50 Mio. Euro dotierten Eigenkapitalfonds gestärkt".
Die Österreich Werbung soll Urlaub "im eigenen Land" fördern, gegen das "Gasthaussterben" im ländlichen Raum soll ein Konzept vorgelegt werden. Auch Maßnahmen gegen Overtourism sollen gesetzt werden, der Fokus wird auf Nachhaltigkeit gelegt. Der Erfolg der Branche soll nicht mehr nur an Nächtigungszahlen gemessen werden, auch ökologische und soziale Dimensionen sollen berücksichtigt werden.