Ex-Grünen-Chef Alexander Van der Bellen meldet sich wieder zu Wort: In ÖSTERREICH verteidigt er seine Nachfolgerin Eva Glawischnig.
ÖSTERREICH: Viele meinen, bei den Grünen unter der neuen Chefin
Eva Glawischnig einen Linksruck bemerkt zu haben.
Alexander Van
der Bellen: Da hat aber der Linksruck schon unter mir begonnen: Wir
haben unser Steuerkonzept vor einem Jahr vorgestellt. Das beinhaltet eine
Vermögenssteuer. Allerdings eine mit großzügigen Freibeträgen: Der kleine
Häuselbauer wäre da nicht betroffen.
ÖSTERREICH: Aber Sie wirkten besonders auf bürgerliche Wähler anziehend.
Van der Bellen: Das hat vielleicht eher mit meiner Art zu tun. Die Eva ist vielleicht bürgerlicher als ich. Also ich habe mich immer als einen Linken gesehen.
ÖSTERREICH: Aber welche Chancen haben die Grünen bei den künftigen Wahlen?
Van der Bellen: Ich glaube, die Hauptentscheidung ist noch nicht gefallen: Scharen sich alle angesichts dieser Krise um die Großparteien oder nicht. Aber ich glaube, wir haben ein stabiles Potenzial von zehn Prozent plus.
ÖSTERREICH: Der Finanzminister hält am Dienstag die Budgetrede. Es droht ein Rekorddefizit. Was sagen Sie dazu?
Van der Bellen: Sich von einem höheren Defizit nicht schrecken lassen. Diese Drei-Prozent-Maastricht-Grenze, an der wir alle fixiert sind, ist ja völlig willkürlich.
ÖSTERREICH: Sollte Pröll mehr Geld ausgeben?
Van der Bellen: Er sollte vor allem etwas für die Inlandsnachfrage tun – heißt: Eine zweite Steuerreform für kleine Einkommen im Ausmaß von mindestens einer Milliarde. Das kann nur über die Senkung der Sozialversicherungsabgaben und die Erhöhung des Arbeitslosengeldes funktionieren.
ÖSTERREICH: Derzeit streiten aber alle um das Schulbudget.
Van der Bellen: Ja, aber wir brauchen mehr Geld für Bildung. Ein Fünftel der Schulabgänger sind de facto für den Arbeitsmarkt nicht vorbereitet: Die ÖVP als Wirtschaftspartei tut da nichts dagegen. Das ist ja ein Witz.
ÖSTERREICH: Aber ist es nicht ein Problem, dass sich alle Staaten verschulden?
Van der Bellen: Ja, das macht mir Sorgen, es könnte zu einem Phänomen kommen, das „Crowding out“ heißt: Weltweit verschulden sich Staaten, Private bekommen keine günstigen Kredite mehr. Aber dagegen kann der Herr Pröll aus dem kleinen Österreich sehr wenig tun.