Knalleffekt um CETA: Vor der Debatte im Parlament wackelt die Mehrheit im Parlament.
562.552 Österreicherinnen und Österreicher haben das CETA-Volksbegehren unterschrieben – seit vergangenem Mittwoch liegt das Begehren offiziell im Parlament, kommende Woche wird es erstmals in einer Debatte diskutiert.
Widerstand formiert sich. Nach dem CETA-Beschluss auf EU-Ebene muss auch der Nationalrat in Wien Ja zum umstrittenen Handelspakt mit Kanada sagen – die Abstimmung dürfte allerdings frühstens in ein bis zwei Jahren stattfinden.
Schabhüttl sagt Nein. Allerdings formiert sich bereits jetzt Widerstand: In ÖSTERREICH outet sich der erste SPÖ-Abgeordnete, der CETA „in er derzeitigen Form“ nicht zustimmen will.
"Sage nicht ja, wenn ich Begehren unterschreibe"
Jürgen Schabhüttl ist Bürgermeister aus Inzenhof im Südburgenland – und er gehört zu jenen roten Ortschefs, die das Volksbegehren im vergangen Jahr gestartet hatten. Schabhüttl zu ÖSTERREICH: „Ich kann ja nicht gut ein Volksbegehren unterstützen und dann im Parlament für CETA stimmen.“ Schabhüttl sieht vor allem die in CETA vorgesehenen Sondergerichte sowie die Möglichkeit der Privatisierung der Daseinsvorsorge kritisch. Fazit: „So wie CETA jetzt daliegt, kann ich nur Nein dazu sagen.“
Widerstand für Kanzler Kern brandgefährlich
Gefährlich. Die Sache ist für SP-Bundeskanzler Christian Kern gefährlich, denn: Da nur ÖVP und Neos für CETA sind, hängt es an der SPÖ, ob der Handelspakt durchs Parlament kommt. Schabhüttl ist wohl nicht allein: Vor allem vielen Gewerkschaftern ist CETA ein Dorn im Auge. Dass Schabhüttl seinem Kanzler hier nicht folgen kann, tut ihm sichtlich leid, aber: „Das ist eine Gewissensfrage.“
Niessl will alles neu. Rückhalt kommt von „seinem“ Landeshauptmann Hans Niessl: Er fordert jetzt, dass CETA de facto neu verhandelt wird. Und: Einfädeln soll das ÖVP-Außenminister Kurz. „Er macht immer gute Vorschläge, setzt aber nichts um“, so Niessl. Günther Schröder
Umfrage: 71 % würden bei einem Referendum Nein zu CETA sagen
Kanzler Christian Kern will CETA durchziehen – Rückhalt in der Bevölkerung hat er dafür kaum. Laut einer ÖSTERREICH-Umfrage (800 Befragte online und telefonisch) würde eine Mehrheit von 71 % CETA bei einer Volksabstimmung ablehnen. 45 % glauben, der Handelspakt bringe Österreich mehr Nachteile als Vorteile. Und das, obwohl festgeschrieben ist, dass Österreich seine Umwelt- und Lebensmittelstandards behalten kann.
Niessl: "Die EU muss den CETA-Vertrag neu verhandeln"
ÖSTERREICH: Das CETA-Volksbegehren kommt ins Parlament. Was soll dort geschehen?
Hans Niessl: Als jemand, der mit mehr als 500.000 Österreichern das Volksbegehren unterzeichnet hat, erwarte ich mir, dass die Bedenken ernst genommen werden. Es gibt da ein großes Unbehagen. Mit CETA wird für die Konzerne die ordentliche Gerichtsbarkeit ausgehebelt. Die Großen können es sich richten, während die Kleinen sich natürlich vor Gerichten verantworten müssen. Zweitens gibt es die Befürchtung, dass Teile der Daseinsvorsorge privatisiert werden. Was ist, wenn Konzerne das Trinkwasser aufkaufen? Da muss sich auch der Nationalrat sehr intensiv damit befassen. Das sind ja auch Bereiche, die der Kanzler kritisiert hat.
österreich: Der vom Kanzler ausgehandelte Beipacktext reicht Ihnen also nicht?
NiessL: Da gibt es vor allem ein Problem: Wie verbindlich ist dieser Side letter?
ÖSTERREICH: Sie haben also Verständnis, wenn Abgeordnete wie Ihr Landsmann Jürgen Schabhüttl CETA so nicht zustimmen können?
NiessL: Absolut. Wenn man die Menschen ernst nimmt, muss man CETA weiter diskutieren und abändern.
ÖSTERREICH: Die EU-Kommission müsste also in eine neue Runde mit Kanada gehen?
Niessl: Ja, da müsste neu verhandelt werden. Ich glaube, dass die Regierung in Europa deshalb Verbündete suchen muss. Da wird Außenminister Kurz gefordert ist, der immer gute Vorschläge macht, aber relativ wenig umsetzt. Oder natürlich auch die Spitze: der Kanzler sowie der Vizekanzler. (gü)