Ziel der Direktoren ist es, die Entscheidung über die Art der Deutschförderung an die Schulen zu verlagern.
Direktoren an Wiener Schulen stellen einen Boykott bzw. eine Umgehung der ab Herbst beschlossenen Deutschförderklassen in den Raum. "Wir hoffen, dass unsere gewerkschaftliche Vertretung uns unterstützt, wenn wir Dinge tun müssen, die das Gesetz vielleicht nicht so vorsieht", formulierte es die Leiterin der Volksschule Vereinsgasse, Gabriele Lener, bei einer Pressekonferenz Dienstagabend.
"Wir werden versuchen, Möglichkeiten zu finden, die den Kindern gerecht werden", so Lener. Die Direktorin der AHS Rahlgasse, Ilse Rollett, schloss Deutschklassen an ihrer Schule kategorisch aus - wobei die nötige Zahl jener außerordentlichen Schüler, für die diese Klassen gedacht sind, an AHS meist nicht erreicht werden.
Autonomie der Schule
Direktoren, Lehrer, Sprachwissenschafter und Eltern haben sich zu einer "Plattform zur schulautonomen Umsetzung von Sprachfördermaßnahmen" zusammengeschlossen. Ihr Ziel ist es, die Entscheidung über die Ausgestaltung von Sprachfördermaßnahmen in die Autonomie der Schule zu verlagern - also etwa ob oder in welchem Ausmaß Kinder mit Sprachproblemen aus ihren Stammklassen zur Sprachförderung herausgenommen werden.
"Es mag Schulstandorte geben, an denen Deutschklassen Sinn machen - an meinem sicher nicht", betonte der Direktor der Volksschule Bernhardtstalgasse in Wien-Favoriten, Horst Pintarich. Abgesehen davon, dass das Modell etwa in Berlin nicht funktioniert habe, stehe er bei sich vor kaum unlösbaren organisatorischen Herausforderungen. Er eröffne im Herbst fünf erste Klassen, für die es genau fünf Räume gebe. Aufgrund der zu erwartenden Zahl an außerordentlichen Schüler müsse er aus fünf durchmischten Klassen drei Sprachförderklassen einrichten.
Angst vor Gettoschulen
Die verbleibenden ordentlichen Schüler aus den fünf bestehen bleibenden Klassen - in diese müssen die außerordentlichen Schüler nach Erlangung der nötigen Sprachkompetenz ja wieder zurückkehren - wiederum müssten dann wieder neu zusammengemischt werden. "Sonst würden ja nur acht oder zehn Kinder pro Klasse übrigbleiben. Alles andere wäre eine Ressourcenverschwendung", so Pintarich. "Meine Befürchtung ist, dass die Eltern der deutschsprachigen Schüler, wenn sie mitbekommen, dass ihre Kinder auch betroffen sind, sich eine Schule am Stadtrand suchen und meine Schule eine Gettoschule wird." An einen Boykott will er wiederum noch nicht denken. Er hofft vielmehr auf Änderungen der Vorgaben.
"Mehr als besorgniserregend" sind die Vorgaben für die Volksschullehrerin Susanne Panholzer-Hehenberger. "Sechsjährige lernen ja nicht eine Sprache, indem sie in einer Klassen Vokabel lernen." An ihrem Standort würden voraussichtlich rund 20 von 70 Erstklasslern außerordentliche Schüler sein und in eine Deutschklasse kommen. "Diese Kinder werden ausgeschlossen vom Rechnen und vom Sachunterricht." Meist handle es sich dabei nicht um Flüchtlingskinder, sondern um solche aus bildungsfernen Schichten. Diese bräuchten nicht zuletzt fixe soziale Gruppen. "Wenn man diese Kinder von den anderen trennt, nimmt man ihnen das pädagogische Vorbild, das Sprachvorbild und auch das Vorbild an Lernkultur."
Schlechte Erfahrungen mit Flüchtlingsklassen
Erfahrungen mit reinen Flüchtlingsklassen an ihrer Schule hat die Direktorin der NMS Schopenhauerstraße in Wien-Währing, Erika Tiefenbacher. "Diese Kinder können heute schlechter Deutsch als jene Kinder, die in der Regelklasse waren." Weiteres Problem: Aufgrund der gesetzlichen Vorgaben müssten die Kinder in NMS-Deutschklassen zwei Drittel des Unterrichts in der Deutschförderung verbringen. Damit würden sie aber aufgrund des fehlenden Fachunterrichts automatisch das Jahr verlieren. In vielen Fällen führe das dazu, dass sie keinen Hauptschulabschluss schaffen könnten.
Am Samstag Nachmittag (9. Juni) soll es zusammen mit anderen Bildungs-Aktionsgruppen eine Demonstration mit Abschlusskundgebung am Minoritenplatz vor dem Bildungsministerium geben.