Bundeskanzler Gusenbauer und Vizekanzler Molterer rauchten gestern die Friedenspfeife. Heute sollen in größerer Runde schon konkrete Punkte verhandelt werden.
Keine Rede mehr von Neuwahl: Viel schneller als erwartet beschlossen Kanzler und Vize gestern unter vier Augen den „Osterfrieden“ – heute werden schon die Details für den „Neustart“ verhandelt. Die Stimmung war dem österlichen Wintereinbruch angemessen: extrem frostig. Um 15.30 Uhr trafen sich Kanzler und Vize zum erst für heute erwarteten „Friedensgipfel“.
Der Termin fand – wie gestern in ÖSTERREICH exklusiv angekündigt – auf Wunsch Gusenbauers nur unter vier Augen statt. Der Kanzler ließ dem fröstelnden VP-Obmann Tee servieren und begann das Gespräch mit einem kryptischen: „So geht's nicht.“
Streit bis zuletzt
Wie zwei pubertäre Lausbuben hatten sich Gusi
und Molterer bis wenige Minuten vor ihrem „amikalen“ Friedensgespräch
befetzt. Gusenbauer kam direkt aus dem Parlament, wo er unmittelbar vor dem
Molterer-Termin seine persönlichen „Experten“ zur Vorziehung der
Steuerreform versammelt hatte.
Blöde Spielereien
Molterer, der diese Experten-Versammlung
als „Provokation“ sieht, reagierte trotzig – er gab vor dem
Gusenbauer-Meeting ein halbes Dutzend Interviews, in denen er dem Kanzler
seine Bedingungen für einen „Neustart“ der Regierung ausrichten ließ.
Gusenbauer, der solcherart fünf Minuten vor dem Treffen mit einem wahren
Bombardement von Molterer-Interviews überschüttet wurde, reagierte zornig:
„Ich habe keine Zeit für solche blöden Spielereien!“ Sprach’s – und eilte
vom Parlament zum Molterer-Friedenstermin.
Frostiger Beginn
Entsprechend frostig verlief der Beginn.
Gusenbauer jammerte über den „schlechten Stil“, Molterer beschwerte sich
über die „Provokationen“. Doch rasch kamen die beiden zur
Sache.
Schwarze Bedingungen
Molterer präsentierte dem Kanzler jene
„Voraussetzungen zur Weiterarbeit“, die er ihm schon über Interviews
ausgerichtet hatte – und die er zuvor mit Wolfgang Schüssel ausgeklügelt
hatte.
- Man müsse sich darauf einigen, dass im Herbst wieder ein Doppelbudget beschlossen werde – und Eckpunkte festlegen.
- Man müsse „eine Plattform“ für die Gesundheitsreform finden.
- Der Fahrplan für die Steuerreform 2010 darf nicht verändert werden, dafür sei die ÖVP bereit, „gemeinsam Initiativen gegen die Teuerung zu setzen“.
- Im Parlament dürfe es kein gegenseitiges Überstimmen geben.
Rote Antwort
Der Kanzler hielt dagegen: Bei der Steuerreform
müsse ein Vorziehen möglich sein, bei der Teuerung sei Handeln notwendig,
die Gesundheitsreform müsse die Krankenkassenfinanzierung sicherstellen.
Gusi nannte gleich zwei Kompromisse: Doppelbudget okay – wenn die Steuerreform enthalten ist. Und: Kein Überstimmen im Parlament – wenn der U-Ausschuss arbeiten kann.
Amikales Ende
Obwohl die beiden in den Sachpunkten Lichtjahre
auseinander lagen, endete das Gespräch versöhnlich. Kein Wort mehr von
Neuwahl – dafür wurde fixiert, dass sich beide heute um 10 Uhr mit ihren
Koordinatoren Pröll und Faymann treffen, um die Details des
„Arbeitsprogramms“ für den Neustart der Regierung zu besprechen.
Ohne Schüssel
Auffallendes Detail: Auf Wunsch Gusis wird bei
diesem Gespräch Schüssel nicht – wie ursprünglich geplant – dabei sein.
Statt dem ÖVP-Sprengmeister übernehmen die „Regierungs-Harmoniker“ Faymann
und Pröll die Regie. Sie sollen alle Punkte für den „Neustart“
feinsäuberlich notieren – und dann in gewohnt konstruktiver Art
„koordinieren“. Ob sie bei so heiklen Themen wie Steuerreform einen
Kompromiss finden, ist fraglich. Aber in beiden Parteien heißt es: „Der
Druck ist weg, Neuwahlen vor dem Sommer sind ausgeschlossen. Jetzt wird ein
Kompromiss gesucht – und im Herbst wird gewählt.“