Als erster hochrangiger SPÖ-Politiker gibt Wiens Bürgermeister Michael Häupl im Interview mit ÖSTERREICH dem VP-Chef Pröll "Contra".
ÖSTERREICH: Wie beurteilen Sie das Aussetzen der Regierungsbildung durch
Josef Pröll?
Häupl: Ich bin gar nicht glücklich über die
Vorgangsweise der ÖVP. Die 10 Fragen sind nicht das Problem – die sind
leicht zu beantworten, der Großteil ist ja durch die Arbeitsgruppen ohnehin
schon ausverhandelt. Ich sehe das eigentlich als Pflanzerei – da kann man
sagen: Schwamm drüber. Das wahre Problem liegt ganz woanders: Die Wähler
haben den dringenden Wunsch, dass ÖVP und SPÖ in schwierigen Zeiten eine
stabile Regierung bilden – die wollen alles, nur ganz sicher keine
Pflanzereien mehr, keine parteitaktischen Spielchen, kein more of the same
from Schüssel. Noch einmal diese Schüssel-Spielchen, das will keiner mehr in
diesem Land. Garantiert!
ÖSTERREICH: Und Sie glauben, hinter dieser neuen Pröll-Taktik steckt
Schüssel?
Das riecht nach Schüssel! Ich will bewusst kein
Theater draus machen – ich warne nur: Wenn die Beantwortung der 10 Fragen
wieder nicht reicht, wenn da wieder diese Schüssel-Spielchen losgehen, wie
wir sie schon 1999 und 2006 erlebt haben, dann wird da ein nicht reparabler
Schaden draus werden. Die Wähler sind „ang’speist“ bis oben, die haben genug
von Schüssel-Spielchen, die hatten die Hoffnung, dass mit Pröll und Faymann
ein neuer Stil einzieht. Und ich werde gemeinsam mit Werner Faymann darauf
achten, dass die SPÖ da jetzt von Pröll nicht in einen Strudel nach unten in
der Wählergunst gezogen wird – die Menschen sind am Ende der Geduld. In
Zeiten wie diesen gibt’s für Pflanzereien und Spaßetteln wie diese 10 Fragen
kein Verständnis mehr.
ÖSTERREICH: Sie waren zuletzt immer öfter ein Skeptiker der Großen
Koalition ...
Ich bin ein Befürworter der Großen Koalition, wenn
sie von jenen der ÖVP getragen wird, die eine wirkliche Zusammenarbeit
wollen, und da hat Josef Pröll immer dazugehört. Ich bin ein Gegner einer
Koalition der Pflanzerei, wie sie Schüssel kultiviert hat, der ja noch immer
das Wahlergebnis von 2006 reparieren will. Wir leben in einer Demokratie und
nicht in einer Befindlichkeits-Therapiegruppe.
ÖSTERREICH: Glauben Sie eigentlich noch an das Zustandekommen einer
Großen Koalition Pröll - Faymann?
Die Hoffnung stirbt
zuletzt. Es ist der Wunsch der großen Mehrheit der Wähler, dass es zu dieser
Zusammenarbeit kommt, weil es ja keine Alternative gibt. Die eine
Alternative wäre eine Koalition ÖVP - FPÖ, wie wir sie ja bereits hatten -
diesmal angereichert um den politischen Spaßfaktor BZÖ. Aber das ist ja
jetzt keine Zeit für reaktionäre Späßchen. Und die andere Alternative wäre
eine Minderheitsregierung der SPÖ - die den Riesen-Nachteil hat, dass das
Wort „Minderheit“ vor dem Wort „Regierung“ steht und das also nur ein Umweg
zu Neuwahlen wäre.
ÖSTERREICH: Sie sind kein Befürworter einer SPÖ-Minderheitsregierung?
Da können wir gleich Neuwahlen machen - ich bin mir sicher, dass die SPÖ
derzeit bei Neuwahlen sehr gut abschneiden würde, weil die Wähler würden es
der ÖVP nie verzeihen, wenn sie noch einmal zu Neuwahlen ruft. Nur:
Neuwahlen wären völlig unzumutbar. Wir können ja in diesem Land nicht
solange wählen, bis die ÖVP endlich ihre Befindlichkeiten therapiert hat.
ÖSTERREICH: Welchen Rat haben Sie an Pröll und Faymann?
Von Josef Pröll, den ich schätze, wünsche ich mir, dass er jetzt den nötigen
Mut zeigt, um in einer wirtschaftlich schwierigen Situation die
Zusammenarbeit zu wagen. Ich habe an Josef Pröll und die ÖVP ja nicht 10
Fragen, sondern nur eine einzige: Habt Ihr Mut genug, eure parteitaktischen
Spielchen einzustellen und endlich für das Land zu arbeiten. Wenn nicht -
dann sagt es bitte.