"Zeichen stehen klar auf Diktatur und so ein Staat hat in EU nichts verloren"
Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) fordert nun als erstes Regierungsmitglied unumwunden einen Stopp der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei. "Die Zeichen stehen ganz klar auf Diktatur und so ein Staat hat in der EU nichts verloren", betonte Doskozil im APA-Gespräch. Es sei der Zeitpunkt gekommen, klar zu sagen, dass die Verhandlungen "auszusetzen beziehungsweise zu beenden sind".
Kern-Vorstoß
Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) hat am Mittwoch in der "ZiB 2" angekündigt, am 16. September im EU-Rat den Abbruch der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zur Diskussion stellen zu wollen - denn die Verhandlungen seien ohnehin "nur noch diplomatische Fiktion".
"Ich bin der Meinung, dass der Zeitpunkt gekommen wäre, nicht über die Visa-Liberalisierung zu diskutieren, sondern auch klar zu sagen, dass die Beitrittsverhandlungen der Europäischen Union mit der Türkei auszusetzen beziehungsweise zu beenden sind", sagte Doskozil zur APA. Es wäre jetzt angebracht, deutlich aufzutreten, meinte der SPÖ-Minister und ergänzte, "immer gegen den Beitritt der Türkei" gewesen zu sein.
Wenn man sehe, dass Richter, Journalisten, Polizisten und Militärs inhaftiert und laut Bildern höchstwahrscheinlich teilweise auch gefoltert würden, "ist die Türkei am besten Weg, eine Präsidialdiktatur zu etablieren", kritisierte der Minister. "Jetzt zeichnet sich ganz klar ab, dass sich die Türkei in eine Richtung entwickelt, die in keiner Weise mit den europäischen Werten in Einklang zu bringen ist." Die Rolle der EU sei eine "sehr defensive", merkte Doskozil an. "Ich glaube schon, dass die Europäische Union hier das Heft in die Hand nehmen müsste und klar sagen müsste, was sie davon hält", forderte der Minister.
Gegen Visa-Liberalisierung
Auch beim Thema Visa-Freiheit - die Türkei stellte hier zuletzt ein Ultimatum und drohte mit einer Kündigung des Flüchtlingsdeals - bremst Doskozil: Wenn man höre, was passiert und dass möglicherweise von der Türkei sehr großzügig Staatsbürgerschaften (an Syrer) vergeben würden, gebe es derzeit "keine konkreten Anhaltspunkte", in Richtung Visa-Liberalisierung zu gehen.
Der Flüchtlingsdeal bedeute nicht unbedingt eine Abhängigkeit der EU von der Türkei, findet der Minister. Die Türkei sei wirtschaftlich "sehr abhängig" von der Union. Außerdem könne man von der EU erwarten, "dieses Thema auch selbstständig zu lösen", sprach sich Doskozil einmal mehr für eine stärkere Rolle der EU aus. "Man braucht sich in dieser Frage nicht in eine Abhängigkeit begeben, schon gar nicht in eine Abhängigkeit zur Türkei."