Prölls Vision

Die geheimen Steuer-Pläne

06.11.2010

Jetzt wird bekannt, was der Finanzminister zu Beginn im Budget plante.

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Das Budget ist viel milder ausgefallen als ursprünglich von der Regierung geplant. ÖSTERREICH liegen die Arbeitspapiere des Finanzministeriums vor. Sie zeigen, mit welcher Härte Josef Pröll das Budget noch im Sommer sanieren wollte.

Wollte Pröll Mehrwertsteuer wirklich auf 20 % anheben?
Konkret listete das Finanzministerium für die Regierungsverhandlungen in mehreren Papieren folgende geplante Maßnahmen auf:

  •  Erhöhung der Lohnsteuer um 958 Millionen Euro durch volle Besteuerung des 13. und 14. Gehalts.
  •  Mehreinnahmen von mehreren Milliarden Euro durch die Vereinheitlichung der Mehrwertsteuer auf 20 %. Heißt: Die mit 10 % besteuerten Lebensmittel und Alltagsprodukte wären mit doppelt so hoher Steuer belegt worden. Als Kompromiss: die Steuer bei Lebensmitteln „nur“ auf 12 % zu erhöhen.
  •  800 Millionen mehr durch die Erhöhung der Mineralölsteuer um 10 Cent pro Liter.
  •  520 Millionen Einnahmen durch höhere Versicherungs- und NOVA-Abgaben für die Autofahrer.
  •  1,7 Milliarden mehr Einnahmen durch höhere Energiebesteuerung von Strom und Heizöl, für das ebenfalls die 10 Cent höhere Mineralölsteuer gelten sollte.
  • Komplette Streichung der 13. Familienbeihilfe.

Erst als die SPÖ ihr Veto gegen die höhere Mehrwertsteuer und die Mineralölsteuer auf Heizöl einlegte – und bessere Konjunkturdaten ohnehin mehr Steuereinnahmen für 2011 erwarten ließen –, rückte Finanzminister Pröll vom Katalog der Grauslichkeiten ab.

Vor allem die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 20 %, die volle Besteuerung des 13. und 14. Gehalts und 10 Cent mehr auf Benzin und Heizöl hätten vermutlich einen regelrechten Aufstand gegen das Budget ausgelöst – verglichen mit Prölls ursprünglichen Plänen nehmen sich die höhere Tabak- und Flugsteuer, die „nur“ 5 Cent mehr auf Benzin und das für so viel Protest sorgende Familien-Sparpaket fast harmlos aus. Statt der Pest gab es nur die Cholera ...

Pröll: "Faymanns Steuer-Reform frommer Wunsch"

ÖSTERREICH: Kardinal Schönborn hat das Budget hart kritisiert. Was hat der Gipfel gebracht?

Josef Pröll: Eines hat Kardinal Schönborn unmissverständlich bestätigt: Wir haben jahrelang über unsere Verhältnisse gelebt, und es ist nichts verantwortungsloser, als unseren Kindern Schulden zu hinterlassen. Das ist ein klares Bekenntnis zum Sparen. Kritik haben die Religionsvertreter vor allem an einzelnen Maßnahmen im Familienbereich geäußert. Hier wird es bis zur endgültigen Beschlussfassung über das Budget noch Gespräche über punktuelle Änderungen geben.

ÖSTERREICH: Wenige Tage nach der Budget-Präsentation hat der Kanzler Ihr Budget zur Disposition freigegeben. Ärgert Sie das nicht?

Pröll: Der Kanzler hat eine Selbstverständlichkeit ausgesprochen, nämlich, dass die Begutachtungsphase noch einen allfällig notwendigen Feinschliff ermöglicht. Er hat aber genauso klargemacht, dass das Sparpaket in seinen Eckpunkten fix ist. Für mich gilt: Das Paket von Loipersdorf und das gemeinsam erarbeitete Sparziel müssen und werden halten.

ÖSTERREICH: Aber sämtliche Minister haben nun erklärt, dass es Härtefälle im Budget gebe, die beseitigt gehören.

Pröll: Wir haben ein Budget und ein Sanierungsprogramm für Österreich vorgelegt, das in den kommenden 4 Jahren mehrere Milliarden Euro bewegt. Das ist eine Mammutaufgabe und wurde über Monate mit jeder Ministerin und mit jedem Minister besprochen und dann gemeinsam beschlossen. Im Grundsatz stehe ich zur Deckelung der Kinderbeihilfe mit Vollendung des 24. Lebensjahres, weil die Alternative gewesen wäre, von den Babys bis zu den 26-Jährigen allen die Kinderbeihilfe zu kürzen. Ich denke, dass ein 24-Jähriger, der bereits eine kostenlose Ausbildung erhält, durchaus auch einen eigenen Beitrag zu seinem Lebensunterhalt leisten kann.

ÖSTERREICH: Faymann hat eine Steuerreform angekündigt.

Pröll: Wir haben derzeit andere Aufgaben zu erfüllen. Erstens das Land aus der Krise zu führen, zweitens den Haushalt gemeinsam zu sanieren und drittens für Wachstum und Beschäftigung zu sorgen. Ich halte daher den geäußerten Plan derzeit für einen frommen Wunsch. Kein Mensch weiß, ob wir in den nächsten Jahren in die glückliche Lage kommen werden, wieder Geld zu verteilen. Mir machen zum Beispiel die explodierenden Kosten der ungerechten Frühpensionen Sorgen. Hier besteht die Gefahr, dass uns das jeden Spielraum nimmt.

ÖSTERREICH: Man hat den Eindruck, der rot-schwarze Konkurrenzkampf nimmt zu, oder?

Pröll: Bei so wichtigen Weichenstellungen wie einem Budget treten klarerweise die unterschiedlichen ideologischen Auffassungen der beiden Parteien stärker zum Vorschein. Wir, die Volkspartei, wollen stärker sparen, während die SPÖ für höhere Steuern und Belastungen eintritt.

ÖSTERREICH: Hannes Androsch initiiert ein Bildungsvolksbegehren. Claudia Schmied will es unterschreiben.

Pröll: Das Bildungsvolksbegehren richtet sich wohl unter anderem auch an Claudia Schmied selbst. Wenn sie es nun selbst unterschreiben will, soll mir das recht sein. Tatsache ist: Claudia Schmied bekommt für ihr Budget ab 2011 jährlich zusätzliche 80 Mio. Euro zum Ausbau der ganztägigen Schulbetreuung. Sie wird einiges zu tun haben, dieses Geld sinnvoll einzusetzen.

ÖSTERREICH: Wie schaut das neue VP-Bildungskonzept aus?

Pröll: Der Ausbau der ganztägigen Schulbetreuung ist für uns ein zentraler Punkt. Gerade für Frauen ist das eine wichtige Maßnahme, um Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern. Gleichzeitig ist das aber auch ein richtiger Schritt im Kampf um bessere Integration und bessere Deutschkenntnisse bei Migranten. Von der Gesamtschule wird man uns nicht überzeugen können. Wir wollen Vielfalt statt Einfalt, wir wollen Leistungsorientierung statt Nivellierung.

ÖSTERREICH: ORF-General Wrabetz hat einen Abwahlantrag gegen Oberhauser eingebracht. Was halten Sie von den Entwicklungen im ORF?

Pröll: Die Entwicklungen beim ORF sind dramatisch. Wrabetz hat sich 2006 als Reformer feiern lassen und viel versprochen. Seitdem erleben wir eine endlose Kette von Flops und Fehlentscheidungen. Die Qualität leidet, die Zuschauer wenden sich ab und Privatsender sind auf der Überholspur. Der immer stärker werdende parteipolitische Einfluss der SPÖ tut dem Medienflaggschiff Österreichs, dem ORF, sicher nicht gut. Raus mit dem politischen Einfluss und rein mit mehr Qualität! Das muss unsere Devise sein.

ÖSTERREICH: Soll es eine vorgezogene Wahl im ORF geben, wie von der Stiftungsratsvorsitzenden gefordert?

Pröll: Das wirkt ein wenig wie eine Panik-Aktion, weil die Zauberlehrlinge im SPÖ-Stiftungsrat offenbar die Nerven wegschmeißen.

ÖSTERREICH: Ihr Verhältnis zu Ihrem Onkel Erwin Pröll wirkt derzeit gespannt?

Pröll: Politik ist keine Beziehungskiste. Erwin Pröll und ich haben ein persönlich sehr herzliches und freundschaftliches Verhältnis, wir haben laufend Kontakt. Dass der Landeshauptmann von Niederösterreich und der Bundesminister für Finanzen ab und an unterschiedliche Interessen zu vertreten haben, liegt in der Natur unserer Funktionen. Daraus braucht man keinen Konflikt zu konstruieren. Erwin Pröll und ich verstehen uns gut.

ÖSTERREICH: Diese Woche wird wohl Rot-Grün in Wien fixiert. Was halten Sie davon?

Pröll: Dazu mehr, wenn es so weit ist. Viele Linke träumen ja schon seit Jahren von Rot-Grün. Wie das dann bei Tageslicht ausschaut, werden wir sehen.

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