NÖ-Landeshauptmann Erwin Pröll führt ab Juli die Bundesländer an. Im Interview stellt er klar, dass das für die Regierung nicht gemütlich wird.
Gut gelaunt und angriffslustig gibt sich NÖ-Landeshauptmann Erwin Pröll im ÖSTERREICH-Gespräch. Bisher hat er offiziell über den Ärger geschwiegen, den ihm seine ÖVP bereitet hat, als sie ihn nicht zur Bundespräsidentenwahl nominierte.
„Bis ins Innerste froh“ sei er, dass er die Kandidatur abgesagt hätte. Sagt er. Im Idyll des sonnigen Nachmittags im Alten Klosterkeller zu Dürnstein klingt das sogar glaubwürdig. Dann macht er aber aus seinem Groll über den „Vizekanzler und Parteiobmann“, seinen Neffen Josef Pröll, kein Hehl und stellt unmissverständlich fest, dass er die Nicht-Kandidatur für einen Fehler hält.
Am Donnerstag wird Pröll den Vorsitz in der Landeshauptleute-Konferenz übernehmen und Niederösterreich den im Bundesrat. Im Interview macht Pröll klar, dass er diese Rolle ernster nehmen wird. Es geht ihm zu wenig weiter in der Bundesregierung. Er hat sich für die zweite Jahreshälfte eine ehrgeizige Agenda gesetzt – von der Steuer- zur Bildungspolitik.
Eines steht jedenfalls fest: „Für Spompanadln“ bleibt keine Zeit.
ÖSTERREICH: Herr Landeshauptmann, Niederösterreich übernimmt
ab 1. Juli den Vorsitz im Bundesrat. Woran wird das Österreich merken?
Erwin
Pröll: Es geht darum, dass bis Ende des Jahres eine Reihe
grundlegender Fragen gelöst werden muss. Die Verwaltungsreform ist ein
Punkt, die steuerpolitische Lage und die Budgetsituation bis hin zur
Bildungspolitik sind weitere. Ich werde da meine Erfahrung aus 18 Jahren als
Landeshauptmann und die Reformdynamik der Bundesländer einbringen. Derzeit
werden ja vor allem gedankliche Eintagsfliegen am laufenden Band produziert …
ÖSTERREICH: Sie meinen die Spitalschließungen …
Pröll:
Unter anderem. Ich werde mich mit Sicherheit nicht als täglicher Kommentator
von irgendwelchen Gedankenergüssen, die irgendjemandem über Nacht einfallen,
betätigen. Ich erwarte mir akkordierte Diskussionsvorschläge vonseiten der
Bundesregierung – für Spompanadln und Lustigkeiten hab’ ich nichts übrig.
ÖSTERREICH: Niederösterreich stellt fest: So geht’s nicht
weiter, es muss etwas geschehen …
Pröll: Keine
Frage. Die Zeit ist reif für eine Reihe von Reformschritten. Der Ball liegt
am Ballhausplatz. Ich sehe beispielsweise keine großen Differenzen in der
Reform der Bildungspolitik. Da haben Bürgermeister Häupl und ich einen
Vorschlag eingebracht, dem sich auch der Bund annähert. Im Kern heißt das:
Die Grundsätze mit den Lehrzielen gibt der Bund vor, die Ausführung, also
die organisatorische Schulstruktur, unterliegt den Ländern.
ÖSTERREICH: Apropos Schule: Stimmen Sie mit Ministerin Karl
überein, die für die Gesamtschule ist?
Pröll:
Ich bin für den nö. Weg, dass wir den 10- bis 12-Jährigen im gemeinsamen
Unterricht die Chance geben, ihre Talente zu entwickeln, und ihnen mehr Zeit
für die Ausbildungsentscheidung geben. Das ist nicht mit dem gleichzusetzen,
was die SPÖ unter Gesamtschule versteht.
ÖSTERREICH: Das Wort Gesamtschule ist Ihnen zu
trivialmarxistisch, Sie wollen aber, dass sich Schüler erst später
entscheiden müssen.
Pröll: So ist es. Es muss auch
eine Phase geben, in der die Talente eines Schülers veredelt werden.
ÖSTERREICH: In der Bildungspolitik sehen Sie also
Fortschritte. Bei anderen Reformschritten sind Sie weniger optimistisch?
Pröll:
Was mich am Bund sehr stark irritiert, ist der Umgangston, der wieder
angeschlagen wird. Ich hab noch die Äußerungen des Bundeskanzlers im Ohr:
Genug gestritten. Und habe den Eindruck, dass man wieder in jenes Fahrwasser
gerät, dem man abgeschworen hat. Erschwerend kommt dazu, dass sich
Verantwortungsträger sehr stark von Wahlergebnissen irritieren lassen. Ich
verstehe auch nicht, dass der Kanzler für ein gutes Ergebnis auf dem
Parteitag den Regierungsfrieden infrage stellt. Damit verkompliziert er die
Ausgangslage für den Herbst unglaublich.
ÖSTERREICH: Wir haben gerade eine Gallup-Umfrage über die
Zufriedenheit mit der Regierung gemacht: Wie zufrieden sind Sie – von 1
(sehr) bis 5 (gar nicht) – mit dem Bundeskanzler?
Pröll:
Ich würde ihm einen Dreier geben, weil er natürlich schon auch versucht, ein
Miteinander zu finden, auf der anderen Seite sind Ausreißer, wie wir sie
jetzt erlebt haben, destruktiv.
ÖSTERREICH: Und dem Vizekanzler?
Pröll:
Zum Streiten gehören immer zwei. Daher kann ich da in meinem Urteil über die
Regierung nicht differenzieren.
ÖSTERREICH: Auch ein 3er?
Pröll: Würde
ich sagen.
ÖSTERREICH: Was erwarten Sie vom großen Sparpaket der
Regierung?
Pröll: Ich glaube, dass das zu eindimensional
diskutiert wird. Es müssen in den nächsten eineinhalb Jahren grundsätzliche
Entscheidungen getroffen werden. Was die Verwaltung und was die
Budgetstruktur betrifft. Ich lege die Latte nicht so hoch, zu sagen, dass
zwei Wochen nach der Wien-Wahl das Budget für die nächsten fünf Jahre
saniert sein soll und diese Milliarden, von denen die ach so gescheiten
Experten immer reden, bei der Verwaltung eingespart werden müssen. Aber die
grundlegenden Entscheidungen müssen fallen. Wenn sich da mein Eindruck
verstärkt, dass manche im Bund den Föderalismus aushöhlen und den
Zentralismus verstärken wollen, muss man das grundsätzlich diskutieren. Und
da würde es dann hart auf hart gehen.
ÖSTERREICH: Der ÖVP hat es nicht gut getan, dass sie nicht –
mit Ihnen zum Beispiel – zur Präsidentenwahl angetreten ist?
Pröll:
Ich habe schon in der Phase der Entscheidungsfindung darauf hingewiesen,
dass es riskant ist, auf die Kandidatur zu verzichten, und bin überzeugt,
dass der Vizekanzler und Parteiobmann auch merkt, dass er nicht immer von
Leuten beraten und beeinflusst wurde, die es gut mit ihm und der Partei
gemeint haben …
ÖSTERREICH: Sie meinen Kammer-Präsident Leitl oder
Ex-Klubchef Khol …
Pröll: Ich nenne keine Namen.
Wenn sich eine Partei selbst aus dem Rennen um das höchste Amt im Staate
nimmt, erleidet sie Schaden. Die aktuellen Umfragen, laut denen der
Vorsprung der ÖVP schrumpft, bestätigen mich. Ich hoffe, dass jene, die die
Situation falsch eingeschätzt haben, jetzt belehrt sind. Motto: Aus Schaden
wird man klug.
ÖSTERREICH: Hätten Sie eine Siegeschance gehabt?
Pröll:
Ich glaube schon. Es wäre nicht nur für mich gewinnbar gewesen, sondern auch
für andere aus der ÖVP. Man muss ja sagen, dass das, was in diesem Wahlkampf
geboten wurde, kein Ruhmesblatt für unsere Demokratie war. Schließlich ist
der Amtsinhaber nicht einmal von der Hälfte der Wahlberechtigten bestätigt
worden, von der Wahlbeteiligung gar nicht zu reden. Es war ja überhaupt
keine Emotion in diesem Wahlkampf.
ÖSTERREICH: Was hätten Sie anders gemacht als der amtierende
Präsident?
Pröll: Jeder hat einen anderen Stil.
Meinen Stil kennt man, den muss ich nicht extra beschreiben. Die Frage ist,
ob der Vorsatz, eine Diskussion über das Amt und die Amtszeit zu führen,
angegangen wird. Aber der Amtsinhaber wirkt nicht sehr offensiv und
verschanzt sich eher in der Hofburg. Am Beginn seiner Amtszeit sind ja alle
Eide geschworen worden, ständig bei den Leuten zu sein. Nach sechs Jahren
kann sich jeder einen Reim machen.