Poker bis zuletzt
Parteigremien segnen Koalitionspakt ab
29.01.2017
Wechselbad der Gefühle bei der Schlussverhandlung im Kanzleramt.
Gestern, knapp vor 21 Uhr, einigten sich die rot-schwarzen Verhandler im Kanzleramt endlich auf ein gemeinsames Arbeitsprogramm. Damit scheint die Neuwahl erst einmal abgesagt.
Vorstände stimmen zu
Das SPÖ-Präsidium hat am Montag dem überarbeiteten Koalitionspakt zugestimmt. Das berichtete der Wiener Landesparteichef und Bürgermeister Michael Häupl den wartenden Journalisten. Kurz darauf verließ auch Bundesparteichef Christian Kern die Sitzung und bestätigte die Entscheidung des SPÖ-Gremiums. Auch die ÖVP stimmte zu MIttag dem Paket zu. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner ging nach der Sitzung davon aus, dass alle seine Team-Mitglieder dem Pakt auch mit einer Unterschrift zustimmen.
Auch Sobotka unterschreibt
Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) wird das neue Arbeitsabkommen von SPÖ und ÖVP doch unterschreiben. Als Grund gab der Minister am Montag vor dem Sonderministerrat an, dass das Papier die "Handschrift der ÖVP trägt". Zudem habe der ÖVP-Vorstand dem Arbeitsübereinkommen klar zugestimmt.
Damit soll offenbar der letzte Stolperstein auf dem Weg zum jüngsten rot-schwarzen „Neustart“ aus dem Weg geräumt werden. VP-Innenminister Wolfgang Sobotka hatte schließlich gestern via ÖSTERREICH erneut bekräftigt, dass er „nur das von mir ausverhandelte Sicherheitspaket unterschreiben werde. Aber nicht das gesamte Paket, das ich gar nicht kenne.“
Der Kanzler – und das SPÖ-Team – hatten aber genau das gefordert. Sie wollten mittels Unterschrift künftige Querschüsse verhindern.
+++ Hier können Sie das Arbeitsprogramm downloaden +++
Kern: Gutes, "gemeinsames Regierungsprogramm"
Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) hat sich am Montag bei der Präsentation des neuen, adaptierten Regierungsprogramms erfreut über die Einigung gezeigt. Es handle sich dabei um kein SPÖ- oder ÖVP-Programm, sondern um ein "gemeinsames Regierungsprogramm", erklärte er am Nachmittag bei einer Pressekonferenz im Bundeskanzleramt.
In den vergangenen fünf Tagen habe man ein "sehr intensives Programm absolviert", stellte Kern fest. Ziel sei es gewesen, ein gemeinsames Arbeitsprogramm für die österreichische Regierung bis Herbst 2018, bis zum regulären Wahltermin, zu formulieren. Es habe intensive Diskussionen gegeben, die sei auch notwendig gewesen, so der Kanzler. Es sollte nicht nur ein inhaltliches Programm vorgelegt werden, die gemeinsamen Projekte sollten viel mehr auch mit konkreten Zeitplänen und Umsetzungsperspektiven versehen werden, betonte Kern weiter. Ziel sei es auch gewesen, politische Maßnahmen vorzuschlagen, die auch tatsächlich finanzierbar sind - ohne höhere Staatsverschuldung oder neue Schulden.
Aus den vergangenen Monaten habe man die Erkenntnis gezogen, dass es notwendig ist, "klar Schiff zu machen", eine gemeinsame Linie vorzugeben und dafür zu sorgen, dass das Regierungsteam diese dann auch abarbeitet. Der Zeitplan für die Programmerstellung sei "ohne Übertreibung" knapp gewesen. Nun habe man aber nicht nur einen neuen Bundespräsidenten, sondern auch ein "neues, adaptiertes Programm" für die Bundesregierung, so Kern.
Seine Rede in Wels sei sozialdemokratisch geprägt gewesen, hier handle es sich nun aber um "kein SPÖ-Programm und kein ÖVP-Programm, sondern ein gemeinsames Regierungsprogramm", erklärte der SPÖ-Vorsitzende. Im Programm finde man daher einmal die Handschrift der einen Seite, ein anderes Mal die Handschrift der anderen Seite: "Es ist ein gutes Programm." Er wollte es dann auch nicht als Kompromiss bezeichnen, sondern als Summe von Maßnahmen aus den gemeinsamen Schnittmengen. Kern bedankte sich auch bei Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) und allen Verhandlungspartnern für die Zusammenarbeit.
+++ Was wirklich im Regierungspakt steht +++
Zusammenarbeit wird neu aufgestellt
Die Zusammenarbeit in der Regierung soll auf neue Beine gestellt werden. Damit sollen die von jeweils einem Koalitionspartner besetzten sogenannten "Spiegelministerien" der Vergangenheit angehören, machten Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) beim Sonderministerrat am Montag klar. Einen "Neustart" sehen beide Parteichefs nicht, wie sie betonten.
Laut Mitterlehner habe das "Prinzip der Spiegelung", bei dem sich bei der Erarbeitung von Gesetzen zwei politisch unterschiedlich besetzte Ministerien gegenübergestanden sind, die Arbeit oft behindert. "Das wollen wir anders steuern", stellte der Vizekanzler eine neue Form der Koordination in Aussicht, womit die Regierung künftig "schneller und klarer" arbeiten könne. Wie dies konkret aussehen wird, verriet die Regierungsspitze aber noch nicht.
Auch wenn das neue Arbeitsübereinkommen zwischen SPÖ und ÖVP laut Kern und Mitterlehner konkreter und zielgerichteter aussieht, wollen beide Parteivertreter nicht von vorne beginnen. "Ich finde das Wort Neustart völlig unpassend", sah der Kanzler diesen Begriff ihm eher in den Mund gelegt. Tatsache sei, dass die alte Form der Zusammenarbeit "nicht wahnsinnig erfolgreich" gewesen sei. Und auch Mitterlehner meinte in Sachen Neustart: "Ich kann die Worte auch nicht mehr hören."
Die Einbindung der Sozialpartner bei der Erstellung des Programms verteidigten die Regierungschefs bei dessen Präsentation. Die Setzung einer Frist bei den Punkten Arbeitszeitflexibilisierung und Mindestlohn ist für Kern eine gute Vorgehensweise. Auch Mitterlehner verteidigte das Vorgehen. Bei der Finanzierung aller Maßnahmen sei detailgenau gearbeitet, die Einführung zusätzlicher Abgaben vermieden worden. Details werde Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) präsentieren.
Beide Partner stehen auch hinter Maßnahmen wie dem Kopftuchverbot in Teilen des öffentlichen Dienstes. Beim geplanten "Neutralitätsgebot" werde man eng mit allen anerkannten Religionsgemeinschaften zusammenarbeiten, beteuerte Kern. Bei einem weiteren heiklen Thema, der Flüchtlingsobergrenze, bekannte sich Mitterlehner zur Zahl von 17.500. Allerdings reiche es nicht, "nur Zahlen hineinzuschreiben". Man sei übereingekommen, dass man diese auch unterfüttern müsse. Alles unter Beachtung der Menschenrechtskonvention.
Kern verteidigte weiters geplante Sicherheitsmaßnahmen als Antwort auf die erhöhte Gefährdungslage durch Terrorismus. Dies sei im "sozialdemokratischen Milieu" intensiv diskutiert worden. "Wir haben die Verpflichtung, die Bevölkerung zu schützen", rechtfertigte Kern die Pläne. Als ebenso wichtig erachten aber auch beide Koalitionspartner laut eigenen Aussagen die Aufgabe der Integration. Kern: "ich halte das für die größte Herausforderung, die wir in unserer politischen Generation zu bewältigen haben."
oe24 berichtet natürlich auch heute wieder LIVE über die aktuellen Ereignisse