Arigona und Nurie Zogaj mussten am Donnerstag zum Amtsarzt. Das Gutachten könnte die Abschiebung verhindern. Der VfGH äußert aber Zweifel.
In drei Wochen beginnen in Oberösterreich die Sommerferien. Eine Freude für alle Schüler, doch einem 16-jährigen Mädchen geht es täglich schlechter: Arigona Zogaj. „Mir geht’s furchtbar, weil der Druck immer größer wird“, so Arigona gegenüber ÖSTERREICH. Letzte Rettung verspricht sich die Familie Zogaj mit einer Verfassungsbestimmung, wonach eine Abschiebung im Krankheitsfall nicht möglich ist. Im Kosovo ist der Vater verschollen, die Familie wäre alleine verloren.
Zweifel beim VfGH
Das humanitäre Bleiberecht, das auch den Fall
Arigona betreffen würde, war am Freitag Gegenstand der ersten öffentlichen
Verhandlung des neuen VfGH-Präsidenten Gerhart Holzinger. Konkret ging es um
die Frage, ob Betroffene selbst das Recht haben müssen, eine humanitäre
Niederlassungsbewilligung zu beantragen. Derzeit kann dieser
Aufenthaltstitel nur "von Amts wegen" - und nur mit Zustimmung des
Innenministers - beantragt werden. Während der Verhandlung äußerten die
Richter teils recht deutlich ihre Zweifel an der Verfassungskonformität der
Bestimmungen. Ein Urteil wurde am Freitag noch nicht gefällt. Um die Causa
Zogaj selbst ist es in der Verhandlung aber nicht gegangen. Die Beschwerden
Arigonas und ihrer Mutter - dagegen, dass Innenminister Günther Platter (V)
ihnen keine humanitäre Niederlassungsbewilligung erteilt - werden in einem
eigenen Verfahren behandelt.
Experten gegen Platter
Der Wiener Menschenrechtsanwalt Georg
Bürstmayr erläutert im Gespräch mit ÖSTERREICH: „Das ist kein Extrawürstel,
das für Arigona gebraten wird, sondern verfassungsrechtlich vorgeschriebene
Routine, die in allen Fällen der Abschiebung so stattfindet.“ Konkret
handelt es sich um den Artikel 3 der Menschenrechtskonvention EMRK. Diese
verbietet, das Menschen erniedrigend behandelt werden – und steht bei uns in
der Verfassung. „Die Abschiebung einer kranken Person wäre eine
unmenschliche Behandlung.“ Ob Arigona ohne ihre Mutter abgeschoben werden
könnte, beurteilt der Rechtsexperte so: „Hier stellt sich die Frage der
Verhältnismäßigkeit. Es muss berücksichtigt werden, dass sich damit der
Gesundheitszustand der Mutter verschlechtern könnte.“ Erst zu Pfingsten
unternahm Nurie Zogaj einen Selbstmordversuch, sie macht nun eine
Psychotherapie in Vöcklabruck.
Amtsarzt-Termin
Nurie Zogaj, die vergangene Woche mit einer
Unmenge an Tabletten entlassen wurde, musste am Donnerstag um 14 Uhr mit
Arigona in Vöcklabruck zum Amtsarzt der BH, damit deren Gesundheitszustand
offiziell geklärt wird. Der Vöcklabrucker Bezirkshauptmann Peter Salinger zu
ÖSTERREICH: „Das war eine medizinische Untersuchung der beiden Damen. Ich
erwarte das Gutachten nächste Woche.“ Arigona sieht dem Gutachten
zuversichtlich entgegen, sie hat „einen positiven Eindruck, da der Zustand
der Mutter vom Amtsarzt erkannt wurde“. Das Gutachten geht zuerst zum
Innenminister nach Wien, von dort wieder zurück zur BH Vöcklabruck.
Ein weiteres Gutachten im Auftrag des oö. Landesrats Rudi Anschober gibt Familie Zogaj Rückendeckung. „Das Gutachten eines renommierten oö. Kinder- und Jugendpsychiaters besagt, dass eine Abschiebung absolut denkunmöglich ist“, so Anschober zu ÖSTERREICH. Auch für Pfarrer Friedl, der Arigona seit dem Vorjahr betreut, ist klar: „Eine Abschiebung ist mit derzeitigem Gesundheitszustand unmöglich.“
VP-Regierungskoordinator Josef Pröll stärkt Innenminister Günther Platter im ÖSTERREICH-Gespräch noch den Rücken: „Recht muss Recht bleiben, unabhängig vom Einzelfall. Das ist eine ganz schwierige politische Herausforderung. Beim Höchstgericht ist diese Entscheidung zu treffen.“