Kampfansage: Landesfürst Pröll über die Regierung, das Bundesheer und seine Rolle.
Beim ÖSTERREICH-Sommergespräch präsentiert sich Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll an einem Ort, der ihm besonders am Herzen liegt. Vor der traumhaften Kulisse von Grafenegg, wo unter seiner Ägide einer der schönsten und wichtigsten Festspiel-Orte Österreichs entstanden ist.
Pröll hat in den vergangenen Tagen wieder einmal gezeigt, dass ihm das große Niederösterreich zuweilen zu klein wird – und hat der österreichischen Innenpolitik die Tagesthemen vorgegeben: Erst hatte er lautstark gefordert, das Volk über die Zukunft des österreichischen Bundesheeres zu befragen, dann hat er hinter den Kulissen der ÖVP-Personalturbulenzen mitgemischt.
Mastermind?
Im ÖSTERREICH-Gespräch (siehe weiter unten) bestreitet er freilich wortreich, das „ÖVP-Mastermind“ und, wie viele unterstellen, der wahre schwarze Parteiobmann zu sein – und streut Vizekanzler Michael Spindelegger demonstrativ Rosen.
Seine Zufriedenheit darüber, den entscheidenden Anstoß zur Bundesheer-Volksbefragung gegeben zu haben, ist allerdings hörbar. Schuss aus der Hüfte wäre das keiner gewesen: „Alle Entscheidungen, die ich treffe, sind gut überlegt.“
Pröll ist felsenfest davon überzeugt, dass er mit dem Bundesheer-Plebiszit seiner ÖVP einen Triumph vorbereitet hat und das „Ja“ zur Beibehaltung der Wehrpflicht überzeugend ausfallen wird („60:40“ würde ihn nicht wundern).
Kritik an Darabos
Dabei schießt er sich auf den aktuellen Lieblingsgegner der ÖVP ein: Verteidigungsminister Norbert Darabos
. Unter ihm als Kanzler wäre der schon längst seinen Job los.
In der Spätsommer-Sonne im herrlichen Grafenegg glaubt man fast, dass Pröll nur noch Landeshauptmann in diesem Niederösterreich sein will – und keine Ambitionen auf die Bundespräsidentschaft hat. Aber reden wir im Jahr 2015 weiter ...
Das ÖSTERREICH-Interview mit Erwin Pröll:
ÖSTERREICH: Herr Landeshauptmann, Sie haben mit dem Vorschlag, das Volk über das Bundesheer abstimmen zu lassen, für den Paukenschlag des Sommers gesorgt. War das – wie bei Cowboys – ein Schuss aus der Hüfte?
Erwin Pröll: Das war kein Schuss aus der Hüfte, auch nicht lange geplant, sondern die Situation hat diese Aussage erfordert. An unserem Bundesheer wird nun jahrelang herumgedoktert, die Unsicherheit wird immer größer, die Leistungsfähigkeit des Heeres wird immer mehr infrage gestellt und die Sehnsucht nach Klarheit und Sicherheit bei den Bürgern wird immer größer – aus dieser Sorge ist meine Ansage gekommen.
ÖSTERREICH: Aber der Vorschlag einer Volksbefragung ist nicht neu, der stammt von Ihrem Freund Michael Häupl – und den haben Sie damals wegen der Forderung kritisiert.
Pröll: Das habe ich nicht. Das war damals wirklich ein Hüftschuss mitten im Wahlkampf – aber in der Zwischenzeit hat sich sehr viel geändert. Es ist ganz offensichtlich, dass die Regierungsparteien ohne Volksbefragung keinen gemeinsamen Weg für eine Reform des Heeres finden.
© TZ ÖSTERREICH, Spaziergang in Schloss Grafenegg
ÖSTERREICH: Welches Modell wird denn bei der Abstimmung gewinnen: Berufsheer oder Wehrpflicht?
Pröll: Ich bin mir sicher, dass es eine große Mehrheit für die Beibehaltung der so bewährten Wehrpflicht geben wird. Ein 60:40 für die Wehrpflicht würde mich nicht überraschen. Das Modell des Söldnerheeres ist völlig undurchdacht, nicht praktikabel und sicherheitspolitisches Harakiri. Für die Wehrpflicht spricht alles. Immerhin geht es um den immer wichtiger werdenden Katastrophenschutz, aber auch um die Rettung des Zivildienstes. Sicherheit ist kein Exerzierfeld für parteipolitische Manöver.
ÖSTERREICH: Sie glauben wirklich, dass der Rettungsdienst ohne Zivildiener zusammenbrechen würde?
Pröll: Ja, in Niederösterreich ist derzeit im Ernstfall in 10 Minuten eine Rettung vor Ort, ohne Zivildiener würde das künftig bis zu einer vollen Stunde dauern. Die Rettungsdienste gehen zudem davon aus, dass eine Umstellung bis zu 100 Millionen Euro pro Jahr kosten kann.
ÖSTERREICH: Halten Sie Verteidigungsminister Norbert Darabos für fähig?
Pröll: Ein Verteidigungsminister, der sich scheut, im Katastrophenfall wie in St. Lorenzen zur Truppe zu gehen und stattdessen in London eine Verunsicherung unserer Sportler startet, ist keine gute Besetzung. Ich muss schon sagen, wäre ich Regierungschef, würde ich das nicht als optimale Personalentscheidung sehen.
ÖSTERREICH: Beim Personal hat die ÖVP ja auch Probleme: Zuletzt wurde heftig diskutiert, ob Vizekanzler Spindelegger nicht den Finanzminister übernehmen soll.
Pröll: Ich bin überzeugt, dass Michael Spindelegger das Amt des Finanzministers gut ausfüllen würde, wie es auch Maria Fekter tut. Ich bin mir sicher, dass er sich in vielen Sachfragen besser schlägt als Kanzler Faymann. Mir wäre es sowieso lieber, Spindelegger wäre Kanzler ...
ÖSTERREICH: Davon ist er aber meilenweit entfernt.
Pröll: Schau ma mal – wir arbeiten sehr intensiv daran, dass er es wird.
ÖSTERREICH: Es heißt, dass Sie es waren, der Spindelegger geraten hat, Finanzminister zu werden. Sind Sie Mastermind der ÖVP?
Pröll: Ich bin Landeshauptmann von Niederösterreich, aber sicher nicht Mastermind der ÖVP. Ich habe zwar mit Spindelegger darüber gesprochen, ihm aber lediglich gesagt, es sei seine Entscheidung, obwohl er dieses Amt sehr gut ausüben würde. Er als Vizekanzler und damit Parteiführer der ÖVP wird sich das gut überlegt haben, und wenn er sagt, er macht es nicht, dann wird er gute Argumente dafür haben.
ÖSTERREICH: Sie bestreiten, dass die Idee von Ihnen kam?
Pröll: Wer immer das behauptet, lügt. Ich habe einen Grundsatz: Personalentscheidungen sind Chefsache auf Bundesebene genauso wie auf Landesebene! Wir gehen in der Finanzpolitik in ein spannendes Jahr und je schwieriger die Situation wird, umso wichtiger ist es, wenn Verantwortungsträger aus dem richtigen Holz geschnitzt sind.
ÖSTERREICH: Sie sprechen damit die prekäre Lage Griechenlands an. Sollen die Griechen raus aus der Euro-Zone?
Pröll: Ich bin der Überzeugung, die Frage „raus mit den Griechen“ und „weg mit dem Euro“ wird sich nicht stellen. In Wahrheit kann sich Europa eine Zukunft ohne Euro nicht leisten.
ÖSTERREICH: Geht’s uns wirklich so gut, dass wir uns Milliarden an Griechen-Hilfe leisten können?
pröll: Das ist nicht die Frage. Wir sollten nicht vergessen, dass wir auch schon in einer Situation waren, wo wir auf die Hilfe anderer angewiesen waren. Man sollte die Griechen ordentlich an der Hand nehmen und ihnen Klarheit vermitteln, ohne Extrawürste.
ÖSTERREICH: Zurück ins eigene Land. Sind Sie mit der Arbeit der Bundesregierung zufrieden?
Pröll: In vielen Fällen blockieren die Verantwortungsträger nur, anstatt Entscheidungen zu treffen. Das Thema Bundesheer ist ein typischer Fall. Oder auch die Diskussion nach den Olympischen Spielen in London rund um die Sportförderung. Ich persönlich halte es in dem Zusammenhang für sehr problematisch, dass die Turnstunden in Schulen im Laufe der Jahre immer mehr und mehr reduziert wurden.
ÖSTERREICH: Brauchen wir wieder einen Sportminister?
Pröll: Ja, unbedingt. Es müsste jemand sein, der Sport in sich trägt und das politische Management versteht. Und wir brauchen die tägliche Turnstunde in der Schule. Da beginnt’s.
ÖSTERREICH: Was Ihre Person betrifft, werden Sie 2015 als Bundespräsident kandidieren?
pröll: Das ist kein Thema für mich. Wir haben 2013 in NÖ Landtagswahlen. Ich trete für eine volle Gesetzgebungsperiode an. Jeder weiß, halbe Sachen sind nicht meine Sache.
ÖSTERREICH: Sie feiern im Oktober 20 Jahre als Landeshauptmann. Werden wir in fünf Jahren erleben, dass Sie noch einmal – zum 6. Mal – antreten?
prÖll: Wer heute garantiert, was 2018 eintritt, ist ein Scharlatan. Mir macht der Job viel Freude – ich mache ihn, so Gott will, gerne noch fünf Jahre. Die eigene Gesundheit und der Wunsch meiner Parteikollegen und Wähler werden dann entscheiden.
ÖSTERREICH: Aber für 2013 sind Sie optimistisch?
pröll: Ich wäre sehr zufrieden, wenn wir „klare Verhältnisse“ bekommen. Das bedeutet, dass wir über 50 Prozent erreichen und keine faulen Kompromisse eingehen müssen. Ich bin ein großer Freund einer Fortsetzung einer Großen Koalition. Aber nur wenn in der Regierung Schluss mit dem Blockieren ist. Was ich mir wünsche, wäre ein Mehrheitswahlrecht mit einem ordentlichen Schuss Persönlichkeitswahlrecht. Wir können ja nicht bei jedem Thema eine Volksbefragung machen. Die Regierung muss agieren, nicht blockieren.
ÖSTERREICH: Würde es dem Land NÖ auch guttun, wenn bei der nächsten Wahl Stronach antritt?
pröll: Wenn er das tut, werden wir uns mit ihm auseinandersetzen, so wie mit jedem anderen Mitbewerber auch.
Das Interview führten ÖSTERREICH-Herausgeber Wolfgang Fellner und Redakteurin Eveline Vinzens.