Nur Oligarchin und Detektiv noch flüchtig
Die Akte Ibiza: Täter, Chats und Maulwürfe
20.06.2020ÖSTERREICH bringt Sie mit dem Geheimbericht der Soko Ibiza auf den letzten Stand der Ermittlungen.
Mit dem 378 Seiten starken Akt der Sonderkommission des Bundeskriminalamts – Soko Ibiza – wird vieles in diesem Politthriller klarer: Die Ermittler listen die sieben Hauptbeschuldigten auf, vernehmen die „Statisten“ in dieser Polit-Tragikomödie und dokumentieren spannende Handy-Chats, die auf Helfer der Bande direkt im Innenministerium schließen lassen.
7 Hauptbeschuldigte Fünf Jahre Haft drohen
Erpressung. In den neuen Akten, die ÖSTERREICH vorliegen, werden die mutmaßlichen Haupttäter des Ibiza-Video-Projekts genannt, deren Aktion Heinz-Christian Strache 2019 den Job als Vizekanzler gekostet und der Republik eine deftige Regierungskrise beschert hat.
- Anwalt M. (44): Der Wiener soll einer der beiden Köpfe der Clique sein. Es gilt die Unschuldsvermutung.
- Detektiv H. (39): Er ist untergetaucht, H. war direkt beim Videodreh in der Finca auf Ibiza dabei.
- Der Bosnier K. (53): Der Helfer des Detektivs sitzt bereits in U-Haft.
- S. (39) gilt ebenfalls als einer der Helfer und zählt zum inneren Kreis.
- K. (44) ist der IT-Experte der Ibiza-Clique.
- S. (39) wird von den Ermittlern ebenso zum Team des Detektivs gezählt.
- Und die „unbekannte Täterin alias „Alyona Makarov“, der Lockvogel.
Diesen sieben Personen drohen bis zu fünf Jahre Haft wegen des Verdachts der Erpressung, des Missbrauchs von Tonaufnahmen, der Täuschung und manchen wegen des Verdachts des Suchtgifthandels.
Die "Statisten" : Maklerin, eine TV-Lady und sogar ein Pornostar
Glamour. In einigen Nebenrollen des Videoprojekts finden sich schöne junge Frauen: Eine fesche Immobilienmaklerin, die Detektiv H. oft getroffen hat. Dann auch eine TV-Moderatorin, die nun bereits zum zweiten Mal bei der Soko Ibiza aussagen musste – sie kennt Anwalt M. gut und saß noch 2019 bei ihm in einer teuren Opernball-Loge. Viele Seiten im Kripo-Bericht füllt auch ein Porno-Sternchen: R. ist die aktuelle Lebensgefährtin von Detektiv H., sie hielt per Handy-Chats mit ihm Kontakt.
Und: R. erhielt am 21. 8. 2019 – also noch vor der offiziellen Veröffentlichung der Ibiza-Erzählungen der zwei Redakteure der Süddeutschen Zeitung – die Buchfahne. Sie schickte das PDF an H. weiter, notierte die Kripo.
Die Chats Hilfe aus der Exekutive?
Maulwurf. Politisch brisant sind die Chatprotokolle des Haupttatverdächtigen H. mit seinem engsten Helfer, dem nun bereits in U-Haft sitzenden Bosnier K. Mehrere Passagen der Threema-Kommunikation lassen den Verdacht aufkommen, dass die Video-Clique auf Hilfe aus dem Exekutivbereich zählen konnte und über die Hausdurchsuchungen informiert wurde. Sogar ein Name fällt in diesem sichergestellten Chat. Das Innenministerium bestätigte die Einleitung von Ermittlungen.
Das Kokain : Weiße Spur im Kripo-Akt
Drogen. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Kripo erwähnen mehrmals den Drogenkonsum von in der Ibiza-Causa involvierten Personen. Die ständigen Finanzprobleme mehrerer Tatverdächtiger aufgrund der Kokainsucht könnten auch ein Motiv für die Video-Aktion sein.
Das Motiv : Werbe-Spots für das Video
Projekt. Auch der Soko-Zwischenbericht bestätigt jetzt: Die Verantwortung der Täter, nur ein „zivilgesellschaftliches Projekt“ verwirklicht zu haben, ist nicht sehr glaubwürdig. Für mögliche Abnehmer wurden laut Kripo-Bericht sogar eigene „Promotion-Files“ aus den Videos geschnitten.
Bei Videodreh: Kameras in Krawatte und Becher
Bei der Anschaffung der Ausrüstung für ihr Video-Projekt auf Ibiza hat die Ibiza-Clique rund um Detektiv H. nicht gespart: Die Verdächtigen leisteten sich in Kaffeebecher verbaute Minikameras, dazu eine Krawattennadel mit Kamera und einen mitfilmenden Radiowecker. Zusätzlich klebten sie auch noch eine Lichtschalter-Attrappe an die Fincawand, die ebenfalls mit einer kleinen Kamera ausgestattet war.
Ibiza-Video besteht aus zehn Teilaufnahmen
Filmdreh. Wie die Kripo seit der Sicherstellung einer Speicherkarte weiß, existiert nicht ein komplettes Ibiza-Video, sondern zehn Video- und drei Audio-Mitschnitte.