10 Jahre Wende
"Ehrgeiz der Protagonisten befriedigt"
04.02.2010
Ehemalige SPÖ-Granden sehen das als Grund für das Zustandekommen der schwarz-blauen Wendekoalition im Jahr 2000.
Auch zehn Jahre nach deren Beginn tun sich frühere SPÖ-Minister schwer, die schwarz-blaue Ära zu verwinden. Ex-Finanzminister Rudolf Edlinger und seine damalige Kollegin im Sozialministerium Lore Hostasch traten gemeinsam mit dem Politologen Emmerich Talos in einer Pressekonferenz an, eine vernichtende Bilanz über die sieben Jahre der Regierung Schüssel zu ziehen. Beklagt wurde alles Mögliche von der Verscherbelung des Staatsvermögens durch die Privatisierungen bis zur Gestaltung des Kindergeldes, gelobt wurde nichts.
"Persönlicher Ehrgeiz der Protagonisten"
Edlinger
zeigte sich überzeugt, dass es zu der Verbindung aus ÖVP und FPÖ vor allem
deshalb gekommen sei, um den persönlichen Ehrgeiz der Protagonisten zu
befriedigen. VP-Chef Wolfgang Schüssel habe unter der Position der Nummer 2
gelitten, FP-Obmann Jörg Haider unter der Isolation seiner Partei. Überhaupt
sei damals Politik stark von Selbstdarstellung geprägt gewesen, befand der
ehemalige Finanzminister in Richtung seines Nachfolgers Karl-Heinz Grasser
(F, später V).
"Nulldefizit nur durch Tricks erreicht"
Inhaltlich
vernichtete er die Grasser-Politik ebenfalls. Gepasst hat Edlinger da wenig
- von den Privatisierungen, die noch dazu unter Preis durchgeführt worden
seien, bis hin zum Nulldefizit, das nur durch Tricks erreicht worden sei und
eigentlich auch nicht das Ziel hätte sein sollen, müsste der Finanzminister
doch der wichtigste Wirtschaftspolitiker und nicht oberste Buchhalter des
Landes sein.
10 Prozent minus für Pensionisten
Besonders scharfe Kritik
übten Edlinger und Hostasch an den Pensionsreformen, die nur insofern
nachhaltig seien, als den Senioren durch die geringen Anpassungen ihrer
Renten auf Dauer Inflationsverluste von zehn Prozent übrig geblieben seien.
Hostasch beklagte ferner, dass das Kindergeld aus dem auch von Arbeitnehmern
finanzierten Familienlastenausgleich bezahlt werde, wodurch es zu einer
Umverteilung von Berufs- zu Nicht-Berufstätigen gekommen sei.
"Menschenhatz" gegen Sallmutter
Sichtlich erzürnt ist
sie auch noch, was die Ablöse von Hans Sallmutter als Präsident des
Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger angeht - "eine Menschenhatz
sondergleichen".
"Schmuddelkinder" in hohen Ämtern
Schließlich
kritisieren die früheren SPÖ-Minister, dass die Hemmschwellen während der
schwarz-blauen Ära gesunken seien: "Politische Schmuddelkinder befinden sich
heute in hohen Staatsfunktionen", ärgerte sich Edlinger und nannte auf
Nachfrage den Dritten Nationalratspräsident Martin Graf (F) als Beispiel.
Hostasch bemängelte, dass es heute als Normalität hingenommen werde, wenn
zwei rechtskräftig verurteilte Abgeordnete weiter im Parlament sitzen.
Positives zu Schwarz-Blau fiel dem Podium fast nichts ein. Talos erwähnte die NS-Entschädigungszahlungen auf Nachfrage lobend. Sonst bekrittelte auch er umfassend die Sozialpolitik von ÖVP und FPÖ, die von unten nach oben verteilt habe.