ÖSTERREICH exklusiv
Die geheimen Ibiza-SMS von Kurz & Strache
23.06.2020
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Wien. Der 17. Mai 2019 veränderte Österreichs Politiklandschaft grundlegend, die Veröffentlichung des Ibiza-Videos katapultierte die FPÖ und ihren damaligen Parteichef Heinz-Christian Strache aus der Regierung, die Freiheitlichen stürzten bei der Wahl im Herbst auf 16,2 % ab.
Seit Beginn des U-Ausschusses zur Causa Ibiza thematisierte die Opposition wiederholt, dass die SMS-Chats zwischen Strache und Sebastian Kurz in den zur Verfügung gestellten Akten fehlen – immerhin sei ja Straches Handy am 13. August 2019 von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt worden.
Jetzt lichten sich die Nebel etwas: Die Chats zwischen Kanzler und Vizekanzler zeigen viel vom Koalitionsalltag zweier Parteichefs, die nicht immer einer Meinung sind.
Acht SMS zum Ibiza-Video zwischen Kurz & Strache
Krise. Acht SMS aus dieser interessanten, aber politisch nicht belastenden Krisenkommunikation wurden von ÖVP-Chef Kurz und dem damaligen Vizekanzler zwischen Donnerstag, 16. Mai 2019, 21.08 Uhr, und Samstag, 18. Mai, 3.09 Uhr, verschickt:
Donnerstag, 16. 5., 21.08 Uhr, schreibt der Kanzler: „Bitte um Rückruf! Habe jetzt auch Anfragen und will nochmal kurz mit dir reden! Danke“. Strache antwortet: „Heute geht nichts mehr. Aber B. (Anm.: ein Mitarbeiter von Kurz) kann morgen die Fragen und Antworten lesen. Hoffe, deiner Oma geht es besser? Lg“. Offenbar meint der Ex-FPÖ-Chef die schriftliche Anfrage der Redakteure der Süddeutschen Zeitung und des Spiegels zum Ibiza-Video.
Sebastian Kurz fragte dann bei Strache nach: „Na ja, mal schauen, aber danke! Was meinst du mit heute geht nicht mehr. Was kommt da genau?“
HC Strache per Handy: »Viele falsche Vorwürfe«
Silberstein? Der damalige FPÖ-Chef schreibt um 00.50 Uhr zurück: „Halb so wild. Viele falsche Vorwürfe, welche so nicht stattgefunden haben …aber die Frage ist der Auftraggeber … da haben wir zur Zeit ein paar Informanten. Lg“.
Nach seinen Erfahrungen während des Wahlkampfs im Herbst 2017 kommen dann die nächsten Fragen von Sebastian Kurz nicht wirklich überraschend: „Wer steckt dahinter? Silberstein?“
Die nächtliche Konversation wird dann von Strache beendet: „Wenn es so einfach wäre, wäre es schön!“
Am Freitag, am Erscheinungstag des Videos, schreibt der Kanzler um 13.10 Uhr: „Bitte um dringenden Rückruf!“ Die ganze Dimension der für diesen Abend geplanten Veröffentlichung dürfte zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt gewesen sein.
Am Samstag um 3.09 Uhr morgens schickt Strache sein letztes SMS an den Noch-Koalitionspartner: „Wir brauchen mit unserer Entscheidung bis in der Früh. Um 9 Uhr teilen wir sie Dir mit. Um 11 Uhr unser Gespräch, dann um 12 Uhr meine Erklärung! Lg“.
SMS über ORF und Höhe der Mindestpension
Zwist. Auch die zahlreichen SMS, die sich beide Politiker Wochen vor dem „Ibiza-Day“ geschickt haben, zeigen zwar teils heftige Meinungsverschiedenheiten bei gewissen Koalitionsthemen, aber es findet sich kein Wort über einen geplanten Postenschacher, über die Casinos AG oder mögliche Auftragsvergaben. So ist in den ÖSTERREICH vorliegenden Chats nachzulesen, dass Strache in SMS-Debatten für eine höhere Mindestpension (1.200 Euro netto), für die Ablehnung des Migrationspakts und auch für die Abschaffung der ORF-GIS-Gebühr argumentiert.
Nur einmal thematisiert der Ex-FPÖ-Chef gegenüber dem Kanzler eine anstehende Besetzung – der erwähnte Bewerber beim Denkmalamt bekam diesen Job aber nicht.
Protokoll 2: Streit in Koalition
ÖSTERREICH hat weitere Chat-Protokolle, die zeigen, wie Kurz und Strache verhandelten.
Backstage. Neben den geheimen Chat-Protokollen rund um die Ibiza-Affäre hat ÖSTERREICH weitere SMS-Nachrichten, die zeigen, wie der türkise Kanzler und der blaue Vizekanzler politische Themen verhandelten. Durchaus flapsig fragt da Kurz zum Thema Pensionsreform: „Was soll das?“ Von der auf offener Bühne gezeigten Koalitions-Harmonie ist wenig zu bemerken.
Ebenfalls Streitpunkte: Strache besteht auf einer Abschaffung der GIS-Gebühren und auf mehr Geld für das Bundesheer. Auch diese SMS-Chats der zwei Ex-Koalitionspartner sind interessant, aber für den Ibiza-U-Ausschuss oder die Justiz nicht von Relevanz.
Polit-Prominenz wird befragt
Die Ibiza-Untersuchungen im Parlament versprechen an den Sitzungstagen morgen und am Donnerstag wieder spannend zu werden: Am Mittwoch wird ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz befragt, im Anschluss der zuletzt in die Schlagzeilen geratene ÖBAG-Vorstand Thomas Schmid und am späten Nachmittag noch Ex-Finanzminister Hartwig Löger.
Mit bekannten Gesichtern geht es auch am Donnerstag weiter. Geladen sind Finanzminister Blümel, der Aufsichtsratspräsident der Casinos Austria Walter Rothensteiner und Casinos-Chefin Bettina Glatz-Kremsner.
Kurz soll morgen Auskunft über mögliche Postenschacher im Glücksspielbereich geben. SPÖ und Neos wollen ihn zur Offenbarung seines Terminkalenders verpflichten. Er soll sämtliche Einträge von Treffen mit Personen, die einen Konnex zum Untersuchungsgegenstand haben, offenlegen.
(rs)