Politik-Insider
Die geheimen Wahl-Szenarien: WER WANN mit WEM regiert
09.08.2024
Kanzler Nehammer hat beste Karten: Kommt ÖVP-SPÖ-Neos oder Schwarz-Blau?
In genau 50 Tagen findet die Nationalratswahl statt – und die wird knapper, als die Umfragen zuletzt vermuten ließen.
Zwar liegt die FPÖ derzeit weiterhin auf Platz 1 – so auch in der aktuellen Lazersfeld-Umfrage (siehe Seite 6). Aber: Die ÖVP sieht sich in einer parteiinternen Umfrage von Meinungsforscher Franz Sommer bereits Kopf an Kopf mit der FPÖ. Vieles spricht im Finish für Karl Nehammer, so die ÖVP-Strategen.
Tatsächlich gibt es derzeit drei Szenarien, wie es nach der Wahl weitergeht:
Szenario 1
Wenn Herbert Kickl bei der Wahl Platz 1 schafft, ist noch lange nicht gesagt, dass er auch Kanzler wird. „Die FPÖ muss 30% erreichen, damit Kickl von Van der Bellen den Regierungsauftrag bekäme“, so ein FPÖ-Stratege. Das Kalkül der Blauen: Mit 30 % könnte die FPÖ – sollten die Kleinparteien den Einzug in den Nationalrat verpassen – ein Drittel der Mandate haben. Dann wäre kein Verfassungsgesetz gegen die FPÖ möglich. „In diesem Fall wäre eine Regierung ohne die FPÖ fast unmöglich, dann könnten wir jedes große Gesetz blockieren“, heißt es aus Kickls Umfeld.
Offen bleibt, wie die FPÖ die ÖVP zu einer Regierung bewegen will. Das ginge nur, indem man der ÖVP de facto alle Schlüsselressorts überlässt (Finanzen, Justiz, Inneres).
Die ÖVP würde aber wohl nur in eine blau-schwarze Koalition gehen, wenn sie doch nur Dritter wird und statt Nehammer jemand anderer (möglich wäre Ex-OÖ-Landesrat und WKO-Generalsekretär Wolfgang Hattmansdorfer oder Staatssekretärin Claudia Plakolm) den Vize macht. „Dass Nehammer selbst als Juniorpartner mit Kickl koaliert, ist ausgeschlossen“, ist der einheitliche Tenor aus der ÖVP.
Dass die FPÖ als Erster der ÖVP noch einmal das Kanzleramt überlässt, schließen hingegen alle Blauen (derzeit) aus. „Den Haider-Fehler machen wir sicher nicht noch einmal, das hat sich wie ein Trauma bei uns festgebrannt“, so ein FPÖ-Landeschef.
Szenario 2
In der FPÖ geht man daher hinter vorgehaltener Hand bereits davon aus, dass die Blauen nach der Wahl nicht in einer Regierung sitzen. „Wenn Nehammer Zweiter wird, dann ist eine ÖVP-SPÖ-Neos-Koalition bereits ausgemacht“, so die blaue Erzählung, die von der ÖVP freilich dementiert wird. Wird Nehammer knapp Zweiter und liegt die FPÖ nicht über 30 %, würde er mit ziemlicher Sicherheit den Regierungsbildungsauftrag von Van der Bellen bekommen (mit dem Argument, dass niemand mit Kickl koalieren will).
In der Tat gibt es auch in der ÖVP mittlerweile gewichtige Stimmen (von den Landeshauptleuten bis hin zur Wirtschaft), die sich eine Neuauflage der einstigen großen Koalition mit pinkem Reform-Beiwagerl wünschen.
Schwarzer Wunschkandidat für so eine Zusammenarbeit ist der Wiener SPÖ-Finanzstadtrat Peter Hanke als Vizekanzler (der sich auch persönlich bestens mit Nehammer versteht). Dem Wahlverlierer Andreas Babler bliebe in diesem Fall nur noch die Position des entmachteten SPÖ-Parteichefs.
Offen ist freilich, welches Ressort Hanke übernehmen würde: Zuletzt wurde das Finanzministerium kolportiert. Aus der Wiener SPÖ heißt es aber, dass Hanke in einem Super-Infrastrukturministerium à la Faymann (inklusive Wirtschafts-Transformationsfonds) viel mehr Handlungsspielraum hätte als in dem durch Sparzwänge eingeengten Finanzministerium.
Szenario 3
In der ÖVP glaubt man – beflügelt durch das knappe EU-Wahl-Ergebnis –, dass Nehammer die FPÖ noch einholen wird. Dann hätte der Kanzler alle Karten in der Hand. Inhaltlich wäre eine schwarz-blaue Koalition naheliegender als ÖVP-SPÖ-Neos. Bei fast allen Themen – von Migration bis Wirtschaft – wäre sich die ÖVP mit der FPÖ schnell handelseins. Lösen müsste man freilich das Kickl-Dilemma: Nehammer schließt eine Koalition mit dem FPÖ-Chef kategorisch aus. Aber das hat die ÖVP in NÖ und Salzburg mit Landbauer und Svazek vor der Wahl auch getan.
Ein mögliches Exit-Szenario: Kickl wird Vizekanzler ohne großes Ressort und ins Finanz- und Innenministerium kommen „gemäßigte Blaue“ oder ein „Unabhängiger“ wie Finanzprokuratur-Chef Wolfgang Peschorn. Dann würden beide Seiten ihr Gesicht wahren.