Landeshauptmann Erwin Pröll im Gespräch über sein Amtsverständnis - Und: er kritisiert Neffen Josef Pröll.
Keine Auszeit gab es für Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll in diesem Sommer: Während die Bundesregierung urlaubte, hatte er mit der dramatischen Hochwassersituation, der Diskussion um Polizeischüsse, die einen 14-Jährigen töteten, und der Causa Prima – der Diskussion um die Bundespräsidentschaft – alle Hände voll zu tun.
Heiße Kartoffel Ortstafeln
ÖSTERREICH bat den mächtigen
Landeshauptmann zum großen Sommerinterview. Dabei zeigt sich Erwin Pröll
entspannt und staatsmännisch: So nimmt er in der Ortstafelfrage, in der
Stillstand herrscht, klar Stellung und betont, dass „die heiße Kartoffel“
nicht mehr hin- und her geschupft werden dürfe, sondern gemäß der
Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes gehandelt werden müsse.
"Herumgemurkse“ in der Schulpolitik
Pröll rügt die
Regierung für die Streitereien in Zeiten der Wirtschaftskrise und erklärt,
dass in der Schulpolitik zu viel „herumgemurkst“ wird, obwohl man mit
„Vernunft“ die Probleme lösen könnte.
"Wir sind keine Monarchie"
Ausführlich beschreibt Pröll
sein Amtsverständnis für den Bundespräsidenten. Denn er ist der Favorit für
einen ÖVP-Kandidaten bei der kommenden Bundespräsidentschaftswahl:
- Er wünscht sich warnende, auffordernde und wenn nötig „sogar bestimmende“ Worte bei wichtigen Fragen der Republik.
- Pröll ist gegen ein Jagdschloss als Sommersitz für den Präsidenten: „Wir sind nicht mehr in einer Monarchie.“
- Und Pröll sagt ganz deutlich, dass es einen eigenen ÖVP-Kandidaten für die kommenden Wahlen im April 2010 geben soll: „Ich bin unbedingt für einen eigenen Kandidaten in der ÖVP.“
- Dass seine Partei sich noch nicht festgelegt hat, immer wieder unterschiedliche Stimmen zur Kandidatur laut werden, schreibt er seinem Neffen und ÖVP-Chef Josef Pröll zu: In der Parteiführung sei man „offensichtlich noch nicht den Weg gegangen, hier ordentlich zu koordinieren.“
- Dass er Favorit als ÖVP-Präsidentschaftskandidat ist, „ehrt“ Erwin Pröll, wie er betont, sehr. Noch sei die Zeit für eine Entscheidung aber nicht reif.
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ÖSTERREICH: Nach der Sommerpause der Regierung ist die Ortstafelfrage wieder ins Zentrum gerückt. Und wieder geht hier nichts weiter. Wie muss diese Frage Ihrer Meinung nach gelöst werden?
Erwin Pröll: Höchstgerichtsentscheidungen sind für mich ähnlich wie Schiedsrichterentscheidungen beim Fußball, Tatsachenentscheidungen. Aber es ist nicht meine Aufgabe, die Ortstafelfrage zu werten. In einem Rechtsstaat muss geschriebenes oder gesprochenes Recht akzeptiert werden. Was sich aber in der Ortstafelfrage jetzt abspielt, ist, dass die heiße Kartoffel von der Bundesregierung zum Land Kärnten und wieder zurück geschupft wird – aus reiner Polit-Taktik. So geht das nicht. Ich meine, dass man nun endlich so weit sein müsste, in einen vernünftigen Dialog miteinander zu treten, Nägel mit Köpfen zu machen, und eine Lösung zu finden, die den Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes entspricht.
ÖSTERREICH: Ein halbes Jahr nach Start dieser Regierung geht nicht nur hier nichts weiter. Wie beurteilen Sie insgesamt die Performance der Regierung?
Erwin Pröll: Diese Regierung muss wirklich in den Ergebnissen noch massiv zulegen. Bundeskanzler Faymann ist mit dem Motto „genug gestritten“ angetreten. Davon merkt die Bevölkerung aber nichts mehr. Und das, obwohl wir in einer Zeit sind, in der die allgemeine wirtschaftliche Situation derart schwierig ist. Aber in der Regierung wird herumgemurkst. Ein Beispiel dafür ist die Schulpolitik. Ich verwahre mich dagegen, dass die Bundesländer bei der Schulreform bremsen. Von meiner Warte her könnte diese Reform längst über die Bühne sein. Hier muss man nur die Vernunft walten lassen und die Probleme können gelöst werden.
ÖSTERREICH: Ihre Lösungs-Appelle klingen betont staatsmännisch, was zum bestimmenden Thema Bundespräsidentschaftswahlen führt. Was muss ein guter Bundespräsident können?
Erwin Pröll: Das Entscheidende ist, dass er in einer Republik allen Bevölkerungsschichten das Gefühl gibt: Er ist für alle da. Ein Bundespräsident darf keinesfalls Platzhalter für eine politische Partei sein. Neben Faktenwissen, Erfahrung und Arbeit in der Politik ist das Grundvoraussetzung.
ÖSTERREICH: Braucht ein Bundespräsident ein Jagdschloss als Sommersitz?
Erwin Pröll: Im letzten Wahlkampf wurde hier schon angesprochen, dass darauf verzichtet werden soll. Ich frage mich, warum das nicht weiter verfolgt wurde. Ich sage, wir sind nicht mehr in einer Monarchie. Repräsentieren gehört dazu, aber alles mit Maß und Ziel. Ein Präsident braucht keinen Sommersitz.
ÖSTERREICH: Soll sich ein Bundespräsident in die Tagespolitik einmischen?
Erwin Pröll: Wenn existenzielle Fragen der Republik berührt sind, dann hat der Bundespräsident das Recht und die Pflicht, seine Stimme zu erheben. Ein gutes Beispiel dafür war Bundespräsident Rudolf Kirchschläger. Sein legendärer Ausspruch der „Sauren Wiesen“, die trockenzulegen sind, ist hier unerreicht. So wie er es gemacht hat, so wünscht man sich, dass der Bundespräsident in solchen Fällen die Stimme erhebt, um den Weg vorzugeben – warnend, auffordernd oder wenn nötig sogar bestimmend.
ÖSTERREICH: Wird die Machtposition, die der Bundespräsident eigentlich hat, vom jetzigen Präsidenten Heinz Fischer ausreichend genützt?
Erwin Pröll: Ich werde mich von Niederösterreich aus nicht als Oberlehrer der Nation gerieren. Aber was mir wirklich Sorgen macht ist, dass viele Österreicher sich heutzutage fragen, wozu man einen Bundespräsidenten überhaupt braucht. Das muss zu denken geben. Die Frage ist: Warum es so weit gekommen ist, dass die Österreicher dieses Amt als so wenig bedeutend einschätzen?
ÖSTERREICH: In Ihrer Partei gibt es keine Einigkeit, ob man bei der nächsten Wahl einen eigenen ÖVP-Kandidaten aufstellen soll. Warum läuft diese Diskussion in der ÖVP so unprofessionell?
Erwin Pröll: Weil man in der Parteiführung der ÖVP offensichtlich noch nicht den Weg gegangen ist, hier ordentlich zu koordinieren. Diese Frage müssen Sie also an die Parteiführung richten. Für mich ist aber klar: Alleine der Umstand, dass die Diskussion über mögliche Kandidaten so bald begonnen hat, zeigt, wie wichtig das Thema ist. In der ÖVP kommt jedenfalls mehr und mehr die Meinung hoch, dass ein eigener Kandidat aufzustellen ist. Auch ich bin der Meinung. Ich bin unbedingt für einen eigenen Kandidaten in der ÖVP. Denn ich war es, der in Niederösterreich das Persönlichkeitswahlrecht konkret umgesetzt hat. Und die Präsidentschaftswahl ist die Persönlichkeitswahl schlechthin.
ÖSTERREICH: Die Parteiführung, von der Sie sprechen, ist Ihr Neffe Josef Pröll. Wann muss er die Entscheidung für einen ÖVP-Kandidaten bekannt geben?
Erwin Pröll: Das ist Sache der Parteiführung. Aber soweit ich das überblicke ist es klar, dass es zu einem eigenen ÖVP-Kandidaten kommt.
ÖSTERREICH: Heinz Fischer wird wohl wieder kandidieren. Warum glauben Sie, dass man gegen einen amtierenden Präsidenten gewinnen kann?
Erwin Pröll: Die Überlegungen sind hier sehr einfach: Wenn alle bürgerlichen Parteien und auch die Grünen einen Kandidaten nominieren, dann ist die Wahrscheinlichkeit eines zweiten Wahlganges sehr groß. Das ist sicher auch der Grund für die Nervosität der SPÖ in dieser Frage, weil man hier weiß, dass ein guter Gegenkandidat zu Heinz Fischer reelle Chancen hat. Für einen amtierenden Präsidenten ist es schließlich alles andere als lustig, in eine Stichwahl gehen zu müssen. Noch dazu macht die SPÖ mangels Erfolg in den Bundesländern diese Wahl zu ihrer Schicksalswahl.
ÖSTERREICH: Wie ist Ihr persönliches Verhältnis zu Heinz Fischer?
Erwin Pröll: Es ist ein korrektes Verhältnis. Aber es ist so, dass ich mit den Amtsvorgängern von Kirchschläger über Waldheim bis Klestil ein persönlicheres Verhältnis hatte, dieses Verhältnis zum Landeshauptmann bestimmt immer der Bundespräsident.
ÖSTERREICH: Als ÖVP-Kandidat werden Sie seit Wochen genannt. Kanzler Werner Faymann sagte zuletzt, Heinz Fischer sei „verbindend“ und „verbindlich“. Sie seien das nicht. Ärgert Sie das?
Erwin Pröll: Na, da soll er mit Vergleichen vorsichtig sein. Wenn ich beginne, ihn als Bundeskanzler mit seinen Vorgängern zu vergleichen – da wird er nicht rosig aussehen.
ÖSTERREICH: In der ÖVP spitzt sich letztlich alles auf Ihre Kandidatur für die Präsidentschaft zu. Können Sie das noch ablehnen?
Erwin Pröll: Sie haben recht, es ehrt mich sehr, dass wirklich gewichtige Parteifunktionäre und Amtsträger in der Republik sich öffentlich für mich ausgesprochen haben. In der Praxis sollte man die Frage beantworten, wenn sie entscheidungsreif ist. An einem Bundespräsidentenwahlkampf hat jetzt niemand Interesse. Fakt ist: Sie werden von mir noch nie gehört haben: Ich will Bundespräsident werden. Aber Sie haben allerdings auch noch nie das Gegenteil von mir gehört ...